Glückliche Paare gehen Konflikten aus dem Weg

Der amerikanische Psychologe und Partnerschaftsexperte John M. Gottmann hat in Jahrzehnten der Forschung in seinem Ehelabor in Seattle Paare beobachtet. Er und seine Mitarbeiter haben erlebt, wie Paare sich stritten und wieder versöhnten. Das Ergebnis dieser jahrzehntelangen Arbeit ist eindeutig: Streit ist nicht die Lösung. Professor John M. Gottmann ist auch Paartherapeut und hat sich deshalb ganz besonders für Paare interessiert, die schon lange glücklich verheiratet sind. Christian Thiel kennt das Ergebnis: „Diese Paare haben keinen Kurs in fairem Streiten hinter sich, und sie verhalten sich auch nicht annähernd so, wie viele Paartherapeuten es immer wieder empfehlen. Sie diskutieren selten über ihre Probleme. Manchen Paare tun sogar etwas, was Kommunikationsexperten für das Schlimmste überhaupt halten: Sie gehen Konflikten aus dem Weg – und sind damit erfolgreich.“ Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

Tätlichkeiten gehen häufiger von Frauen aus als von Männern

Diese Paare haben vor allem gelernt, sich nicht zu streiten, sie haben Wege gefunden, aufkommenden Beziehungsstreit elegant die Spitze zu nehmen und so emotionale Verletzungen zu vermeiden. Christian Thiel erklärt: „Sich zu streiten veranlasst den Körper, große Mengen von Adrenalin auszuschütten. Adrenalin ist ein Hormon, das den Menschen darauf vorbereitet, vor einer Gefahr zu fliehen.“ Das Individuum fühlt sich bedroht, ist in Alarmstimmung und will handeln. Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt steil an und das Blut fließt in die Muskeln.

Das ist einer der Gründe, warum es im Zusammenhang mit einem Beziehungsstreit immer wieder auch zu Tätlichkeiten kommt. Was wenig bekannt ist: Diese körperlichen Angriffe gehen häufiger von Frauen aus als von Männern. Unbestritten sind männliche Attacken aber gefährlicher, weil Männer in aller Regel über deutlich mehr Kraft verfügen und eher bereit sind, ihrem Gegenüber ernsthaft zu schaden. Die durch das Adrenalin ausgelöste körperliche Erregung baut sich zudem bei Männern sehr viel langsamer ab als bei Frauen.

Zwei Drittel der Streitpunkte sind gar nicht lösbar

Sich zu streiten verringert auch die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns. Auch das hat mit dem Hormon Adrenalin zu tun. Christian Thiel erläutert: „Es will erreichen, dass der Mensch sofort etwas tut, nicht dass er nachdenkt. Das erklärt, warum Paare in solch einer Situation nie zu einer befriedigenden Lösung finden.“ Sich zu streiten verschlechtert die Stimmung in einer Beziehung und verringert damit die Aussichten auf eine Lösung noch einmal. Sich zu streiten hat auch deshalb wenig Sinn, weil etwa zwei Drittel der Streitpunkte gar nicht lösbar sind.

Das liegt laut Christian Thiel daran, dass die meisten Probleme in einer Partnerschaft ihre Wurzeln in grundsätzlichen Unterschieden der Partner in Bezug auf ihre Persönlichkeit oder ihr Wertesystem haben. Wenn ein Paar über diese Unterschiede streitet, dann verschwendet es nicht nur seine Zeit, sondern gefährdet auch seine Beziehung. Jeder bringt immer wieder seine Argumente vor, um den anderen zu überzeugen. Wer dagegen Streit vermeidet, hat größere Chancen, ein glückliches Paar zu bleiben. Quelle: „Was glückliche Paare richtig machen“ von Christian Thiel

Von Hans Klumbies