Die 31. Sonderausgabe des Philosophie Magazins enthält ausgesuchte Essays und Gespräche zu den großen Fragen unserer Zeit. Gegliedert ist das Heft in vier große Abschnitte: Das Ringen um die Ordnung, Wege ins Maschinenzeitalter, Aufwachen im Anthropozän und Orientierung im Denken. Der Philosoph Peter Sloterdijk und der Verfassungsrechtler Christoph Möller diskutieren darüber, ob es wirklich wünschenswert ist, den Handlungsspielraum des Einzelnen dem Wohl aller unterzuordnen. Peter Sloterdijk sagt: „Wir schauen auf ein Jahrhundert zurück, in dem Freiheitsrechte so stark misshandelt wurden wie nie zuvor.“ Christoph Möllers hat den Verdacht, dass die kollektive Freiheit schon den Primat der individuellen Freiheit voraussetzt. Die kollektive Freiheit ist für ihn nicht die Summe von individuellen Freiheiten, gemeint sind Spielräume, die man nur in der Interaktion mit anderen haben kann.
Optimismus ist Pflicht
Die Philosophin und Schriftstellerin Thea Dorn möchte sich selbst in Zeiten der Polykrise ein gewisses Maß an Zuversicht und Optimismus erhalten. Dazu fasst sie einen radikalen Gedanken: „Rational begründete Zuversicht allein reicht niemals. Grundsätzliche, robuste Zuversicht ist letztlich immer unbegründet, sie ist eine Frage der Haltung, der Einstellung, des Willens.“ Karl Popper, der als Liberaler an die Würde des Einzelnen, an Freiheit und Autonomie glaubte, betonte in seinen letzten Lebensjahren immer wieder: „Optimismus ist Pflicht.“
Der amerikanische Publizist Robert D. Kaplan vermutet, dass der Klimawandel und Überbevölkerung im 21. Jahrhundert zu geopolitischem Chaos, Armut und Diktatur führen könnte. Schon 1994 sagte er im Magazin Atlantic voraus: „Die natürliche Umwelt wird im 21. Jahrhundert zum nationalen Sicherheitsrisiko, da die Ressourcenknappheit Gesellschaften destabilisieren und das Regieren schwer machen wird.“ Robert D. Kaplan weiß natürlich, dass die Ereignisse in der Natur auch geopolitische Geschehnisse auslösen. Denn eine planetare, ökologische Geschichte konkurriert mit den Nationalgeschichten.
Produktive Irritationen führen zu einer besseren Ordnung
Ingolfur Blühdorn, Professor für soziale Nachhaltigkeit an der Wirtschaftsuniversität Wien, warnt: „Der Abgrund, vor dem António Guterres anlässlich der UN-Vollversammlung so eindringlich gewarnt hatte, hat sich nicht geschlossen. Vielmehr sind die Extremwetter, die Migrationsproblematik, die soziale Spaltung und all das, was Begriffe wie Polykrise oder Gesellschaft der Nicht-Nachhaltigkeit sonst noch erfassen, konkreter denn je.“ Dennoch darf man die Gestaltung der nächsten Moderne weder den Führern der Rechtspopulisten überlassen, noch jenen, die leichtfertig über das Ende der Grünen Hegemonie frohlocken.
Sand im Getriebe – eine Philosophie der Störung. Was unterscheidet produktive Irritation von destruktiver Einmischung? Dieser Frage widmet sich die Philosophin Barbara Bleisch. Sie schreibt: „Störung ist also dann produktiv, wenn sie stört, was eben gerade nicht respektiert, sondern gestört gehört; und wenn sie stört um des Guten willen.“ Sind diese Kriterien erfüllt tut man gut daran, sich die Störung gefallen zu lassen und in eine modifizierte bessere Ordnung zu finden.
Von Hans Klumbies