Friedrich Nietzsche: „Sei dir selber treu!“

Friedrich Nietzsche war der Meinung, dass Menschen ihr eigenes Leben erschaffen, aber er behauptet, dass nicht alle Lebenssinne gleichrangig seien. Wenn man eine kritische Messlatte anlegt, seien manche grundsätzlich besser als andere. Daniel Klein beschreibt, was Friedrich Nietzsche meinte: „Manche von uns haben das Potential, auf eine Weise zu leben, die weit jenseits des Gewöhnlichen liegt, und es ist unsere Pflicht, nach einem solchen Leben zu streben, uns voll und ganz auf das einzulassen, was er das „Ja zu Leben“ nannte.“ Friedrich Nietzsche nennt Menschen Schwächlinge, die das Drehbuch, das ihnen die Gesellschaft in die Hand gedrückt hat, einfach nur abnicken und nach dessen Vorgaben leben. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

Die eigene Vorgeschichte ist ein ständig lauernde Gefahr

Diese angepassten Menschen können ihren „Herden-Instinkt“ nicht abschütteln, und zwar allein schon, weil sie sich der Tatsache, ein Teil der Herde zu sein, nicht wirklich bewusst sind. Was die Frage betrifft, wie ein Mensch sein Leben führen soll, so plädiert Friedrich Nietzsche unzweideutig für ein radikales Konzept von „Sei dir selber treu!“ Ein Mensch, der nach dieser Art von persönlicher Ehrlichkeit strebt, muss zunächst einmal alle Interpretationen seiner selbst abwerfen, die von etwas abhängen, das angeblich sein Leben transzendiert – Gott etwa oder eine Seele.

Der Mensch existiert hier, in dieser Welt, also muss das auch sein Ausgangspunkt sein. Daniel Klein ergänzt: „Sich von seiner psychischen und geistigen Erblast freizuhalten wird für ihn ein permanenter Kampf sein, die eigene Vorgeschichte ein ständig lauernde Gefahr.“ Friedrich Nietzsche glaubte, dass das, was ein Mensch tief in seinem Inneren finden wird, nicht gerade nett ist. Er schrieb, dass ich, wenn ich ein gewissenhafter Mensch bin, in meinen Tiefen einen Verrückten entdecken werde, einen Immoralisten, Possenreißer und Verbrecher.

Zum wahren Leben gehört ein Mahlstrom aus Impulsen und Leidenschaften

Der amerikanische Philosoph Thomas Nagel legt Friedrich Nietzsches Alternativen in den folgenden Zeilen überzeugend dar: „Es geht darum, […] dass man sein Leben mit der vollen Komplexität dessen lebt, was man ist, und das ist etwas viel Dunkleres, viel Widersprüchlicheres, mehr etwas wie ein Mahlstrom aus Impulsen und Leidenschaften, aus Grausamkeit, Ekstase und Wahnsinn, als es dem zivilisierten Wesen, das an der Oberfläche entlanggleitet und sich geschmeidig in die Welt einpasst, ersichtlich ist.“

In den sechziger und siebziger Jahren war die Idee, man müsse sein wahres Selbst finden und ihm vollen Ausdruck verleihen, sehr angesagt. In der Verfolgung dieses Ziels gingen viele Menschen zur Psychoanalyse oder zu Gruppentherapien; sie betrieben Transzentrale Meditation, schluckten bewusstseinserweiternde Drogen und ließen sich auf endlose Gespräche ein, in denen sie versuchten, alle Schliche und Kniffe abzustreifen, alle Täuschungen, den ganzen Mist, den sie sich normalerweise erzählten. Quelle: „Immer wenn ich den Sinn des Lebens gefunden habe, ist er schon wieder woanders“ von Daniel Klein

Von Hans Klumbies

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