Platons Idealstaat teilt die Gesellschaft in drei Klassen

Es gibt nicht viele Philosophen – und selbst wenn man einmal einen finden sollte, liegt es gleichsam in der Natur der Dinge, dass er kaum dafür zu gewinnen sein wird, die Geschicke eines Gemeinwesens zu lenken. Christoph Quarch erläutert: „Diesem Umstand kann man nur auf eine Weise beikommen: durch Bildung – paideía.“ Deshalb schickt Platon sich an, seinen Sokrates in der „Politeia“ ein kühnes Gedankenexperiment durchspielen zu lassen: ein Gemeinwesen zu skizzieren, das so organisiert ist, dass es eben die politisch-philosophische Elite zu generieren vermag, die es braucht, um seine eigene Lebendigkeit zu entfalten und zu wahren. Dabei entwickelt er den berühmt-berüchtigten „Idealstaat“ mit seinem Urkommunismus, der die Gesellschaft in drei Klassen teilt. Der Philosoph, Theologe und Religionswissenschaftler Christoph Quarch arbeitet freiberuflich als Autor, Vortragender und Berater.

Die Machthaber sollten eine Sinn für Gerechtigkeit und Frieden haben

Der Idealstaat verbietet das Privateigentum und schreckt selbst vor einer Kollektivierung der Frauen und Kinder nicht zurück, legt aber zugleich den Akzent auf die gymnastisch-musisch-kulturelle Bildung der Bürgerschaft. Der Idealstaat dient nur einem einzigen Ziel: Philosophie zu ermöglichen – eine Kultur anzulegen, in der immer wieder ein paar der seltenen Pflanzen gedeihen, die man Philosophen nennen möchte. Platons „Politeia“ ist ein Buch über die Philosophie, über das Gute, über die Bildung, über Gesellschaftsordnungen und erst am Ende hin über unterschiedliche Formen von Herrschaft.

Buchstäblich im Zentrum dieses komplexen Werkes aber steht der Kerngedanke, dass der Sinn der Politik nur dann verwirklicht werden kann, wenn die Machthaber der Polis einen Sinn für Harmonie, für Stimmigkeit, Gerechtigkeit und Frieden in sich ausgebildet haben. Was soll daran totalitär sein? Vielleicht Folgendes: Man könnte auf die Idee verfallen, dass es zwar verständlich ist, wenn Platon Menschen an der Spitze einer Polis sehen möchte, die am Guten ausgerichtet sind und deren Ziel es ist, ein freies und harmonisches Gemeinweisen friedlich interagierender Männer und Frauen zu etablieren.

Ein Philosophenkönig könnte seinem Staat ein weltfremdes Konstrukt aufzwingen

Es könnte allerdings gleichwohl bedenklich, ja latent faschistoid sein, einem – oder einigen – Philosophen die exekutive und legislative Macht in die Hände zu legen. Christoph Quarch erklärt: „Denn das könnte dazu führen, dass ein Philosophenkönig seinem Staat ein weltfremdes und unpraktikables Konstrukt aufzwingt – einen Sozialismus etwa, dessen schöne Theorie, sobald er real existiert, zu einem menschenfeindlichen Apparat verkommt.“ Zudem könnte eine neoliberale Wirtschaft eine neue Sklaverei legitimieren.

Kurz: Man darf mit gutem Grund Platons Vision des Philosophenstaates mit der gerade im 20. Jahrhundert historisch gut bezeugten Gefahr konfrontieren, sie sei latent gewaltförmig, sofern sie es wahrscheinlich macht, realen Menschen abstrakte Theoreme ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit aufzuzwingen. Platon sah diese Gefahr. Deshalb ließ er es nicht bei seiner Utopie des Bildungsstaats bewenden. Deshalb schrieb er den „Politikos“ – und später noch die „Nomoi“. Quelle: „Platon und die Folgen“ von Christoph Quarch

Von Hans Klumbies