Das Schmecken ist ein Erkenntnisvermögen

In der Weisheit – sapientia – lassen sich deren Ursprünge im Wissen und Schmecken – beides sapor – noch erkennen. Lisz Hirn erklärt: „Das Schmecken ist hier nicht eine bloße Sinneswahrnehmung, sondern ein Erkenntnisvermögen.“ Schon Friedrich Nietzsche hat es „als eine kulturell oder individuell erworbene Form des lebenspraktischen – philosophischen – Weisheit“ verstanden. Das heißt, die Beurteilung und Erkenntnis der Dinge fordert die mündige Stellungnahme des Einzelnen. Diese kann jedoch mehr oder weniger erkenntnisreich ausfallen. Der Sapiens, der Schmeckende/Weise stellt Friedrich Nietzsche fest, schmeckt – nicht nur im übertragenen Sinne – quasi die bedeutsamen Unterschiede heraus. Er ist ein Mensch des „schärfsten Geschmacks“. Wo dieser Geschmack fehlt, kann man auf Vormünder zurückgreifen. Lisz Hirn arbeitet als Publizistin und Philosophin in der Jugend- und Erwachsenenbildung, unter anderem am Universitätslehrgang „Philosophische Praxis“.

Der übermäßige Fleischkonsum trägt zur Klimakrise bei

Denn zu viel „schlechter“ Geschmack kann sich tatsächlich zu einer Gefahr für das Kollektiv entwickeln. Lisz Hirn stellt fest: „Die Diskussion zum übermäßigen Fleischkonsum im Angesicht der Klimakrise unterstreichen das. Zwar kann ich als Konsument zwischen Produkten wählen und meine Ernährung nach meinen finanziellen Möglichkeiten und meinem Gewissen gestalten.“ Was aber, wenn der persönliche Geschmack schlecht ist und man damit anderen schadet? Jeder nach seinem Geschmack? Das verrät nicht nur einen ästhetischen, sondern auch einen ethischen Relativismus.

Eine Lösung für die eklatanten Probleme, mit denen sich die Menschheit auf kurz oder lang auseinandersetzen muss, bietet diese Haltung allerdings nicht. Stattdessen setzt man die Hoffnungen in die Technik. Im globalen Süden investiert man in die Produktion von essbaren Insekten, im globalen Norden in die Entwicklung von In-vitro-Fleisch beziehungsweise Kulturfleisch. Lisz Hirn erläutert: „Beides ist nicht nur eine Frage der Technologie, sondern auch eine Überwindung des angelernten Ekels. Beides kommt einem gastronomischen Tabubruch gleich.“

Laborfleisch wird nie zu einem Massenprodukt werden

Lisz Hirn weiß: „Das Laborfleisch lockt damit, umweltfreundlich und ohne Tierleid auszukommen. Da es allerdings nur in kleinen Mengen hergestellt werden kann, wird es höchstwahrscheinlich nie zu einem Massenprodukt werden.“ Die Utopie dahinter ist dennoch bemerkenswert: Fleisch essen können, ohne töten zu müssen? Das wirkt wie eine bizarre Fantasie aus einem Science-Fiction-Film. Tierschützer sind jedoch nicht zufrieden mit diesen Optionen, denn für beide Varianten muss man weiterhin Tiere töten.

Die Ingredienz von Insektenfleisch sind eben Insekten, und die künstliche Erzeugung von Kulturfleisch kommt noch immer nicht ohne ein Mindestmaß an „Rinderpartikeln“ aus. Dennoch gibt es endlos viele Investitionen in den Sektor Alternativfleisch, die sich allerdings nur peripher auf die Endpreise im Supermarkt niederschlägt. Lisz Hirn erklärt: „Die Zielgruppe, sprich die Masse, wird damit verfehlt, da diese Produkte für den alltäglichen Verzehr schlicht zu teuer sind.“ Quelle: „Der überschätzte Mensch“ von Lisz Hirn

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar