Tücken der Dinge gehören wohl der Vergangenheit an. Menschen werden nicht mehr von den Dingen traktiert. Byung-Chul Han ergänzt: „Sie verhalten sich nicht destruktiv und widerstrebend. Sie verlieren ihre Stacheln. Wir nehmen sie nicht in ihrer Andersheit und Fremdheit wahr. Dadurch schwächt sich das Wirklichkeitsgefühl ab.“ Vor allem die Digitalisierung verschärft die Entwirklichung der Welt. Befremdlich klingt Jacques Derridas Bemerkung, dass das Ding das „ganz Andere“ sei, dass es uns sein „Gesetz“ diktiere, dem sich die Menschen zu unterwerfen hätten. Die Dinge sind heute ganz unterwürfig. Sie werden en menschlichen Bedürfnissen unterworfen. Die Dinge verlieren plötzlich ihr Eigenleben und werden willfährige Werkzeuge zur Problemlösung. Das Leben selbst wird als Problemlösen betrachtet. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Dinge treten nicht mehr als widerspenstige Akteure auf
Der Umgang mit den Dingen verliert jeden konfliktären Charakter. Sie treten nun nicht als widerspenstige Akteure auf. Bereits Kindern wird ein Machbarkeitsdenken eingetrichtert, dass es für alles eine schnelle Lösung, ja eine App gibt, dass das Leben selbst nichts anderes als ein Problemlösen ist. Ernst Bloch liest das Märchen von „Sindbad“ als eine Allegorie für das Verhältnis der Menschen zu den Dingen. Er erhebt Einspruch gegen den instrumentellen Umgang mit den Dingen.
Ernst Bloch begreift die menschliche Natur als eine sehr fragile Einrichtung auf dem Rücken der Dinge. Er schreibt: „Wir kennen nur ihre Vorderseite oder Oberseite ihrer technischen Dienstwilligkeit, freundlichen Eingemeindung. Wir sehen aber weder ihre Unterseite, noch das Element, worin das Ganze schwimmt.“ Ernst Bloch sieht die Möglichkeit in Erwägung, dass die Dienstwilligkeit der Dinge nur ihre uns zugekehrte Vorderseite darstellt, dass sie in Wirklichkeit einer anderen Welt gehören.
Wir sind nicht Herr im eigenen Haus
Byung-Chul Han fügt hinzu: „Hinter ihrer Dienstwilligkeit wird ein irrationales Eigenleben vermutet, das sich menschlichen Absichten querstellt. Demnach sind wir nicht Herr im eigenen Haus.“ Ernst Bloch schreibt: „Das Feuer im Ofen heizt, wenn wir nicht dabei sind. Also, sagt man, wird es inzwischen wohl auch gebrannt haben, in der warm gewordenen Stube. Doch sicher ist das nicht und was das Feuer vorher getrieben hat, was die Möbel während unseres Ausgangs taten, ist dunkel.“
Ernst Bloch fährt fort: „Keine Vermutung darüber ist zu beweisen, aber auch keine, noch so phantastische, zu widerlegen. Eben: Mäuse tanzen auf dem Tisch herum, und was tat oder war inzwischen der Tisch? Grade, dass alles bei unserer Rückkehr wieder dasteht, als wäre nichts gewesen, kann das Unheimlichste von allem sein. […] Es ist vielen von früh auf ein ungeheuerliches Gefühl, die Dinge nur zu sehen, während wir sie sehen.“ Vielleicht gehen Menschen mittels Internet der Dinge gegen jene tief in ihnen sitzende Angst vor, dass die Dinge bei ihrer Abwesenheit ihr Unwesen treiben könnten. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han
Von Hans Klumbies