Das Gedächtnis begründet die Identität

Es gibt eine ganz entscheidende Komponente, welche die Identität eines Menschen begründet. Und sie ist wahrscheinlich die Wesentliche, nämlich das Gedächtnis. Carlo Rovelli schreibt: „Wir sind keine Gesamtheit aus voneinander unabhängigen Prozessen, die in aufeinanderfolgenden Momenten ablaufen.“ Jeder Moment der Existenz ist über das Gedächtnis über einen besonderen doppelten Faden mit der Vergangenheit – der unmittelbar vorangehenden und der ferneren – verknüpft. Die Gegenwart eines Menschen wimmelt von Spuren aus seiner Vergangenheit. Menschen sind für sich selbst Geschichten oder Erzählungen. Was einen Menschen ausmacht, sind auch seine Gedanken. Jeder ist diese lange Roman, der sein Leben ist. Menschen bestehen unter anderem aus dem Gedächtnis, das die über die Zeit verstreuten Prozesse zusammenfügt. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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Die Physik bildet die Basis für viele Erfindungen

Die Physik galt lange als die Leitwissenschaft der Neuzeit. Ihr Anspruch war, zu ergründen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Das beginnt bei den kleinsten subatomaren Größenordnungen und endet bei den Weiten des Universums. Fabian Scheidler stellt fest: „Sie war und ist einerseits die philosophischste aller Wissenschaften, weil sie die letzten Fragen über Wesen und Ursprung von Materie, Zeit, Raum und Energie zu beantworten suche. Andererseits bildeten ihre Entdeckungen auch die Grundlage für entscheidende technische Erfindungen.“ Diese erlangten erhebliche Bedeutung für die Geschichte des modernen Weltsystems. Als Beispiele nennt Fabian Scheidler die Entwicklung der Feuerwaffen, die Erfindung der Dampfmaschine, des Verbrennungsmotors, des Fernsehens, der Atombombe und des Internets. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Die Wahrnehmung bestimmt die Ursache

Die Kausalität in der Welt der Lebewesen unterscheidet sich fundamental von der Kausalität in der Welt der klassischen Physik. Wenn man bei Lebewesen von Kausalität spricht, muss einem klar sein, dass man es dabei immer mit dreierlei zu tun hat. Erstens mit einer Ursache, zweitens mit einem Vorgang der Wahrnehmung und drittens mit einer Wirkung. Dabei bestimmt die Wahrnehmung überhaupt erst, was wann in welchem Maße und in Hinsicht auf welche Wirkung relevant, das heißt Ursache sein kann. Fabian Scheidler fügt hinzu: „Und diese Wahrnehmung kann zu verschiedenen Zeitpunkten eine vollkommen andere sein.“ Nun haben klassische naturwissenschaftliche Gesetze aber die Form „Immer wenn X, dann Y“. Vorgänge, auf die solche Aussagen passen, spielen sich natürlich auch in lebenden Organismen ab. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Katzen sind sehr betörend

Ein gewichtiger Grund, warum Menschen Katzen in ihren Häusern akzeptierten, ist, dass die Katzen die Menschen lehrten, sie zu lieben. Das ist die wahre Basis der Haustierwerdung von Katzen. John Gray erläutert: „Katzen sind so betörend, dass oft geglaubt wurde, sie seien nicht von dieser Welt. Und Menschen brauchen noch etwas anderes als nur die menschliche Welt, um nicht verrückt zu werden.“ Der Animismus, die älteste und universalste Religion, befriedigte dieses Bedürfnis, indem er nichtmenschliche Tiere als den Menschen spirituell ebenbürtig, ja überlegen anerkannte. Durch Anbetung dieser anderen Geschöpfe waren die Vorfahren der heutigen Menschen in der Lage, mit einem Leben jenseits ihres eigenen zu interagieren. John Gray lehrte Philosophie unter anderem in Oxford und Yale. Zuletzt hatte er den Lehrstuhl für Europäische Ideengeschichte an der London School of Economics inne.

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Die Universität Cambridge ist 800 Jahre alt

Das „alte“ Cambridge besteht aus einem Gewirr von steinernen Straßen und Gebäuden, die an scheinbar zufällig ausgewählten Plätzen aus der Erde emporgewachsen waren. Dort liegt zwischen mittelalterlichen Kirchen und Friedhöfen ein großer Teil der Universität. Es ist ein Ort mit hohen, vor Jahrhunderten errichteten Mauern. Diese sollten die Studenten vor den Stadtbewohnern schützen. Leonard Mlodinow erklärt: „Die ungeplante und unregelmäßige Anlage der Stadt wird verständlich, wenn man sich klarmacht, dass die Universität vor 800 Jahren gegründet wurde.“ Also Jahrhunderte zuvor, bevor René Descartes sein ordentliches rechteckiges Koordinatensystem entwickelte. Dennoch ist „alt“ ein relativer Begriff. Die Region von Cambridge ist schon seit prähistorischen Zeiten besiedelt. Heute besteht die Universität aus 31 halbautonomen Colleges, und mehr als 100.000 Menschen leben in der Stadt. Leonard Mlodinow, Physiker und Autor, lehrte am California Institut of Technology in Pasadena.

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Albert Einstein ändert die Spielregeln der Physik

Carlo Rovelli glaubt, dass alle naturwissenschaftlichen Theorien auf der großen und verflochtenen Komplexität der Weltsicht der Menschen basieren. Und jede gute Theorie stellt seines Erachtens eine neue Erkenntnis und ein dynamisches Element in der Entwicklung eben dieser Weltsicht dar. In großen wissenschaftlichen Revolutionen verändert sich nicht das, was vernünftigerweise zu erwarten gewesen wäre, sondern vielmehr das, was niemand erwartet hätte. Ein gutes Beispiel ist Albert Einstein, das moderne Symbol für konzeptuelle Erneuerung und wissenschaftlichen Revolution. Als er 1905 seine Spezielle Relativitätstheorie entwickelte, geschah die in Antwort auf eine Krise. Die von Galileo Galilei und Isaac Newton postulierte Relativität konnte offenbar verschiedene Beobachtungsdaten nicht erklären. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Der Mensch denkt und kann sich irren

Nur wer von einer Sache überzeugt ist, eine Meinung hat oder sich ein Urteil bilden kann, kann darin irren. Ludwig Huber blickt zurück: „Schon in der Antike und im Mittelalter haben Philosophen unterschiedliche Antworten auf die Fragen gefunden, ob Tiere denken können, Entscheidungen treffen, Ziele haben und Handlungen planen. Und schließlich haben sie auch darüber nachgedacht, ob Tiere etwas in vollem Bewusstsein tun.“ Oftmals wurde die Frage des Denkens bei Tieren kategorisch und allgemein gestellt. Dabei nahm man weder auf die möglichen Unterschiede zwischen Tierarten oder gar Individuen Rücksicht, noch auf die Möglichkeit unterschiedlicher Denkkategorien. Man stellte die Frage „Denken Tiere?“ deshalb so allgemein, weil man auf einen entscheidenden, kategorischen Unterschied zum denkenden Menschen hinweisen wollte. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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Lebewesen sind nichtlineare Systeme

Durch eine physikalische Brille betrachtet sind Lebewesen nichtlineare Systeme. Fabian Scheidler erklärt: „Das bedeutet, dass sehr kleine Ursachen sehr große und oft nicht vorhersagbare Wirkungen entfalten können. Nichtlineare Systeme kommen in einfacher Form bereits in der unbelebten Natur vor.“ Der belgische Chemiker Ilya Prigogine hat solche Strukturen seit den 1960er-Jahren systematisch untersucht. Die Luftströmungen der Erdatmosphäre etwa sind nichtlineare Systeme, die sehr empfindlich auf Einflüsse reagieren können. Selbst kleine Temperaturveränderungen können zum Beispiel dazu führen, dass sich Tornados oder Hurrikane bilden. Der Meteorloge und Mitbegründer der Chaostheorie Edward Lorenz prägt dafür den Begriff „Schmetterlingseffekt“. Theoretisch kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Texas einen Tropensturm in Indonesien erzeugen. Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Das menschliche Gehirn ist ganz besonders

In jahrhundertelanger Forschung hat sich das Gehirn als die „Hardware“ für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen herausgestellt. Nun drängte sich eine andere Frage auf. Was macht ausgerechnet das menschliche Hirn so besonders? Jakob Pietschnig stellt fest: „Immerhin wusste man ja nicht erst seit dem 19. Jahrhundert, dass auch alle anderen Wirbeltiere eines besaßen.“ Dantes „Divina Commedia“, Kants „kategorischer Imperativ“ oder Einsteins „Relativitätstheorie“ waren jedoch menschliche Errungenschaften. Sie legten die berechtigte Vermutung nahe, dass es sich bei den Menschen doch um die intelligentesten Lebewesen des Planeten handelte. Sie waren in jedem Fall auch die flexibelsten. Kein anderes Lebewesen reagierte so gekonnt und so schnell auf seine Umwelt wie der Mensch. Jakob Pietschnig lehrt Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Wien.

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Die Naturwissenschaften bieten Zuverlässigkeit

Trotz aller Unsicherheiten bieten die Naturwissenschaften Zuverlässigkeit. Isaac Newtons Theorie verliert durch die neuen Erkenntnisse Albert Einsteins keineswegs ihren Wert. Theorien haben Geltungsbereiche, die dadurch bestimmt sind, wie präzise Wissenschaftler die Welt beobachten und vermessen. Carlo Rovelli erklärt: „Isaac Newtons Theorie verliert nichts von ihrer Stärke und Zuverlässigkeit, solange sie auf Objekte angewendet wird, die sich deutlich langsamer als Licht bewegen.“ In gewisser Weise wird Newtons Theorie durch Einsteins Erkenntnisse sogar gestärkt, denn nun weiß man zudem genau, in welchem Bereich sie anwendbar ist. Heute kann man sogar so weit gehen zu sagen, das Generieren von Vorhersagen sei der nützliche und zuverlässige Teil einer Theorie. Der Rest ist nur Beiwerk. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Es entwickelt sich eine neue Form des Rechnens

Die Französische Revolution wollte eine aristokratische Gesellschaft vernichten, die ein glanzvolles Leben geführt und Millionen für üppige Festbanketts ausgegeben hatte. Die Aristokraten kümmerten sich nicht im Mindesten darum, wenn die Bauern unter der Last maßloser Steuern verhungerten. Gerd Gigerenzer ergänzt: „Ein Nebeneffekt der Revolution war der Versuch, die Messsysteme rationaler zu gestalten: ein Dezimalsystem zur Messung von Gewicht, Länge und fast allem anderen einzuführen.“ Das neue System verlangte die Berechnung von logarithmischen und trigonometrischen Tabellen. Das war eine schwierige Aufgabe, die man bisher mathematischen Ausnahmetalenten überlassen hatte. Doch die Französische Revolution entwickelte auch eine neue Version des Rechnens. Gerd Gigerenzer ist ein weltweit renommierter Psychologe. Das Gottlieb Duttweiler Institut hat Gigerenzer als einen der hundert einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

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Die Neandertaler stammen vom Homo erectus ab

Als die Zeichnungen in der Pasiega-Höhle vor mehr als 64.000 Jahren entstanden, waren große Teile Europas vergletschert. Die Eiszeit steuerte auf neue Kälterekorde zu. Nordspanien war damals ein Land der Steppen und Wälder, wie man sie heute in Sibirien vorfindet. Ganz Nordeuropa und die Alpen waren unter Eisschilden verschwunden. Stefan Klein erzählt: „Wo die Gletscher nicht vorgedrungen waren, jagten Neandertaler Bisons und Mammuts. Sie hatten sich dem arktischen Klima angepasst, beherrschten die Kunst Feuer zu schlagen und nähten sich aus gegerbten Tierfellen Kleidung.“ Europa war schon seit unvorstellbaren Zeiten ihr Kontinent. Die Neandertaler stammten von Gruppen des Homo erectus ab, die vor mehr als einer halben Million Jahren aus Afrika ausgezogen waren. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Stephen Hawking forscht in der Kosmologie

Stephen Hawking war noch nie wie die meisten anderen Physiker. Von der riesigen Fülle an Ideen in der Physik begeisterte er sich von Anfang an für die Allgemeine Relativitätstheorie. Das galt vor allem für ein Untergebiet, die Kosmologie, in der man die Allgemeine Relativitätstheorie einsetzt, um den Ursprung und die Entwicklung des Universums zu verstehen. Leonard Mlodinow fügt hinzu: „Stephen Hawking fühlte sich zur Kosmologie hingezogen, weil nur dieses Gebiet das Versprechen barg, die existenziellen Fragen zu beantworten, die ihn inzwischen am meisten interessierten.“ Der britische Astronom und Mathematiker Fred Hoyle, Stephen Hawkings erste Wahl als Doktorvater, war ein großer Name in der Kosmologie. Er war Mitbegründer einer Theorie des Universums, die als Steady-State-Theorie (Gleichgewichtstheorie) bekannt wurde. Leonard Mlodinow, Physiker und Autor, lehrte am California Institut of Technology in Pasadena.

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Carlo Rovelli sucht den Ursprung der Zeit

Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit. Zum Beispiel eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Abernten. Es gibt eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Weinen und eine Zeit für den Tanz. Carlo Rovelli erläutert: „Bis hierher war die Zeit, die Zeit zu zerstören. Jetzt ist es an der Zeit, die Zeit unserer Erfahrung wieder aufzubauen. Nach ihren Ursprüngen zu suchen, zu verstehen, woher sie kommt.“ Wenn in der elementaren Dynamik der Welt sämtliche Variablen gleichwertig sind, was ist dann das, was die Menschen „Zeit“ nennen? Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung

Es ist die vorherrschende Sicht des Menschen auf sich selbst, dass er ein besonderes Tier ist. Über die physischen Fähigkeiten und Besonderheiten des Homo sapiens ist viel bekannt. Allein ihm, so ist oft festgestellt worden, ist die Fähigkeit zur Sprache und Kultur gegeben. Nur er beherrscht die Herstellung von Werkzeugen und komplexen Technologien, die angeblich über seine evolutionäre Zukunft entscheide. Matthias Glaubrecht weiß jedoch: „Tatsächlich sind unter den Menschenaffen auf Orang-Utans für ihr Geschick bekannt. Sie öffnen Früchte mit einem Stock, schützen sich mit großen Blättern vor Regen. Gorillas wurden beobachtet, wie sie durch Tümpel wateten und mit einem Stock die Wassertiefe testeten.“ Schimpansen vermögen Nüsse mit Steinen zu knacken, wobei ihnen diese als Hammer und Amboss dienen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Carlo Rovelli kennt das Geheimnis der Zeit

Das Geheimnis der Zeit beunruhigte die Menschen seit jeher und weckt tief verwurzelte Gefühle. Parmenides wollte der Zeit die Realität absprechen, Platon ersann ein Reich der Ideen außerhalb der Zeit. Und Georg Wilhelm Friedrich Hegel spricht von dem Augenblick, in dem der Geist die Zeitlichkeit überwindet. Carlo Rovelli ist überzeugt, dass diese Denker die Verunsicherung zu überwinden trachteten, welche die Zeit in den Menschen auslöst: „Um dieses beunruhigende Gefühl abzuschütteln, haben wir die Existenz der Ewigkeit ersonnen.“ Dabei handelt es sich um eine seltsame Welt außerhalb der Zeit, nach den Wünschen der Menschen bevölkert mit Göttern, einem einzigen Gott oder unsterblichen Seelen. Die Physik hilft den Menschen, Schicht um Schicht in das Geheimnis der Zeit vorzudringen. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Grüne Pflanzen ermöglichen das Leben

Nahezu alles Leben auf der Erde kann nur leben, weil es grüne Pflanzen gibt. Diese erzeugen über die Fotosynthese aus den rein chemischen Grundstoffen Kohlendioxid und Wasser mithilfe der Energie des Sonnenlichts organische Stoffe und setzen dabei Sauerstoff frei. Josef H. Reichholf ergänzt: „Diese organischen Stoffe sind in der Anfangsproduktion der Fotosynthese nichts anderes als Zucker. Wir können sie als in Kohlenstoffverbindungen gespeicherte Energie betrachten.“ Lebewesen bestehen jedoch nicht nur aus Zucker, sondern vornehmlich aus Eiweißstoffen und anderen komplexen organischen Substanzen. An diesen hängt das Leben. Die Fotosynthese ist lediglich eine von mehreren und tatsächlich existierenden chemischen Möglichkeiten, Energie zu speichern in einer für weitere Prozesse nutzbaren Form. Josef H. Reichholf lehrte an der Technischen Universität München 30 Jahre lang Gewässerökologie und Naturschutz.

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Das Leben begann vor vier Milliarden Jahren

Das Universum der Lebewesen war nie einfach, ganz im Gegenteil. Antonio Damasio weiß: „Es war komplex, und das seit seinen Anfängen vor vier Milliarden Jahren. Das Lebendige kam ohne Worte oder Gedanken voran, ohne Gefühle und Überlegungen, ohne Geist oder Bewusstsein.“ Und doch spürten die lebenden Organismen andere, die ihnen glichen, und sie spürten ihre Umgebung. Mit „spüren“ meint Antonio Damasio die Wahrnehmung einer „Gegenwart“. Nämlich eines anderen ganzen Lebewesens, eines Moleküls, das auf der Oberfläche eines anderen Organismus liegt oder von einem anderen Organismus ausgeschieden wird. Spüren ist nicht das Gleiche wie Erfassen. Und es besteht nicht in der Konstruktion eines Musters von etwas anderem. Antonio Damasio ist Dornsife Professor für Neurologie, Psychologie und Philosophie und Direktor des Brain and Creativity Institute an der University of Southern California.

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Es gibt keine Zeitvariable

Die Gleichungen der Schleifen-Quantengravitation, an denen Carlo Rovelli arbeitet, sind eine moderne Version von John Wheelers (1911 – 2008) und DeWitts (1923 -2004) Theorie. In ihnen gibt es keine Zeitvariable. Die Variablen der Theorie beschreiben die Felder, welche die gewöhnliche Materie bilden, die Photonen, Elektronen, andere Bestandteile der Atome und das Gravitationsfeld, alle auf gleicher Ebene. Carlo Rovelli erläutert: „Die Loop-Theorie ist keineswegs eine „vereinheitlichte“ Theorie. Sie erhebt mitnichten den Anspruch, die endgültige Theorie der Wissenschaft zu sein.“ Sie besteht aus kohärenten, aber verschiedenartigen Teilen und will „nur“ eine kohärente Beschreibung der Welt liefern, so wie man sie bisher verstanden hat. Die Felder manifestieren sich in granularer Form: Elementarteilchen, Photonen und Gravitations- oder „Raumquanten“. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Symbolisches Denken führt zu Kunstwerken

Jeder schöpferische Akt ist eine Auflehnung gegen die Wirklichkeit, die den Menschen vertraut ist. Stefan Klein erläutert: „Wer die Welt verändern will, muss imstande sein zu sehen, was nicht ist, aber sein könnte. Als unsere Vorfahren vor drei Millionen Jahren die ersten Werkzeuge herstellten, hatten sie verstanden, dass Dinge nicht zwangsläufig die Gestalt haben, in der sie uns begegnen.“ Ein Feuersteinbrocken vermag in geschickten Händen die Form eines Faustkeils anzunehmen. Doch das geschieht nur, wenn der Verwandlung eine Vorstellung des künftigen Zustandes vorausgeht. Nur mit ihrer Vorstellungskraft konnten Menschen später symbolisches Denken entwickeln und die ersten Kunstwerke schaffen. Sie sprachen Kerbhölzern, Muscheln und verzierten Steinen Bedeutungen zu. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Norbert Wiener prägte den Ausdruck Kybernetik

Die Ursprünge der heute weitreichenden Erklärungsansprüche, die im Zusammenhang mit dem Informationszeitalter stehen, liegen in der sogenannten Kybernetik. Sie wurde als interdisziplinäres Forschungsgebiet auf einer Reihe von Konferenzen etabliert, die von 1946 bis 1953 in den USA stattfanden. Markus Gabriel fügt hinzu: „Federführend war der Neurophysiologe Warren McCulloch (1898 – 1969). Zu diesem Umfeld gehörten viele bekannte Wissenschaftler, insbesondere der Mathematiker Norbert Wiener (1894 – 1964), der den Ausdruck „Kybernetik“ maßgeblich prägte.“ Dazu gehörte auch der Mathematiker und Logiker John von Neumann (1903 – 1957), der neben Alan Turing (1912 – 1954) als der bedeutendste Begründer der Informatik gilt. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Johannes Gutenberg revolutioniert die Kommunikation

Mitten in Europa, in Mainz, liegt der Geburtsort des Buchdrucks. Johannes Gutenbergs Erfindung von beweglichen Lettern, ab 1450 angewandt, revolutionierte die Kommunikation. Sie veränderte die Lebenswelt der Menschen und breitete sich über die ganze Welt aus. Edgar Wolfrum stellt fest: „Gutenbergs Buchdruck kann mit Fug und Recht als eine der bedeutendsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte des letzten Jahrtausend bezeichnet werden.“ Mit der rasanten Entwicklung des Internets scheint nun allerdings das Gutenberg-Zeitalter seinem Ende entgegenzugehen. Die neue Art der Informationsverbreitung und Kommunikation beruht auf der von Millionen von Computern. Viele bezeichnen sie bereits als „Turing-Galaxis“. Benannt nach einem der wichtigsten Wegbereiter der Computertechnologie, dem britischen Mathematiker Alan Turing (1912 – 1954). Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Leben und Wille sind aktive Prinzipien

Der Forschungsgegenstand der Physik war von Anfang an das, was man als „unbelebte Materie“ bezeichnet. Dass das Leben gänzlich anderen Gesetzen folgt, bemerkte schon Isaac Newton. Er schreibt: „Leben und Wille sind aber aktive Prinzipien. Durch diese bewegen wir den Körper. Und aus ihnen erwachsen andere Gesetze der Bewegung, die uns unbekannt sind.“ Seit dem frühen 17. Jahrhundert behaupteten Forscher, dass sich nicht nur die Bewegungen toter Objekte, sondern auch die des Lebens vollständig aus den Prinzipien der Mechanik erklären ließen. Fabian Scheidler erklärt: „Isaac Newton wies jedoch auf die entscheidende Schwäche dieser Auffassung hin. Wenn Lebewesen rein mechanische Apparaturen sind, wie ist dann die Erfahrungstatsache zu erklären, dass wir unseren Körper durch bewusste Entscheidungen bewegen können?“ Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Das Denken kommt vor der Handlung

Das menschliche Gehirn verfügt gleichsam über ein Modell des Raumes. Matthias Glaubrecht erklärt: „So können wir uns beispielsweise in Gedanken vorstellen zu hantieren, ohne dies bereits handgreiflich zu tun. Wir können Handlungen vollziehen, ohne sie wirklich schon auszuführen.“ Die Vorfahren der heutigen Menschen konnten irgendwann dank ihres sich entwickelnden Gehirns denken, ehe sie handelten. Diese Fähigkeit, bereits vorstellungsmäßig verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchzuprobieren, ist leicht nachvollziehbar. Zudem ist sie von erheblichem biologischem Wert. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz betonte, dass man so bereits im Vorfeld etwas zu den Folgen verschiedener Handlungsweisen erfährt, ohne etwaige Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Dieses sogenannte Hantieren im Vorstellungsraum ist eine ursprüngliche Form des Denkens. Draußen sind Objekte, drinnen sind Gedanken und Träume, Fiktionen und Halluzinationen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Nahrung hat Einfluss auf das Gehirn

Jede Mahlzeit besteht aus Kohlehydraten, Fetten und Proteinen – Bausteine für beispielsweise Transmitter. Diese übernehmen im Gehirn wichtige Funktionen. Laut Soyoung Q Park wird das menschliche Denken und Verhalten stärker vom Essen gesteuert, als bisher gedacht. Ihre Forschungsgruppe hat gemeinsam mit Wissenschaftlern aus München und London herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Nahrung Einfluss auf die im Gehirn zur Verfügung stehenden Neurotransmitter hat: „Sie belegte, dass unsere täglichen Mahlzeiten sogar bestimmen, wie wir uns in bestimmten Situationen entscheiden.“ Dafür ließ sie Probanden unterschiedlich frühstücken. Eine Gruppe aß mehr Kohlenhydrate, die andere mehr Proteine. Alle Teilnehmer wurden anschließend mit unfairen Angeboten konfrontiert. Sie konnten zwei von zehn Euro-Münzen annehmen, den Rest bekäme dann der andere – also unfair verteilt. Prof. Dr. Soyoung Q Park ist Professorin für Ernährungsneurowissenschaften an der Charité.

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