Rebekka Reinhard schreibt: „Wir leben im Informationszeitalter, mitten im reißenden Fluss der Aktualitäten, die alle Aufmerksamkeit für sich beanspruchen: das Rauschen der Nachrichten, das Rauschen der Bilder, das Rauschen der Meinungen, das Rauschen der Widersprüche.“ Seit der Griff zum Handy, E-Mails, soziale Medien, WhatsApp und Podcasts so alltäglich wurden, seit sich öffentlich und privat, subjektiv und objektiv nicht mehr so leicht trennen lassen, wird das Rauschen des Informationsflusses immer noch lauter und schneller. Das große Rauschen ist der wichtigste Verbündet des Dauerdenkens. Es schiebt sich wie eine Barriere vor das wirkliche Leben und kann einen Menschen derart in den Bann schlagen, dass ihm die Haltung wegdriftet. Rebekka Reinhard ist Chefredakteurin des Magazins „human“ über Mensch und KI. Unter anderem ist sie bekannt durch den Podcast „Was sagen Sie dazu?“ der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft wbg.
Jeder ist selbst verantwortlich für sein seelisches Gleichgewicht
Zwar resultiert das große Rauschen aus immer neuen und anderen Wellenbewegungen – doch es ist erstaunlich monoton. Rebekka Reinhard erklärt: „Egal, an welcher Stelle des Flusses man sich befindet, man wird von Varianten des immer Gleichen und Altbekannten umspült: die Klimakrise, die Krise der Demokratie, die Migrationskrise, die Wirtschaftskrise, die Regierungskrise. Und so weiter.“ In den unbegrenzten Fluten treibt viel Angst und wenig Zuversicht.
Da es keinen allseits anerkannten Aufseher, keine gerechte Herrscherin über das große Rauschen gibt, ist jeder selbst verantwortlich für sein seelisches Gleichgewicht. Wer dem Rauschen keine Grenzen setzt, fühlt sich bald alleingelassen. Überschwemmt von Gefühlen der Angst, Unfreiheit und Bedrohung. Rebekka Reinhard stellt fest: „Vor lauter Nachrichten, Bildern, Meinungen, Widersprüchen können Sie Ihr Vertrauen in die Möglichkeit zwischenmenschlicher Verständigung verlieren. Aber: Die Verständigung kann wieder hergestellt werden.“
Zwischen Idee und Ideologie besteht ein krasser Unterschied
Zwei Menschen unterhalten sich. Abwechselnd redet erst der eine, dann der andere, und während der eine Mensch redet, hört der andere zu. Rebekka Reinhard erläutert: „Plötzlich ist die Barriere weg, das Rauschen versiegt. So simpel ist das. Es ist nicht wahr, dass man gewisse Dinge nicht mehr sagen darf. Wahr ist dagegen, dass der rauschende Informationsfluss den direkten Mensch-zu-Mensch-Kontakt permanent überdröhnt, überlagert, überformt.“ Im großen Rauschen treibt eine Menge Ideologie.
Die vielen Nachrichten und Bilder, die täglich auf uns einströmen, sind voll davon. Ideologie tut so, als wäre sie eine gute Idee – dabei besteht zwischen beiden ein krasser Unterschied. Rebekka Reinhard weiß: „Idee = ein besonderer Einfall, ein Gedanke, der Neues in die Welt bringen kann; manchmal auch ein Ideal, an dem man sich orientieren kann. Ideologie = eine allgemeine Vorstellung von der Welt, den anderen und der Wahrheit, die subjektiv und objektiv in einen Topf kippt, verrührt und einen Brei produziert, in dem alte Machtansprüche treiben.“ Quelle: „Die Kunst gut sei sein“ von Rebekka Reinhard
Von Hans Klumbies
