Chefvolkswirt Jürgen Stark warnt vor der Inflation

Chefvolkswirt Jürgen Stark, der die Europäische Zentralbank (EZB) verlässt, begründet, warum es so schlimm ist, wenn die EZB den Staaten hilft. Seiner Meinung nach muss es eine klare Aufgabentrennung zwischen der Zentralbank und den Regierungen geben. Er sagt: „Die Zentralbank hat für Preisstabilität zu sorgen. Und es liegt in der Verantwortung der Regierungen, für angemessene Bedingungen für die Finanzierung ihrer Staatsausgaben zu sorgen.“ Er ist allerdings davon überzeugt, dass es die Aufgabe der Notenbank ist, in Zeiten, in denen die Märkte sensibler auf die Verschuldung der Staaten reagieren und deshalb höhere Zinsen verlangen, dies zu korrigieren. Gar nichts hält er von der Idee die Notenpresse anzuwerfen, um die Schulden in der Eurozone zu verringern.

Die Probleme der Welt können nicht mit zusätzlicher Liquidität gelöst werden

Wenn die Notenbank anfängt, Staaten zu finanzieren, sinkt laut Jürgen Stark der Anreiz für die betroffenen Regierungen, die Ursachen der Finanzkrise zu bekämpfen. Jürgen Stark ist auch ein erklärter Gegner der so genannten Eurobonds. Er sagt: „Eurobonds lösen die strukturellen Haushaltsprobleme, die einige Mitgliedsstaaten der Eurozone haben, am allerwenigsten. Vielmehr führen sie zu einer Haftungs- oder Schuldenunion, die niemand wollen kann.“ Es kann nur gemeinsame Anleihen geben, wenn entscheidende Schritte zu einer politischen Union vollzogen worden sind.

Um die gravierenden Probleme in Europa zu lösen, gibt es für Jürgen Stark nur einen Weg: „Die weiter steigende öffentliche Verschuldung muss gestoppt werden. Das muss Hand in Hand mit der Durchführung von Strukturreformen erfolgen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Problemländer zu verbessern und das Wachstumspotential zu stärken.“ Dies ist die Aufgabe der Regierungen und auf keinen Fall die der Zentralbank. Vor allem ist es laut Jürgen Stark irreführend, alle Probleme der Welt immer mit zusätzlicher Liquidität zu lösen.

Den Euro wird es auch in zehn Jahren noch geben

Wenn man die Notenpresse anwirft, mag das zwar kurzfristig helfen, führt aber mittelfristig zu Verzerrungen des Marktes und zu nicht hinnehmbarer höherer Inflation. Eine Empfehlung von diversen Ökonomen, die EZB solle statt zwei Prozent Inflation vier oder fünf Prozent zulassen, hält Jürgen Stark für grundlegend falsch. Er sagt: „Eine solche Entwicklung kann nur sehr schwer wieder eingefangen werden.“ Er hält es für Notenbanker enorm wichtig, prinzipientreu zu sein, da der politische Druck auf die Europäische Zentralbank im Moment außerordentlich hoch ist.

Gemäß Jürgen Stark wird gerade offen über eine Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Zentralbank diskutiert, wodurch nicht nur die Unabhängigkeit der EZB berührt, sondern sogar im höchsten Grade gefährdet wird. Trotz aller finanziellen Risiken, die gerade Europa bedrohen, glaubt Jürgen Stark mit Sicherheit daran, dass es den Euro auch in zehn Jahren noch geben wird. Er sagt: „Aber mit mehr Mitgliedsländern als heute. Allerdings müssen wir die Lehren ziehen und die Erfüllung der Konvergenzkriterien durch potentielle Beitrittskandidaten intensiver und kritischer prüfen.“

Von Hans Klumbies