Die Finanzkrise des Jahres 2008 beutelte Schuldner und Gläubiger gleichermaßen und hätte zu einer grundlegenden Neubewertung der möglichen Risiken einer hohen Verschuldung führen müssen. Nouriel Roubini blickt zurück: „Einige gingen tatsächlich in sich, zumindest für kurze Zeit. Experten betonten die Bedeutung von Sicherheitsmechanismen, Finanzaufseher verabschiedeten neue Regeln, Rating-Agenturen wurden transparenter, Notenbanken und andere Aufsichtsbehörden unterzogen große Geldinstitute sogenannten Stresstests.“ Hoch verschuldete Haushalte und Banken bauten Schulden ab, indem sie entweder mehr sparten oder die Zahlung eines Teils ihrer Verpflichtungen einstellten. Doch andere Akteure – Staaten, Konzerne, Schattenbanken – nahmen mehr Geld auf. Statt das globale Risiko zu mildern, setzten Politiker und Teile der Privatwirtschaft die lieb gewonnene Überschuldung nahtlos fort. Nouriel Roubini ist einer der gefragtesten Wirtschaftsexperten der Gegenwart. Er leitet Roubini Global Economics, ein Unternehmen für Kapitalmarkt- und Wirtschaftsanalysen.
Größeres Risiko sorgt für höhere Renditen
Jeder Kreditnehmer kann sein Risiko selbst einschätzen. Anhand eines Vergleiches der Zinserträge zweier Anleihen, die zur selben Zeit fällig werden, können die Anleger ablesen, welche die riskantere ist. Nouriel Roubini erklärt: „Je größer das Risiko, umso höher die Zinsen, also die Rendite für die Anleger. Da der amerikanische Staat mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit zahlungsunfähig wird, sind US-amerikanische Staatsanleihen der Vergleichszinssatz einer risikofreien Anlage.“
Kreditnehmer, die sich nicht aus der Klemme retten können, indem sie einfach Geld drucken – private Haushalte, Unternehmen, Kommunen oder Bundesstaaten –, müssen ihren Kreditgebern höhere Zinsen bieten, um attraktiv zu sein. Nouriel Roubini stellt fest: „An der Zinsdifferenz zwischen der riskanten und der sicheren Anlage lässt sich das Ausfallrisiko ablesen, also die Gefahr, dass der Schuldner seinen Kredit nicht zurückzahlen kann.“ Je größer die Zinsdifferenz, umso größer die Zweifel des Marktes an der Zahlungsfähigkeit des Ausgebers der Anleihen.
Zahlungsunfähige Schuldner werden zu Untoten
Doch eine höhere Zinsdifferenz schreckt Anleger nicht etwa ab, sondern lockt sie an, in Erwartung höherer Erträge auf diese riskantere Anlage. Auf diese Weise häufen sich riskante Schulden immer weiter an. Nouriel Roubini fügt hinzu: „Wenn die Zinsdifferenz zu groß wird und sich dem zweitstelligen Bereich nähert, dann lässt der Markt damit erkennen, dass die Verschuldung ein untragbares Niveau erreicht hat.“ Kreditgeber versuchen dann, zwischen Schuldnern zu unterscheiden, die nur einen vorübergehenden Liquiditätsengpass erleben, und solchen, die grundsätzlich krank und insolvent sind.
Hier haben Staaten einen Vorteil gegenüber Unternehmen. Wenn sie zu groß sind, um einen Bankrott riskieren zu können, dann springt der Internationale Währungsfonds ein, um Schaden für die globalen Finanzmärkte abzuwenden. Nouriel Roubini ergänzt: „Doch das heißt nicht, dass die Rettungsaktion nicht mit harten Auflagen und Leid verbunden ist.“ Wenn ein Schuldner dagegen nicht nur nicht liquide, sondern grundsätzlich zahlungsunfähig ist, dann wird er zum Untoten, der sich auch mit Geldspritzen nicht wiederbeleben lässt. Quelle: „Megathreats“ von Nouriel Roubini
Von Hans Klumbies