Die Anzahl der Privatschulen nimmt rasant zu

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hat einmal gesagt, dass jenes Land die beste Zukunft haben werde, das als erstes das Schulsystem aus den Händen des Staates befreit. Andreas Salcher ergänzt: „Aber auch ohne die Hauptverantwortung des Staates für das Schulsystem prinzipiell in Frage zu stellen, kann man bemerken, dass es der Politik bisher überall auf der Welt gelungen ist, ihr Monopol auf die Schulen mit zählen und Klauen erfolgreich zu verteidigen.“ Und die Konsequenzen von Monopolen sind immer die gleichen: schlechte Qualität zu hohen Kosten. Im Schulsystem reagieren Menschen so wie in allen Märkten, die ihre Bedürfnisse – in diesem Fall eine ausgezeichnete Ausbildung ihrer Kinder – nicht erfüllen können. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Weiterlesen

Der Westen muss seine eigenen Prinzipien formulieren

Die Praxis des westlichen Universalismus war den größten Teil seiner Geschichte alles andere als universell. Er schloss viele Menschen im eigenen Land und fast alle Menschen im Ausland aus. Die Frauen und die Mitglieder der „niedrigeren“ Gesellschaftsschichten wurden als Menschen zweiter Klasse behandelt. Thomas Jefferson, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika, hielt sogar Sklaven. Timothy Garton Ash ergänzt: „Ab etwa 1500 manifestierte sich der westliche Universalismus für den größten Teil der Welt als Kolonialismus.“ Für einige hat sich diese Geschichte des westlichen Universalismus, der sich als Imperialismus manifestiert, bis in die heutige Zeit fortgesetzt. Timothy Garton Ash ist Professor für Europäische Studien an der Universität Oxford und Senior Fellow an der Hoover Institution der Stanford University.

Weiterlesen

Der Populismus macht sich zum Anwalt der Beleidigten

Der Populismus bezieht sich unter anderem auf die negativen Gefühle, die beim Brüchigwerden von Einbindungen freigesetzt werden. Er bezieht sich auf Kränkungserfahrungen. Isolde Charim erläutert: „Diese sind wesentlich an die Veränderungen gebunden, die mit der Pluralisierung der Gesellschaft einhergehen.“ Früher war der Anhänger des Populismus Teil der Gruppe, die fürs Ganze stand, er war Teil jener, die vorgaben, was Normalität ist. Und nun, zurückgeworfen auf seine Einzelheit, auf sein prekarisiertes Weniger-Ich, fühlt er sich nicht gehört, vergessen, unverstanden, ausgeschlossen, entmächtigt. Die Reaktion darauf ist das grundlegende Begehren nach Anerkennung. Es geht dabei nicht darum, ob der Populismus dieses Begehren erfüllt. Es geht auch nicht darum, ob diese Kränkung berechtigt ist. Es geht darum, dass der rechte Populismus genau hier einhakt – und sich zum Advokaten der Beleidigten macht. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

Weiterlesen

Der Glaube an das Individuum ist ein kulturell tief verankerter

Thea Dorn betont, dass der Glaube ans Individuum und seine unveräußerlichen Rechte eben kein universeller, sondern ein kulturell tief verankerter und damit spezieller Glaube ist. Er nahm seine ersten Anfänge in der griechischen Philosophie und Kunst, entwickelte sich durch das Christentum und das Römische Recht, durch die Renaissance und den Protestantismus weiter, bis er in der Neuzeit, durch die hellen Köpfe der Aufklärung und die freiheitsliebenden Revolutionäre in England, Frankreich und Amerika, zum leitenden Welt- und Rechtsbild des Westens wurde. Wenn man für dieses Bild in der restlichen Welt werben will, bleibt einem nichts anderes übrig, als Ausschau nach Kulturen zu halten, in denen sich der Glaube an das Individuum und seine unveräußerlichen Rechte zumindest in Ansätzen entdecken lässt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Timothy Snyder kritisiert die Politik der Unausweichlichkeit

Die Politik der Unausweichlichkeit beruht auf der Annahme, dass es keine Ideen gibt. Wer sich sklavisch der Unausweichlichkeit unterwirft, leugnet, dass Ideen von zentraler Bedeutung sind, und zeigt damit nur, dass er seinerseits dem Einfluss einer mächtigen Idee unterliegt. Der Leitspruch der Politik der Unausweichlichkeit lautet: „Es gibt keine Alternativen.“ Timothy Snyder kritisiert: „Wer das akzeptiert, leugnet, dass er als Individuum Verantwortung dafür trägt, geschichtliche Entwicklungen zu erkennen und verändernd einzugreifen. Er wird zum Schlafwandler, der seinem bereits markierten, vorab gekauften Grab entgegenwankt.“ Die kapitalistische Version einer Politik der Ungleichheit, in der der Markt an die Stelle der Politik tritt, schafft eine ökonomische Ungleichheit, die jeden Glauben an Fortschritt unterminiert. Timothy Snyder ist Professor für Geschichte an der Yale University und Autor der Bücher „Über Tyrannei“, „Black Earth“ und „Bloodlands“.

Weiterlesen

Das Grundgesetz hält Deutschland zusammen

Das Grundgesetz Deutschlands ist eine großartige Errungenschaft, auf welche die Deutschen stolz sein können. Hier sind die Werte festgeschrieben, auf das Land zusammenhalten. Georg Pieper erläutert: „Sie garantieren, dass jeder sagen kann, was er denkt; lieben kann, wen er will; glauben kann, an wen oder was er mag; sein Leben gestalten kann, wie es seinen Vorstellungen entspricht.“ Sich dazu zu bekennen ist nicht nur eine Voraussetzung für den gesellschaftlichen Frieden, sondern kann noch dazu dem Einzelnen sehr viel Stärke geben. Das ist für Georg Pieper einer der wichtigsten Wege, Ängste in etwas Positives umzuwandeln. Auch die Mehrzahl der Mitbürger islamischen Glaubens empfindet eine klare Loyalität zum Grundgesetz. Gerade wenn sie Erfahrungen mit restriktiven politischen Systemen gemacht haben. Dr. Georg Pieper arbeitet als Traumapsychologe und ist Experte für Krisenintervention.

Weiterlesen

Kaiser Wilhelm II. glaubte an ein deutsches Weltreich

Die Reichsgründung von 1871 veränderte die Wahrnehmung Deutschlands in den Nachbarländern entscheidend. Außerhalb des Landes trat das Bild des gemütlichen, rückständigen Deutschen zurück, das Madame de Staël Anfang des 19. Jahrhunderts gezeichnet hatte. Andreas Rödder stellt fest: „Übrig blieben ambivalente Deutschlandbilder, die sich um deutschen Militarismus und Expansionismus einerseits und um die Leistungen deutscher Wissenschaft und Kultur andererseits gruppierten.“ Um die Jahrhundertwende setzte dann ein Prozess der zunehmenden Entdifferenzierung, Reduzierung und Pauschalisierung ein, der in eindeutig negative Wahrnehmungen mündete. Dem entsprachen auf deutscher Seite zunehmend einseitige und immer nationalistischere Selbstbilder. Beide Entwicklungen drehten sich wie zwei Spiralen ineinander, wobei der Höhepunkt mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges erreicht wurde. Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Weiterlesen

Das Grundgesetz sichert die Menschenwürde

Das gesamte Recht in Deutschland berücksichtigt die wichtigsten Grundwerte der Gesellschaft – Menschenwürde, Menschlichkeit und die Gleichheit aller. Jens Gnisa ergänzt: „Das Grundgesetz als oberstes Gesetz sichert das allen Bürgern zu. Jedes andere Gesetz hat diese Werte zu beachten, darüber wacht das Bundesverfassungsgericht.“ Auch die Behörden haben sie bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, ebenfalls die Gerichte, wenn sie deshalb angerufen werden. Auf jeder dieser Stufen wird als die Menschenwürde streng beachtet. Den Vorstellungen des Rechts folgend, ist nach einer rechtskräftigen und abschließenden Entscheidung gar kein Platz mehr dafür, dass gesellschaftliche Gruppen diese Ergebnisse infrage stellen. Es ist gesetzt und soweit unantastbar. Dies gilt selbstverständlich auch im Ausländerrecht. Jens Gnisa ist Direktor des Amtsgerichts Bielefeld und seit 2016 Vorsitzender des Deutschen Richterbundes.

Weiterlesen

Russland ist als Großmacht ein „Scheinriese“

Wenn man über die Weltordnung und über Weltmächte redet, denken viele – auch knapp dreißig Jahre nach Ende des Kalten Kriegs – nicht nur an die USA und China, sondern auch an Russland. Die Russische Föderation ist flächenmäßig der größte Staat der Erde, umfasst mit etwa 140 Millionen Einwohnern etwa ein Drittel so viele Bürger wie Europa und ist eine von fünf offiziell anerkannten Atommächten. Wolfgang Ischinger stellt fest: „Doch eine moderne Großmacht braucht nicht nur Fläche und militärische Macht, sondern auch wirtschaftliche und politische Innovationskraft – also neben >Hard Power< auch >Soft< und >Smart Power<.“ In dieser Hinsicht ist Russland seiner Meinung nach eher ein „Scheinriese“ mit einem Bruttosozialprodukt, das kleiner ist als das von Italien, einer lahmenden Wirtschaft und einem problematischen Gesundheitssystem. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Weiterlesen

In einen Demokratie kann auch die Opposition Wahlen gewinnen

Es gehört mittlerweile zum guten Ton, angesichts von Brexit, Donald Trump, Marine Le Pen, der Krise der Europäischen Union (EU) und dem Aufstieg autoritärer Bewegungen vom Versagen der politischen, aber auch der intellektuellen Eliten zu sprechen. Nun, diese Rede ist aus mehreren Gründen verräterisch. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Auf wesentliche Teile der etablierten Eliten trifft sie nämlich gar nicht zu, diese sympathisieren ohnehin mit dem Brexit oder sitzen nun in Donald Trumps Regierung.“ Auch ist es ein wenig seltsam, gleich von einem Versagen der Eliten zu sprechen, wenn die Ergebnisse von Wahlen nicht den eigenen politischen Präferenzen entsprechen. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Weiterlesen

Das Vorhandene ist Allgemeingut der Menschheit

In so gut wie allen Bereichen wurde in den vergangenen Jahren die „kleine Einheit“ wiederentdeckt. Die Vorbehalte gegen Zentralismus und Großorganisationen wachsen in dem Maße, wie die Notwendigkeit von Kooperation im Kleinen steigt. Christian Schüle stellt fest: „In Zukunft wird es auf die Fähigkeit zur Kooperation ankommen, auf die Kompetenz, mit unvermeidbarer Diversität umgehen zu lernen.“ Zuständigkeiten müssen lokal und regional organisiert werden, mit bestem Wissen und Gewissen für die mikrosoziale Heimat, die der Oikos in seinen jeweils unterschiedlichen Verbünden darstellt. Der Grundgedanke einer neuen Heimat als Verbund von Bündnissen der Distrikte und Kreisläufen der Kooperationen basiert auf der schlichten Überlegung, dass das Vorhandene die Allmende der Menschheit ist: Allgemeingut. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

Weiterlesen

Albert O. Hirschmann unterscheidet zwischen teilbaren und unteilbaren Konflikten

Der Soziologe Albert O. Hirschmann unterscheidet zwei Arten von Konflikten. Bei teilbaren Konflikten geht es um Interessen – etwa um Wirtschaftsinteressen oder Verteilungsfragen. Isolde Charim ergänzt: „Da kann es Zugeständnisse, Tauschhandel und Kompromisse geben. Da kann man sich auch am ökonomischen Gewinn orientieren.“ Denn der Einsatz bei einem solchen Konflikt ist eine messbare Einheit wie etwa Geld. Dabei wird um das Mehr oder Weniger gerungen. Insofern sind solche Konflikte eben „teilbar“ – also verhandelbar, debattierbar und insofern lösbar. Unteilbare Konflikte hingegen sind jene, die das nicht sind. Das sind Konflikte um Identitäten, um Kulturen, um Werte, Konflikte um religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen wie etwa der Streit um Multikulturalismus oder der Konflikt um Sterbehilfe – Dinge also, die nicht messbar und insofern auch nicht teilbar sind. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

Weiterlesen

Europas muss sich mehr um die eigene Sicherheit kümmern

Es wird in Deutschland immer wieder das Argument vorgetragen, Europa müsse die Zeichen der Zeit erkennen und sich endlich von den USA abnabeln. Durch das, was die Welt jetzt mit Donald Trump erlebt, wird die Notwendigkeit, dass Europa sich handlungsfähiger macht, deutlicher als je zuvor. Und Wolfgang Ischinger stimmt zu: „Es kann nicht dauerhaft politisch tragfähig sein, dass 500 Millionen wohlhabende Europäer wesentliche Teile ihrer Sicherheit an den atlantischen Partner auf der anderen Seite des Ozeans outsourcen.“ Insofern müssen die Europäer das Thema Sicherheit energischer in die eigene Hand nehmen, genau wie es die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Truderinger Rede gesagt hat. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Weiterlesen

Emotionen sind der zentrale Rohstoff des Politischen

Isolde Charim stellt fest: „Natürlich haben alle politischen Subjekte Gefühle – und diese nicht nur als Verirrung. Und natürlich haben Emotionen eine politische Relevanz. Emotionen sind nicht nur pathologische Störungen. Sie sind auch der zentrale Rohstoff des Politischen.“ Zu diesem Rohstoff gehört allerdings das gesamte Paket der Emotionen dazu. Es lassen sich nicht die „guten“ Emotionen herauspicken. Es geht sogar noch weiter: Im Politischen gibt es – anders als im Privaten – keine Gefühle, die per se gut oder per se schlecht wären. Emotionen haben daher keine fixe politische Bedeutung. Es gibt keine progressiven und keine reaktionären Gefühle. Es gibt ebenso wenig genuin demokratische wie genuin totalitäre Gefühle. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

Weiterlesen

Die Reichsgründung von 1871 revidierte die Ordnung des Wiener Kongresses

Von einer „deutschen Revolution“ sprach der Oppositionsführer im britischen Unterhaus, der vormalige und spätere Premierminister Benjamin Disraeli, drei Wochen nach der Proklamation des Deutschen Reiches in Versailles. Andreas Rödder vertritt die gleiche Meinung: „In der Tat: Die Reichsgründung von 1871 revidierte die Ordnung des Wiener Kongresses, der das Prinzip des Gleichgewichts der europäischen Mächte um eine politisch schwache Mitte herum auf seinen historischen Höhepunkt geführt und mit der Gründung des Deutschen Bundes zugleich die deutsche Nationalstaatsbewegung zurückgedrängt hatte.“ Wie sich zeigte, ließ sich das Thema aber nicht auf Dauer unterdrücken. Nachdem die Nationalstaatsgründung von unten durch die Revolution von 1848/49 gescheitert war, kam sie 1871 von oben, unter preußischer Führung. Andreas Rödder zählt zu den profiliertesten deutschen Historikern und Intellektuellen. Seit 2005 ist er Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Weiterlesen

Die Bildung von Theorien macht den Menschen so erfolgreich

Politische Theorien bauen typischerweise auf Theorien über das menschliche Verhalten auf. Diese arbeiten Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Handelns aus der Menge empirischer Informationen heraus, die Menschen über ihre Umgebung gewinnen und stellen Kausalverbindungen zwischen solchen Handlungen und der Umwelt her. Francis Fukuyama erläutert: „Die Fähigkeit zu theoretisieren ist ein wichtiger Faktor für den evolutionären Erfolg der Gattung Mensch.“ Viele praktisch veranlagte Individuen lehnen diese Meinung allerdings ab, handeln jedoch stets im Einklang mit unausgesprochenen Theorien, deren Existenz sie schlicht leugnen. Die moderne Wirtschaftswissenschaft beruht auf einer Theorie, nach der Menschen „rationale Nützlichkeitsmaximierer“ sind, also Individuen, die ihre beeindruckenden kognitiven Fähigkeiten für ihr Eigeninteresse einsetzen. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

Weiterlesen

Der Feind des Rechtspopulismus ist ein doppelter

Die zentrale Abwehr der Pluralisierung im Politischen lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Rechtspopulismus. Will man den Begriff näher bestimmen, dann muss man festhalten: Populismus ist eine politische Strategie, um das Phantasma eines homogenen, eben nicht pluralen, Volkes zu konstruieren. Isolde Charim erläutert: „Eine Strategie, die über die Herstellung einer Freund-Feind-Konstellation funktioniert. Wobei dieser Feind ein doppelter ist: Nach oben sind es die „Eliten“, nach unten sind es die Migranten, die Asylanten, die Flüchtlinge.“ Das sind die notwendigen, aber noch nicht die hinreichenden Bedingungen, denn zum Populismus wird solch eine Strategie erst, wenn sie einen „moralischen Alleinvertretungsanspruch“ erhebt, wie der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller aufgezeigt hat: „Wir – und nur wir – vertreten das wahre Volk.“ Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

Weiterlesen

Der Traum vom Paradies lässt sich auf Erden nicht verwirklichen

Alltäglich machen die Bürger die Erfahrung, dass sich ein europäisches Gemeinschaftsgefühl eben weder aus Brüssel anordnen noch sonst von wem befehlen lässt. Es müsste wachsen. Thea Dorn ergänzt: „Manche Zeitgenossen sehen den elegantesten und friedlichsten Ausweg aus der Misere, indem sie für ein „Europa der Regionen“ plädieren, nach der Devise: Das Herz mag sich seiner jeweiligen Heimatregion erfreuen, für den Kopf – und den Geldbeutel – schaffen wir die „Vereinigten Staaten von Europa“, und die Nationalstaaten, die dieses Projekt verhindern, räumen wir schlicht aus dem Weg.“ Thea Dorn zitiert anschließend den österreichischen Philosophen Karl Popper, der am Ende des ersten Bandes „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde geschrieben hat: „Unser Traum vom Himmel lässt sich auf Erden nicht verwirklichen.“ Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Die universalen Menschenrechte gelten nicht überall auf der Welt

Die Aufgabe der Grenze, zu ordnen und zu kontrollieren, sichert gegenwärtig insbesondere eine geordnete Zuwanderung. An der deutschen Grenze hat der Deutsche einen Anspruch auf Einreise und ein Bleiberecht. Der Nichtdeutsche hat dieses Recht grundsätzlich nicht. Paul Kirchhof erläutert: „Diese rechtliche Unterscheidung folgt dem Demokratieprinzip, das den Staatsbürgern in ihrem Gebiet Existenz, freiheitliche Entfaltung und politische Mitwirkung sichert, den Zugang anderer zu diesem Staatsgebiet von der Aufnahmebereitschaft der Staatsbürger abhängig macht, kulturelle Eigenheiten und Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens geordnet für andere Kulturen und Lebenssichten öffnet.“ Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

Weiterlesen

Die Demokratie wird zum Regierungsstandard für erhebliche Teile der Welt

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ein dramatischer Wandel in der Weltpolitik vollzogen. Zwischen den frühen siebziger Jahren und der Mitte der ersten Dekade dieses Jahrhunderts fand das statt, was Samuel Huntington die „dritte Demokratisierungswelle“ nannte: Die Anzahl der repräsentativen Demokratien erhöhte sich weltweit von rund 35 auf über 110. Francis Fukuyama stellt fest: „In diesem Zeitraum wurde die liberale Demokratie zum Regierungsstandard für erhebliche Teile der Welt, jedenfalls dem Bestreben nach, wenn auch nicht unbedingt in der Realität.“ Parallel zu diesem Wandel politischer Institutionen wuchs die wirtschaftliche Interdependenz zwischen den Staaten, also das, was man als Globalisierung bezeichnet. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

Weiterlesen

Die USA bleibt noch lange die stärkste Militärmacht der Welt

Schon in der Regierungszeit Barack Obamas wollte Amerika die Lasten der weltpolitischen Führung nicht mehr allein tragen. Und dann kam Donald Trump. Wolfgang Ischinger ist sich sicher: „Er wird nicht das Ende von Amerika als Weltmacht bedeuten. Die USA bleiben eine weiter wachsende Nation mit aktuell 322 Millionen Menschen – die derzeit nach China und Indien drittgrößte der Welt – und die mit Abstand stärkste Militärmacht. Es wird lange dauern, bis sich das grundlegend ändert.“ Die militärische Dominanz der USA könnte sogar noch zunehmen, da Donald Trump die Ausgaben des Pentagon tatsächlich weiter anhebt. Hinzu kommt die überragende technologische Leistungsfähigkeit des Silicon Valley. Die Wall Street bleibt nach wie vor der Nabel der internationalen Finanzwelt. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Weiterlesen

Grenzkontrollen gehören wieder zum europäischen Alltag

Es gibt Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich, zwischen Dänemark und Schweden, zwischen Frankreich und Belgien. Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, gehört mittlerweile wieder zum europäischen Alltag. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „Das Verschwinden der Grenzen war offenbar nur von kurzer Dauer, Grenzen treten wieder ins allgemeine Bewusstsein, und damit auch die Frage nach deren Sinn und Funktion.“ Die Flüchtlingsströme des Jahres 2015, die ohne Kontrolle und Registrierung durch Europa zogen, galten den einen dann auch als Symbol für einen grenzenlosen, offenen, humanisierten Kontinent, den anderen als Indiz dafür, dass dieser Kontinent im Begriff war, sich vor einer unkontrollierten Wanderungsbewegung überrollen zu lassen und damit aufzugeben. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Weiterlesen

Wolfgang Ischinger kennt die amerikanische Außenpolitik

Die Geschichte der amerikanischen Außenpolitik ist eine der Widersprüche. Zum einen ist sie verwurzelt in einem tief sitzenden nationalen Pathos, das die Rhetorik der amerikanischen Politik durchzieht. Wolfgang Ischinger erläutert: „Die amerikanische Politik war immer schon durchdrungen von der Gewissheit, berufen zu sein, eine einzigartige Rolle in der Welt zu spielen.“ Die Überzeugung von der Außergewöhnlichkeit der amerikanischen Staaten, ihrer Bestimmung, weltweit für Ordnung, Frieden und Freiheit zu sorgen, und die Vorstellung, das Land sei aus einer besonderen Idee heraus geboren und habe deshalb den Auftrag, diese Idee zu verbreiten – all dies sitzt tief. Für Amerikaner ist dieser Stolz mit der eigenen Unabhängigkeit und Freiheit, mit der Garantie von Menschenrechten und Demokratie, mit dem Geist des Individualismus und des Unternehmertums verknüpft. Wolfgang Ischinger ist Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und einer der renommiertesten deutschen Experten für Außen- und Sicherheitspolitik.

Weiterlesen

Das politische Interesse wird neu artikuliert

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben zweierlei deutlich gemacht: zum einen, dass pluralisierte Subjekte ein ausgeprägtes politisches Interesse haben. Zum anderen aber, dass sich dieses Interesse ganz neu artikuliert. Die augenfälligen politischen Kennzeichen dieser neuen Subjektivität sind: Engagement und Sehnsucht nach Partizipation. Um diese Partizipation zu verstehen, wendet sich Isolde Charim einmal mehr den unterschiedlichen Individualismen zu und erläutert: „Im ersten Individualismus beruhte Partizipation auf Mobilisierung. Die Individuen mussten sich von ihren vorgegebenen Plätzen wegbewegen.“ Sie mussten sich von ihren Herkunftsmilieus lösen, von ihren konkreten Bedingungen abstrahieren, um Teil einer Massenorganisation zu werden. In Momenten der Rebellion hieß das, in der Masse aufzugehen. Im Alltag hieß dies, Parteisubjekt zu werden. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

Weiterlesen

Sechzig Millionen Menschen sind auf der Flucht

Die Geschichte wiederholt sich manchmal, die biblische zumal. Der Exodus der Israeliten aus Ägypten dient als Präambel zur Migrationshistorie der Menschheit. Christian Schüle erläutert: „Der Weg aus der Versklavung durch Not, Hunger, Elend, Krieg und Gewalt ins ersehnte Reich ist das alttestamentliche Leitmotiv schlechthin: Rettung durch Flucht, Erlösung durch Hoffnung.“ Die Flucht nord- und westwärts, die Massenwanderung nach Europa, ist eines der größten Probleme und Herausforderungen europäischer Politik und überhaupt: einer globalen Politik der Moral und Menschenrechte. Das Heer der entwurzelten und heimatlos gewordenen Flüchtlinge stellt eine neue Weltordnung dar. Geschätzt 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht vor Armut, Bürgerkrieg und Dürre. Seit dem Sommersemester 2015 lehrt Christian Schüle Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin.

Weiterlesen