In so gut wie allen Bereichen wurde in den vergangenen Jahren die „kleine Einheit“ wiederentdeckt. Die Vorbehalte gegen Zentralismus und Großorganisationen wachsen in dem Maße, wie die Notwendigkeit von Kooperation im Kleinen steigt. Christian Schüle stellt fest: „In Zukunft wird es auf die Fähigkeit zur Kooperation ankommen, auf die Kompetenz, mit unvermeidbarer Diversität umgehen zu lernen.“ Zuständigkeiten müssen lokal und regional organisiert werden, mit bestem Wissen und Gewissen für die mikrosoziale Heimat, die der Oikos in seinen jeweils unterschiedlichen Verbünden darstellt. Der Grundgedanke einer neuen Heimat als Verbund von Bündnissen der Distrikte und Kreisläufen der Kooperationen basiert auf der schlichten Überlegung, dass das Vorhandene die Allmende der Menschheit ist: Allgemeingut. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.
Globale Gerechtigkeit ist eine Frag der Teilhabe an der Allmende
Politisch betrachtet, ist globale Gerechtigkeit also eine Frage der individuellen Teilhabe an der Allmende, an den Commons, an dem, was allen Menschen zur Verfügung steht: das Material der Natur in seiner Formatierung als Kultur. Das Prinzip der Allmende dient als Vorbild eines nicht patentier- und privatisierbaren Besitzes natürlicher Ressourcen, an denen jedermann und jedefrau zu jeder Zeit teilhaben. Es zielt auf Rückgewinnung der Grundgüter für die öffentliche Hand und das Gemeinwohl, wie es sich in den vergangenen Jahren durch den Rückkauf zuvor privatisierter Stromnetze durch die Stadtverwaltungen zeigt.
Privatwirtschaft ist fein, sinnvoll und effizient; die für eine Gesellschaft maßgeblichen Strukturbereiche allerdings – nach Norbert Elias die fünf großen Bereiche Infrastruktur, Gesundheit, Bildung, Energie und Verkehr – dürfen niemals von privater Hans effizienzökonomisch erpresst werden. Historische Allmenden und zugleich praktische Systeme der Gerechtigkeit sind zum Beispiel das Bergrecht der seit dem Mittelalter zusammengeschlossenen Schweizer Almen, demzufolge die Bergbauern selbst bestimmen, was auf ihren Almen geschieht.
In Teilung und Tausch besteht jede kulturelle Tradition
Dem „Jedermannsrecht“ in Finnland oder Norwegen zufolge gehören die Grundgüter Wasser und Luft, Seen und Meere als sogenannten Commons jedem Bürger zu jeder Zeit. Wasserverteilungssysteme, mit denen die Bauern seit Jahrhunderten selbst über die Nutzung des Wassers entscheiden, basieren auf der Maxime: Teilhabe gegen Verantwortung, wodurch nachhaltige Nutzung von Wasser und Weideland sichergestellt ist. In Teilung und Tausch besteht jede kulturelle Tradition, Schmiermittel ist dabei die Kommunikation.
Kultur entsteht also durch Teilhabe und Teilnahme in Tausch und Teilung des Vorhandenen. Es wird dabei die symbolische Ebene des Geldwerts umgangen. Geld repräsentiert nur den Wert, den eine bestimmte Gruppe Menschen einem Gut durch Nachfrage zuweist. Das heißt: Gerechtigkeit ist künftig eine Frage der Teilhabe am geldlosen Gemeingut. Das Netzwerk des Commons wächst langsam, aber stetig. An der Basis werden Projekte gefördert, Nachbarschaftszentren entwickelt, Programme der Quartiere zivilgesellschaftlich und dezentral organisiert. Quelle: „Heimat“ von Christian Schüle
Von Hans Klumbies