Die Folgen der Schuldenkrise sind nicht überwunden

Die Coronakrise trifft die Europäische Union (EU) und die Europäische Währungsgemeinschaft in einem verletzlichen Zustand. Clemens Fuest weiß: „Die Folgen der Schuldenkrise im Euroraum sind nicht überwunden. Der Brexit hat die EU verunsichert und geschwächt. Zwischen Brüssel und einigen der mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten, vor allem Polen und Ungarn, wachsen die Differenzen.“ Italien leidet unter einer chronischen Wachstumssschwäche. Zudem geriet das Land kürzlich mit den europäischen Institutionen in einen harten Konflikt über die Einhaltung fiskalpolitischer Regeln. Der Konflikt hat einem mehr eines gezeigt. Es ist nicht möglich, Mitgliedsstaaten zur Einhaltung finanzpolitischer Regeln zu zwingen, selbst wenn sie diesen Regeln vorher selbst zugestimmt haben. Ob eine wirtschaftlich geschwächte und uneinige Gemeinschaft eine Bewährungsprobe wie die Coronakrise bestehen kann, ist fraglich. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

Die Corona-Pandemie erinnert an die Eurokrise

Gleich zu Beginn der Krise ist ein Streit über die nötigen Antworten ausgebrochen. Forderungen nach finanzieller Unterstützung von einer Gruppe von Ländern lösen bei anderer Ablehnung und Sorgen vor Überlastung aus. Mittlerweile haben sich die Europäer zusammengerauft und erste gemeinsame Schritte zur Stabilisierung der Wirtschaft unternommen. Clemens Fuest betont: „Überwunden ist die Krise damit aber noch lange nicht. Die wirtschaftlichen und politischen Gräben in Europa könnten sich vertiefen. Die Bewährungsprobe hat gerade erst begonnen.“

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie erinnern an die Eurokrise. Kehren die Gespenster von damals zurück? Die europäischen Regierungen behaupten gerne, dass die Eurozone durch die Reformen der letzten Jahre robuster geworden sei. Vor allem durch die Schaffung des permanenten Rettungsschirms ESM und die Einführung der europäischen Bankenunion. Nun besteht die Gelegenheit, das zu zeigen. In der Corona-Pandemie müssen die Länder die Gesundheit ihrer Bürger schützen und die Wirtschaft stabilisieren.

In Italien und Spanien breitet sich Corona schnell aus

Auf beiden Gebieten ergeht es den Staaten der Eurozone sehr unterschiedlich. Die Muster der Euro-Schuldenkrise scheinen sich zu wiederholen. Clemens Fuest erläutert: „Griechenland steht dieses Mal nicht im Fokus. Italien und Spanien hingegen werden von der Pandemie hart getroffen. Wenig später folgt Frankreich. Das gilt zum einen für die Krise des Gesundheitssystems.“ In diesen Ländern breitet sich die Krankheit im Frühjahr sehr schnell aus. Bald sind die Intensivstationen der Krankenhäuser überlastet, es fehlt an Beatmungsgeräten und Schutzkleidung.

Aus den Nachbarländern kommt kaum Hilfe. Viele Länder schließen sogar ihre Grenzen und verbieten den Export medizinischer Ausrüstung. Erst mit Verzögerungen beginnt Deutschland, Patienten aus Italien und Frankreich in deutsche Kliniken auszufliegen. Clemens Fuest kritisiert: „Hier ist unnötiger Schaden entstanden, weil die nationalen Regierungen ihre Entscheidungen nicht mit den europäischen Partnern koordiniert haben.“ In der Wirtschaftspolitik kommt es anfänglich ebenfalls zu Irritationen. Quelle: „Wie wir unsere Wirtschaft retten“ von Clemens Fuest

Von Hans Klumbies