John Rawls entwickelt eine Gerechtigkeitstheorie

Im Allgemeinen hat John Rawls versucht, dass sein Liberalismus vermeidet, den Bürgern eines liberalen Regierungssystems eine bestimmte Konzeption des Guten aufzudrängen. Seine Gerechtigkeitstheorie beruht durchaus auf dem Gedanken, dass Autonomie für sich genommen gut für die Menschen ist. Und dass diesen genug Raum für deren Ausübung gelassen werden sollte. Danielle Allen ergänzt: „Sie enthält auch einen knappen Ausblick auf das demokratischer Gleichheit innewohnende menschliche Gut.“ Jürgen Habermas vertritt die These, dass Demokratie an sich wertvoll ist. Weil politische Teilhabe nicht nur für die Selbstachtung, sondern für volles menschliches Wohlergehen unverzichtbar ist. John Rawls lehnte die Wahrheit des klassischen Humanismus ab. Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

Die Grundfreiheiten sollten an erster Stelle stehen

Diese Wahrheit lautet, dass die Tätigkeiten, durch die menschliche Wesen sich in höchstem Grade entfalten, eben diejenigen des politischen Lebens sind. Manche Menschen könnten für sich eine solche Konzeption des Guten entwickeln. Als Beispiele nennt John Rawls George Washington, Abraham Lincoln oder Konrad Adenauer. Es könnte sein, dass sie ein politisch aktives Leben für ihr volles Wohlergehen benötigen. Aber man sollte diese Konzeption des Guten nicht allen anderen aufdrängen.

Politische Gleichheit ist ein multivalentes menschliches Gut. Danielle Allen pflichtet John Rawls bei, dass eine Theorie der Gerechtigkeit von der Vorrangstellung der Grundfreiheiten ihren Ausgang nehmen sollte. Im 19. Jahrhundert schrieb der Schweizer Schriftsteller und Politiker Benjamin Constant einen berühmten Aufsatz. Darin heißt es, dass für die Alten die politischen Rechte Vorrang hatten. Ihr Recht auf Teilhabe an der Regierung und auf Beteiligung an kollektiven Entscheidungen.

Die Politik sollte das Geldverdienen ermöglichen

Die Modernen dagegen, behauptete Benjamin Constant zu Beginn der industriellen Revolution, hatten den Handel für sich entdeckt, dem sie weitgehend ungestört nachgehen wollten. Sie verlangten den Schutz ihrer Eigentumsrechte sowie ihrer Gedankenfreiheit und freien Meinungsäußerung. Zudem forderten sie Vereinigungsfreiheit und Vertragsfreiheit, damit sie ihren kommerziellen Unternehmungen und ihren Geschäften nachgehen und reicht werden konnten. Für die Modernen behauptete Benjamin Constant, hatte Politik lediglich instrumentellen Wert.

Die Politik diente dem Schutz der intrinsisch wertvollen Art von aktiver Lebensgestaltung, die durch das Geldverdienen möglich wurde. Benjamin Constants Argumentation ist auf maßgebliche Weise von Isaiah Berlin vertieft worden, der die Freiheiten der Alten in „positive Freiheiten“ umbenannte. Sie waren mit einem positiven Recht verbunden, mit der Freiheit zur Teilhabe an der Regierung. Die modernen Freiheiten wurden in seiner Terminologie zu „negativen Freiheiten“. Sie waren mit der Freiheit von der Einmischung anderer, mit dem Recht, nicht behelligt zu werden, verbunden. Quelle: „Politische Gleichheit“ von Danielle Allen

Von Hans Klumbies