Für Giacomo Leopardi war das Leben ein pausenloser Horrortrip

Obgleich der italienische Dichter und Philosoph Giacomo Leopardi (1798 – 1837) adliger Herkunft war und Privatunterricht durch konservative katholische Priester genoss, entwickelte er sich zum Hohepriester des Nihilismus und Pessimismus. Daniel Klein schreibt: „Für ihn war das Leben ein pausenloser Horrortrip. Er betrachtete das ganze Leben, als wäre es die Erfüllung eines alten russischen Fluches.“ Etwas in der Art von: „Du sollst auf dem Gehweg einen Rubel finden, aber ihn vor lauter Arthrose nicht aufheben können.“ Dieser Italiener sah die Existenz als einen großen Witz an. Die Menschen bekommen ein Leben voller Versprechungen ausgehändigt, aber am Ende werden sie eine Enttäuschung nach der anderen erlebt haben. Haha. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

Die Welt ist voller Falltüren

Philosophischer Pessimismus ist nicht einfach eine emotionale Haltung dem Leben gegenüber – er ist eine Absage an den bloßen Gedanken an einen möglichen Fortschritt. Er lehnt das westliche Ethos des ernsthaften Strebens nach einer besseren Welt ab – all jene Ideologien, von denen soziale und politische Bewegungen angetrieben werden, und erst recht alle möglichen Strategien zur Selbstvervollkommnung, die Menschen schon ausprobiert haben. In einer Welt voller Falltüren wird die Menschen das unweigerlich in Frustration und Verzweiflung stürzen.

Jedes Wirken für den Fortschritt ist für Giacomo Leopardi nur ein Witz, und zwar ein besonders übler. Und doch ist er ein Pessimist, der die Menschen am Ende wieder hochholt: Haben sie erst einmal hundertprozentig anerkannt, dass das Leben nichts als Enttäuschungen hervorzubringen vermag, können sie über all das herzhaft lachen, und das erweist sich als befreiend. Auf eine ironische, bittersüße Weise beginnt hier der Spaß. Giacomo Leopardi schreibt: „Wer den Mut hat zu lachen, ist der Herr der Welt – ganz ähnlich wie der, der zu sterben bereit ist.“

Das Streben nach Glück ist garantiert eine Sackgasse

Und in seinem Werk „Zibaldone“ stichelte er gegen das Streben nach Glück: „Wer in allen Dingen nur das Vergnügen sucht, wird es nie finden. Alles, was Sie verspüren werden, ist noia (existentielle Langeweile), oft auch Ekel. Um an einem Akt oder einer Handlung Vergnügen zu empfinden, muss man ein anderes Ziel als das Vergnügen anstreben.“ Um es anders auszudrücken: Das Streben nach Glück ist garantiert eine Sackgasse, aber wenn man dieses Streben aufgibt, könnte man im Leben ein paar tolle und verrückte Momente haben.

Mit seiner Zeile, dass einem Menschen die Genüsse erst erreichbar sind, wenn er sie nicht mehr genießen kann, trifft Giacomo Leopardi bei Daniel Klein tatsächlich einen Nerv: „Ja, Signor Leopardi, viele dieser lebhaften Genüsse sind mit den Jahren versandet. Das Lied klingt heute süßer denn je, aber ich kann es immer schlechter hören. Und das ganz buchstäblich.“ Solche Gedanken können nur dazu führen, dass man der Vergangenheit nachtrauert. Und in dieser Beziehung hält es Daniel Klein mit Woody Allen: „Ich bedaure nur eines in meinem Leben – dass ich nicht jemand anders bin.“ Quelle: „Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder woanders“ von Daniel Klein

Von Hans Klumbies