Christian Thieleman ist fasziniert vom dunklen Klang

Zu den frühesten musikalischen Erinnerungen des Dirigenten Christian Thielemann gehört, dass seine Mutter mit ihm oft Volkslieder gesungen hat. Mit fünf Jahren bekam er seinen ersten Klavierunterricht. Da die erste Unterrichtsstunde nicht sehr gut ausfiel, endete sie in Tränen. Da seine Mutter und sein Vater ausgezeichnete Klavierspieler waren, dachte der Knabe, er müsse das Instrument auch sofort perfekt beherrschen. Christian Thielemann erzählt aus seiner Kindheit: „Dann ging es aber ganz schnell, und ich bewegte mich in der Musik so natürlich wie ein Fisch im Wasser. Mit sieben wollte ich auch noch Geige lernen, bin aber bald auf die Bratsche umgestiegen. Schon damals faszinierte mich ein dunklerer Klang mehr.“

Christian Thielemann fasziniert die Orgel und das Orchester

Wenn Christian Thielemann an seine Kindheit zurückdenkt, erinnert er sich an eine Schallplatte mit Ludwig van Beethovens Egmont-Overtüre. Den Anfang mit dem tiefen F und die wuchtigen Akkorde fand er sehr beeindruckend. Auch von der Orgel war er begeistert. Er erklärt warum: „Ich hatte wohl irgendwie einen Hang zum Majestätischen, Großartigen, zum dramatischen Dunklen und Dröhnenden.“ Als Kind war Christian Thielemann sehr selbstbewusst. Das änderte sich allerdings mit dem Beginn seiner Dirigentenlaufbahn.

Seltsamerweise hatte Christian Thielemann Angst vor Orchestern. Er fand es unangenehm, von so vielen Menschen angeschaut zu werden. Inzwischen ist ihm das egal. Er findet es jetzt sogar schön. Stark ausgeprägt ist bei ihm die Fähigkeit, auf andere Leute zu hören, was wahrscheinlich mit seinem Einfühlungsvermögen zu tun hat, das ihm angeboren ist. Die Idee, Dirigent zu werden, entstand bei Christian Thielemann aus seinem Faible für Farben und Klänge. Er erklärt: „So wie die Orgel faszinierte mich auch das Orchester.“

Pierre Boulez ist für Christian Thielemann ein musikalischer Gott

Die Stille ist für Christian Thielemann ein irres, wahnsinniges Körpergefühl. Sie ist Anspannung und Entspannung zugleich, aber auch totale Konzentration. Er erzählt wie er im Jahr 2003 das Brahms-Requiem in Dresden dirigierte. Dort passierte vor und nach dem Konzert überhaupt nichts. Es herrschte minutenlange Stille. Christian Thielemann erinnert sich: „Mir wurden die Knie weich, und ich bekam Angst, dass ich gleich umfalle. Mir läuft noch heute ein Schauer über den Rücken, wenn ich davon erzähle.“

Pierre Boulez ist für Christian Thielemann ein musikalischer Gott, ein ganz großartiger Dirigent. Er sagt: „Man muss nicht immer mit dem musikalischen Ergebnis d`accord sein. Aber diese gelassene, ruhige, freundliche Art eines Boulez – daran arbeite ich. An weiterer Gelassenheit, gelassener Freundlichkeit.“ Der deutsche Klang ist laut Christian Thielemann ein Gemisch aus Dunkelheit und Leichtigkeit, der Wilhelm Furtwängler so einzigartig gemacht hat.

Kurzbiographie: Christian Thielemann

Christian Thielemann wurde am 1. April 1959 in Berlin geboren. Er begann seine Dirigentenkarriere im Alter von 19 Jahren. Damals arbeitete er als Korrepetitor an der Deutschen Oper Berlin und als Assistent von Herbert von Karajan. Später war er Generalmusikdirektor in Nürnberg, Berlin und München. Ab dem Jahr 2012 wird er als Chefdirigent die Sächsische Staatskapelle Dresden führen.

Von Hans Klumbies