Chronische Schmerzen beeinträchtigen stark das Alltagsleben

Schmerzen warnen normalerweise Menschen vor Gefahr. Ohne sie fehlt ihnen das Gespür dafür, ob etwas ernsthaft verletzt ist oder nicht. Was passiert aber, wenn die Schmerzen chronisch werden – ohne Wunde, ohne Gefahr? Dann leidet in der Regel die Lebensqualität eines Menschen deutlich darunter. Professor Wolfgang Koppert, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, erklärt: „Betroffene gehen häufig nicht mehr arbeiten, entwickeln Depressionen und isolieren sich.“ Bei vielen Menschen, die von chronischen Schmerzen geplagt werden, haben diese sich verselbstständigt, wobei die Warnfunktion verloren gegangen ist. Wolfgang Koppert fügt hinzu: „Schmerz ist nicht nur Symptom, er kann sich zu einer eigenständigen Krankheit entwickeln.“ Auch wenn ursprünglich die Qual eine körperliche Ursache hatte, ist diese nicht mehr ausschließlich der Grund für die Beschwerden.

Schmerzen entstehen auch im Kopf

Wenn die Schmerzen nicht mehr verschwinden, sind meistens auch psychologische und soziale Einflüsse beteiligt. Dr. Andreas Kopf, Leiter der Schmerzambulanz an der Berliner Charité, erläutert: „Es kommt vor, dass auf Röntgenbildern oder in anderen Untersuchungen nichts zu erkennen ist, der Patient aber über Schmerzen klagt.“ Im Gegensatz dazu gibt es Menschen mit körperlichen Beschwerden, von denen die Betroffenen sich aber nicht weiter im Alltagsleben stören lassen. Dr. Andreas Kopf ergänzt: „Dazu zählen etwa Patienten mit einer chronisch rheumatischen Erkrankung, die trotzdem ihren Alltag meistern und eine gute Lebensqualität haben.“

Denn wie ein Mensch Schmerz bewertet, wirkt sich mit darauf aus, wie intensiv er ihn empfindet. Dr. Andreas Kopf betont: „Schmerz entsteht auch im Kopf.“ Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Menschen mit einer negativen Erwartungshaltung Schmerzen stärker wahrnehmen. Und Testpersonen klagen tatsächlich nicht mehr über Schmerzen, wenn sie glauben ein Schmerzmittel geschluckt zu haben, obwohl man ihnen nur ein Scheinpräparat verabreicht hat. Weil das Entstehen von Dauerschmerz so komplex ist, sprechen Ärzte von Faktoren und nicht von Ursachen.

Das soziale Umfeld wirkt sich auf die psychische Gesundheit aus

Es spielen oft die unterschiedlichsten Komponenten zusammen, wenn Schmerzen chronisch werden. Die Komplexität lässt sich anhand des bio-psycho-sozialen Modells beschreiben. Es berücksichtigt, dass körperliche und psychische Vorgänge miteinander verbunden und deshalb auch beide an dem Entstehen von Krankheiten und Schmerzen beteiligt sind. Das soziale Umfeld ist ebenfalls von großer Bedeutung, weil es sich auf die psychische Gesundheit auswirkt. Diese Zusammenhänge lassen sich an der Aktivität bestimmter Hirnbereiche nachweisen.

Der Schmerz wird auch im limbischen System, dem Zentrum für Gefühle, verarbeitet. Dr. Andreas Kopf nennt ein Beispiel: „Zeigt man Männern, die verlassen wurden, Fotos ihrer Ex-Freundin, wird die Hirnregion erregt, die ebenso für die Schmerzkontrolle zuständig ist.“ Auf ähnliche Weise erfahren Menschen Mobbing als schmerzhaft. Auch in diesem Fall wird dieser Bereich aktiviert. Der Schmerz entsteht, indem das Nervensystem über das Rückenmark Impulse an das Gehirn weiterleitet. Dabei gibt es eine Schwelle, ab der Schmerz als solcher wahrgenommen wird. Quelle: Apotheken Umschau

Von Hans Klumbies