Das ganzheitliche Denken Carl Friedrich von Weizäckers

Wenn Carl Friedrich von Weizsäcker in den physikalischen Gesetzmäßigkeiten einen Abglanz Gottes zu erkennen glaubte, bewegte er sich bei seiner Erforschung der Natur ganz in der Tradition eines Johannes Keplers oder Werner Heisenbergs. Carl Friedrich von Weizsäcker war auf der Suche nach einer Einheit von Physik und Metaphysik und wollte die physikalische mit der religiösen Welterklärung versöhnen. Alle natürlichen Gesetzmäßigkeiten lassen sich hypothetisch auf physikalische reduzieren. Die physikalischen Gesetze formulieren dabei die Bedingungen der Möglichkeit objektivierender Erfahrungen. Die Zeit nimmt dabei eine zentrale Stellung ein.

Der Mensch versteht von der physikalischen Wirklichkeit nur die Idee

Wie in der Physik das Objekt an ein Subjekt gebunden ist, gibt es in der Evolutionstheorie die Einbindung des Subjekts in die objektiven Entwicklungsprozesse der Gesamtnatur. Diese Zusammenhänge zwischen Subjekt und Objekt verweisen für Carl Friedrich von Weizsäcker auf ein Drittes, in dem sie gründen. Dass Erfahrung möglich ist und die Evolution im Menschen das Selbstbewusstsein schuf, zeigt ihm, dass der Mensch und die äußere Natur Teile einer sie verbindenden Einheit sind.

Carl Friedrich von Weizsäcker wandelt auf den Spuren der Philosophie Platons, wenn er behauptet, dass der Mensch selbst an der physikalischen Wirklichkeit nur die Idee versteht. Sie erfasst das Nichtsinnliche am Sinnlichen, das den Bezug des Vernunftvermögens auf das Objekt erst ermöglicht. Erkennbar wird die Welt laut Carl Friedrich von Weizsäcker, wenn am sinnlich Konkreten der Aufstieg zum Guten vollzogen wird.

Globale Krisen lassen sich nur durch einen Bewusstseinswandel lösen

Das pluralistische Offenhalten der Frage nach der Wahrheit hält Carl Friedrich von Weizsäcker für legitim, wenn dadurch ein offener Raum für die Suche nach der Wahrheit entsteht. Wenn hinter dieser Suche allerdings der alleinige Zweck der Meinungsvielfalt dominiert, wird ein uneingestandener Nihilismus geboren. In einer von Technik und Wissenschaft bestimmten Welt, stößt die Wahrnehmung des Ganzen, in der Carl Friedrich von Weizsäcker die Vernunft verwirklicht sieht, an ihre Grenzen.

Für Carl Friedrich von Weizsäcker sind die globalen Krisen wie Treibhauseffekt, Kriege und entfesseltes Wachstumsstreben nur durch einen Bewusstseinswandel zu lösen. Er plädiert für eine Synthese aus Bergpredigt und dem kategorischen Imperativs Immanuel Kants, aus der sich ein liebendes Verhältnis des Menschen zu seiner Mit- und Umwelt entwickeln soll. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Kultur zu. Ein vernünftiger Umgang mit den von ihr bereitgestellten Mitteln soll aus der Krise die Kräfte für ihre Bewältigung ziehen.

Kurzbiographie: Carl Friedrich von Weizäcker

Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker wurde 1912 in Kiel geboren. Er studierte Physik, weil er in diesem Fach Antworten auf seine kosmologischen Fragen suchte. Sein ganzes Denken war von der Grundfrage nach dem Einen beherrscht, dem alle Wirklichkeit zugrunde liegt. 1933 promovierte er in Leipzig bei Werner Heisenberg. Drei Jahre später habilitierte er sich mit dem Werk „Die Atomkerne“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kämpft Weizsäcker gegen die atomare Aufrüstung Deutschlands und veröffentlicht zahlreiche Schriften zum Thema Frieden wie „Der ungesicherte Friede“ (1969) und „Wege in der Gefahr“ (1976). Nach seiner Lehrtätigkeit als Professor für Physik in Strassburg und Göttingen erhielt er 1957 ein Ordinariat für Philosophie in Hamburg. Auf der Suche nach einer Einheit von Welt, Mensch und Gott beschäftigte er sich viel mit Platon und Immanuel Kant und veröffentlichte dazu die Werke „Die Einheit der Natur“ (1971) und „Ein Blick auf Platon“ (1981).

Von 1970 bis 1980 war Weizsäcker Direktor des Max-Planck-Instituts, wo er sich mit Fragen der Grundlagenforschung befasste. Er veröffentlichte die Bücher „Fragen zur Weltpolitik“ (1975) und „Deutlichkeit“ (1978), in denen die Ganzheitlichkeit seines Denkens zum Ausdruck kam. Carl Friedrich von Weizsäcker starb 2007 in Starnberg im Alter von 94 Jahren.

Von Hans Klumbies