Wirtschaft und Ethik lassen sich nicht trennen

Der wichtigste und essenzielle Kontext allen menschlichen Wirtschaftens sind der Planet Erde und seine Ökosysteme. Christian Felber kritisiert: „Die Trennung von Ökonomie und Ökologie ist eine der gröbsten Sündenfälle der Wirtschaftswissenschaft.“ Denn alle in Geld messbaren „ökonomischen“ Werte stammen letztlich aus der Natur. Wird dies übersehen oder negiert, kann es passieren, dass die unvollständig verstandene „Wirtschaft“, die eigentlich – ganzheitliche – Werte schaffen sollte, die ökologischen Lebensgrundlagen zerstört. Das größte globale Umweltproblem der Gegenwart ist, noch vor dem Klimawandel, der Verlust von Artenvielfalt. Während die Ökonomen mit ihren Standardmodellen der Menschheit vorrechnen, dass sie reicher wird, verarmt sie in den wesentlichsten aller Aspekte von Reichtum: in der biologischen und genetischen Vielfalt. Christian Felber lebt als Autor in Wien.

Der Homo oeconomicus ist ein gieriger Psychopath

Ein weiteres Fundament des Wirtschaftens, sind die Grundwerte jeder Gesellschaft und Kultur. Wirtschaften basiert immer und überall auf Werten, der Versuch, die Zahlen von den Werten zu trennen, führt zur totalitären Herrschaft der Zahlen. Die behauptete Wertfreiheit ist eine grundlegende Illusion. Alles Denken, Schreiben, Rechnen und Handeln beruht auf Wertentscheidungen, von daher ist der Versuch Wirtschaft und Ethik zu trennen, vielleicht das Absurdeste, was je in der Wissenschaftsgeschichte unternommen wurde.

Christian Felber stellt fest: „Das neoklassische Standardmodell strotzt vor Werten: Effizienz, Wachstum, Wettbewerb, Nutzenmaximierung, Rationalität: alles Werte! Gipfel der Werteunfreiheit der neoklassischen Ökonomik ist der Homo oeconomicus – ein mechanischer, gefühlloser, gieriger Psychopath.“ Da es keine wertfreie Theorie gibt, baut eine weise Wirtschaftswissenschaft ihre Ideen und Modelle auf den breit geteilten Beziehungs- und Verfassungswerten auf. Viele Kurse der Ökonomik verweisen jedoch bei ethischen Fragestellungen auf das Studium der Philosophie.

Die Europäische Zentralbank kennt keinen Finanzsektor

Das juristische „Skelett“ von Märkten sind Institutionen. Als zentrale Gestaltungs- und Steuerungselemente sind sie für die sozialen, kulturellen und ökologischen Wirkungen von Märkten verantwortlich. Dabei geht es um so unterschiedliche Einrichtungen wie Handelsregister, Grundbuch, Finanzamt, Umweltbehörden, Zentralbank, Staatsanwaltschaften und Gerichtshöfe. Von diesen Institutionen hängt ab, wer wie wo wirtschaften darf, wie weitreichend oder eingeschränkt die Wirtschaftsfreiheiten sind, ob zum Beispiel Umweltschäden externalisiert werden können oder ob Unternehmen unendlich groß und mächtig werden dürfen.

So unglaublich es klingen mag, auch Geld und das Finanzsystem kamen die längste Zeit in den ökonomischen Standardmodellen nicht vor. „Wir haben sehr ausdifferenzierte makroökonomische Modelle“, meint das damalige Mitglied des Sachverständigenrates Peter Bofinger, „sie haben nur einen Nachteil: Es gibt keinen Finanzsektor. Das finde ich bemerkenswert, insbesondere in der Europäischen Zentralbank: Auch deren sehr kompliziertes Modell kennt keinen Finanzsektor. Man nimmt an: Jeder Mensch hat alle Informationen, die er braucht, es gibt keine Unsicherheit. Dann ist Geld irrelevant, und den Finanzsektor kann man wegignorieren, weil er perfekt rational arbeitet.“ Quelle: „This is not Economy“ von Christian Felber

Von Hans Klumbies