Es ist eine Tatsache, dass das menschliche Gehirn selbst in „Pausen“ nicht ruht. Im Gegenteil, gerade tagträumerische Pausen, und wenn man dabei auch manchmal nur aus dem Fenster auf den Himmel schaut, können die Quelle für kreatives Denken sein. Markus Hengstschläger weiß: „Das Gehirn schaltet sich nie aus, es schaltet eher um. Im Gehirn des Homo sapiens gibt es eine Gruppe von Regionen, bekannt als Default Mode Network – Ruhezustandsnetzwerk –, die beim Lösen von Aufgaben deaktiviert ist und erst beim Nichtstun aktiviert wird.“ Das unbeschäftigte Gehirn benutzt diese Regionen während des Tagträumens im Zuge von routinemäßigen, eher monotonen Tätigkeiten wie zum Beispiel Joggen oder Duschen. Seit einigen Jahren untersucht man wissenschaftlich die Rolle des Default Mode Network für die kreative Leistungsfähigkeit des Menschen. Professor Markus Hengstschläger ist Vorstand des Instituts für Medizinische Genetik an der MedUni Wien.
Tagträume schaffen eine gute Voraussetzung für Kreativität
Es ist hier noch sehr viel Forschung notwendig, um ein klareres Bild zu bekommen. Aber einige Daten weisen jedenfalls schon darauf hin, dass der Zustand des Tagträumens, in dem die Gedanken umherschweifen, gute Voraussetzungen für Kreativität schafft. Markus Hengstschläger rät: „Unerwartete Inspirationen während des Tagträumens stellen eine ganz spezielle Chance des Unvorhersehbaren dar, auf die der Mensch keinesfalls verzichten sollte.“
Neben der Tatsache, dass man etwas finden kann, das man nicht gesucht hat, ergeben sich durch das Voranschreiten in eine ungewisse Zukunft noch weitere Chancen. Wenn man in der Gegenwart etwas erschafft, das nicht unmittelbar zur Beantwortung einer bereits bekannten Frage dient, gestaltet man den Lauf der Zukunft trotzdem mit. Markus Hengstschläger erklärt: „Man verändert quasi die Zukunft, während man in der Gegenwart in ihre Richtung geht.“
Man lernt aus der Vergangenheit und auch aus der Zukunft
Geht man in Richtung bekannte, kalkulierbare Zukunft, so ist der Gestaltungsrahmen ein anderer, als wenn man den noch brachen Boden der Unvorhersehbarkeit betritt und ihn dabei auch gleichsam verändert. Markus Hengstschläger stellt fest: „Die Zukunft wird dann berechenbar, wenn wir aus der Vergangenheit anwendbares Wissen und brauchbare Konzepte zu ihrer Berechnung zur Verfügung haben.“ Dieses Lernen aus der Vergangenheit ist von größter Bedeutung. Man lernt aber auch aus der Zukunft.
Sinne, die offen sind für das, was gerade kommt, ermöglichen Serendipität und entdecken beziehungsweise entwickeln laufend neue Fragestellungen. Man lernt gleichsam während des Gehens, durch das, was dabei entsteht. Man muss den Menschen dazu ermutigen, von der unvorhersagbaren Zukunft zu lernen, während sie entsteht. Wann immer die Innovationskraft des Menschen durch Inspirationen, Serendipität, inzidentelles Lernen, Kreativität und Ideenreichtum beflügelt werden soll, kann es unterstützend wirken. Quelle: „Lösungsbegabung“ von Markus Hengstschläger
Von Hans Klumbies