Die Menschen sollten ihr Leben nicht verplätschern lassen

Der amerikanische Philosoph Roland Dworkins (1931 – 2013) vertritt die These, dass jeder Mensch die Pflicht hat, aus seinem Leben etwas zu machen. Das ist ein absoluter Wert. Das Leben ist seiner Meinung nach mit einem Kunstwerk vergleichbar, das es zu gestalten gilt, wenn man an die Begrenztheit des Lebens denkt. Roland Dworkins erklärt: „Es gebietet der Selbstrespekt, das eigene Leben authentisch zu leben, das heißt, jenen Stil zu finden, jene Lebensform, die das ausdrücken, was einem wichtig ist – und nicht einfach gewohnheitsmäßig Konventionen zu folgen.“ An einem authentisch gelebten Leben zeigt sich für Clemens Sedmak auch, ob man sich selbst ernst nimmt. Ein Mensch sollte das wollen, was ihm wichtig ist und damit eine Verbindung eingehen. Clemens Sedmak erläutert: „Das würde dann darauf hinauslaufen, das Leben nicht einfach Tag für Tag verplätschern zu lassen, sondern an sich und am Leben zu arbeiten.“ Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderem eine Professur am Londoner King´s College inne.

Fast jede Form des Lebens bietet die Möglichkeit der Veränderung

Dann steht das Dasein dauerhaft unter dem Motto: „Du sollst dein Leben ändern.“ Das kann natürlich zu einem sogenannten Sinnstress führen, dem Druck, ein sinnvolles Leben haben zu müssen, ähnlich wie es Glücksstress gibt, den Druck, glücklich sein zu müssen. Gretchen Rubin, amerikanische Rechtsanwältin und Autorin hat durch ihr „Happiness Project“ herausgefunden, dass man an seinem Glück arbeiten und es im Grunde nicht suchen, sondern nur finden kann. Man kann seinem Leben eine Form, auch eine sinnstiftende Form geben, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt.

Fast jede Form des Lebens bietet die Möglichkeit einer klaren und konsequenten Veränderung. Clemens Sedmak fügt hinzu: „Eine Lebensform ist ein über die schillernden Veränderungen von Situationen hinausgehender stabiler Rahmen, der vor allem von Gewohnheiten bestimmt wird. Gewohnheiten geben dem Leben Form.“ Mitunter sind Menschen in dieser Form geborgen, dann wieder gefangen wie in einer schützenden, aber auch die Flucht verhindernden Festung. Es bedarf eines Anstoßes, um daran zu denken, an dieser Form etwas zu verändern.

Gandhi stellte sein Leben im Alter von 37 Jahren radikal um

Als Beispiel für eine radikale Lebensumstellung nennt Clemens Sedmak den indischen Rechtsanwalt und Widerstandskämpfer Gandhi. Dieser hatte im Alter von 37 Jahren jede seiner Gewohnheiten geprüft, jeden Bereich seines Lebens hinterfragt, in jedem Lebensaspekt die Wahrheit zu finden sich bemüht. Und zwar in den Bereichen Ernährung, Erziehung, politisches Engagement, Lektüre, Handarbeit, Ehe und medizinische Behandlung. Gandhi hatte systematisch versucht, mit der Wahrheit und mit all seinen Lebensgewohnheiten zu experimentieren.

Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann schreibt in ihrer 1961 erschienen Erzählung „Das dreißigste Jahr“ folgendes Lebensgefühl: „Wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, erkennt man, dass man, ohne es eigentlich zu wollen, eine bestimmte Person und Persönlichkeit geworden ist. Man erkennt, dass die Zeit, die, in der man glauben mochte, alles werden zu können, vorbei ist; der Vorhang hebt sich, man bekommt sein Stichwort und muss zeigen, was man wirklich denkt und wozu man wirklich fähig ist.“

Von Hans Klumbies