Die Europäer müssen sich als ein „Wir“ begreifen

Thea Dorn fasst ihre Überlegungen zum „europäischen Wir“, indem sie kurz rekapituliert, worin sie die Chancen und Tücken dieses Projekts sieht: „Wir werden mit der europäischen Einheit nicht sehr weit kommen, wenn wir die Europäische Union (EU) in erster Linie als Bündnis mit den Zwecken der Friedens- und Wohlstandswahrung begreifen.“ Ebenso wenig lassen sich die „Vereinigten Staaten von Europa“ still und leise durch die Hintertür etablieren. Dies hatte manch ein Europapolitiker im Sinn oder hat es noch immer. Noch gefährlicher ist es, die „Republik Europa“ mit revolutionärer Rhetorik herbeiproklamieren zu wollen. Die Hoffnung, dass eine Stärkung des Regionalen beziehungsweise des Stammesdenkens den europäischen Einigungsprozess befördern könne, hat sich als trügerisch entlarvt. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Die Demokratie lebt von der Klugheit seiner Bürger

Für Silvio Vietta ist klar, dass die Demokratie als politische Verwaltungsform ein hohes Maß an Klugheit und eigener Denkarbeit seiner Bürger verlangt. Die antike Athener Demokratie ist nicht zuletzt daran zugrunde gegangen, dass ihre Bürger diese Form der politischen Klugheit nicht aufgebracht haben. Der große Kulturhistoriker Jakob Burckhardt nannte die Griechen ein „hochbegabtes Volk“. Jedoch agierte es in der Athener Demokratie auch politisch undiszipliniert und häufig geradezu chaotisch. Jakob Burckhardt beschreibt, wie sich dasjenige Volk in Athen von der ehrlichen Arbeit abwendet und an lauter Volksversammlungen und Gerichthalten gewohnt war. Dabei unterlag es einer völlig verdrehten und lüsternen Phantasie. Angetrieben durch eine Kultur der Korruption und „fake news“, verrieten die Athener schließlich sogar ihre eigenen Feldherren. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

Weiterlesen

Die Deutschen mangelte es am Geist des Verhaltens

Nicht jeder Mensch, der sich liebt, wird zum Narzissten. Nicht jede Nation, die sich liebt, wird zum narzisstischen Monster. Thea Dorn erläutert: „Im Gegenteil: Für dergleichen Störungen und Exzesse sind gerade diejenigen Menschen und Nationen anfällig, die sich in Wahrheit selbst verachten.“ Denn sie verfügen eben über kein souveränes, gelassenes Selbstbewusstsein, sondern leiden vielmehr unter einem Minderwertigkeitskomplex. Unter einem groben Minderwertigkeitskomplex haben die Deutschen von Anfang an gelitten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte Adolph Freiherr von Knigge seine berühmte Benimmfibel „Über den Umgang mit Menschen“. Die Notwenigkeit seiner Schrift begründete der Freiherr damit, dass es den Deutschen bei aller Gemütstiefe leider eklatant am „esprit de conduite“ mangele. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Die SPD stirbt

Die SPD hat laut Michael Wolffsohn ihre historische Mission erfüllt. Deshalb stirbt sie ab. Denn ein verwirklichter und sich ständig weiter entwickelnder Wohlfahrtsstaat in nämlich in Deutschland sowie im politisch westlichen Europa gelebter Alltag. Zudem gehört er zur unumstrittenen Basis fast aller Parteien. Sogar der sozialpolitische Anspruch der Anti-System-Partei AfD und vergleichbarer Rechtspopulisten Europas ist nicht wirklich bestreitbar. Auch das ist für Michael Wolffsohn ein Grund, weswegen den sozialdemokratischen Parteien ihre traditionellen Wähler in Scharen davonlaufen. Seit jeher konzentrierte sich die Sozialdemokratie aufs materielle Wohl der Menschen. Das war sozusagen ihre politische DNA. Ihr Ursprung, Seinsgrund, Werden und Wachsen sowie das der Arbeiterbewegung insgesamt war das Elend der Arbeiterschaft. Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

Weiterlesen

Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionären

In der reaktionären Welt fehlt die Umwelt. Keine neurechte Partei befasst sich ernsthaft mit Umweltpolitik. Dabei hängen sie einem fatalen Irrglauben an: Weil es gestern keine gab, ist heute keine nötig. Roger de Weck kritisiert: „Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro und sein amerikanischer Kollege Donald Trump bilden eine Achse der Kaputtmacher. Sie bestärken einander darin, schlimme Klima- und Umweltschäden in Kauf zu nehmen.“ Für die beiden Präsidenten zählt nur die Ökonomie, an der Ökologie haben sie keinerlei Interesse. Europäische Reaktionäre üben da mehr Vorsicht, weil auch ein Teil ihrer Wählerschaft ergrünt. Dennoch gilt auch hier: „Blut und Boden“, das Blut soll rein bleiben, aber der Boden darf verseucht werden. Ökologie ist das Nichtthema der Reaktionäre. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

Weiterlesen

Revolutionen fordern elementare Menschenrechte

Das Verlangen nach einheitlicher Anerkennung der Würde, das die Französische Revolution auslöste, setzt sich bis zum heutigen Tag fort. In den beiden vergangenen Generationen hat die Welt eine Vielzahl spontaner Aufstände gegen autoritäre Regierungen erlebt. Francis Fukuyama nennt Beispiele: „Von den Protesten, die zum Sturz der kommunistischen Regime 1989 führten, bis hin zur südafrikanischen Abwendung von der Apartheid.“ Dazu zählen auch Mobilisierungen der Bürger im subsaharischen Afrika in den neunziger Jahren und die „Farbenrevolutionen“ in Georgien und in der Ukraine zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Bei allen genannten Beispielen hat die Anerkennung der elementaren Menschenrechte eine zentrale Rolle gespielt. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Sein Bestseller „Das Ende der Geschichte“ machte ihn international bekannt.

Weiterlesen

Die Verfassung sichert den deutschen Rechtsstaat

Ohne Zweifel braucht es zur Gewährleistung der Freiheitsrechte und als Riegel sowohl gegen rechtliche Privilegien als auch gegen Diskriminierung und Korruption den Rechtsstaat. Otfried Höffe ergänzt: „Erst mit seiner Hilfe wird die Gefahr von Willkür eingedämmt und werden die Behörden und die Gerichte einer wirksamen Kontrolle unterworfen.“ Mangelt es an Rechtsstaatlichkeit kann es sehr schwierig werden, seinen Anstand und seine Würde zu wahren. Zu dem dann erforderlichen hohen Maß an Raffinesse und Courage, oft sogar Heroismus ist weder jeder bereit noch fähig. Hier tritt der Rechtsstaat auf den Plan, denn er erlaubt auch den gewöhnlichen Menschen, in Rechtschaffenheit und Selbstachtung zu leben. Otfried Höffe ist Professor für Philosophie und lehrte in Fribourg, Zürich und Tübingen, wo er die Forschungsstelle Politische Philosophie leitet.

Weiterlesen

Nationalstaaten sind oftmals reißende Bestien

Das einzige Mittel die deutsche Gesellschaft vor einer noch gravierenderen und irgendwann nicht mehr zu kontrollierenden Spaltung zu bewahren, scheint für Thea Dorn das Bekenntnis zur Nation zu sein. Und zwar nicht in einem völkisch-ethischen, sondern in einem verfassungsrechtlichen, sozialsolidarischen und kulturellen Sinn. Thea Dorn weiß: „Nationalstaaten sind keine Lämmer. Oft genug haben sie bewiesen, dass sie zu reißenden Bestien werden können. Und beweisen es in manchen Regionen der Welt noch immer.“ Andererseits ist es in der Menschheitsgeschichte bisher keinem Gesellschaftsmodell außer dem Nationalstaat gelungen, einen verlässlichen Rahmen für Menschen- und Bürgerrechte zu bieten. Die extrem kleinen Stadtstaaten im antiken Griechenland glichen eher erweiterten Familienverbänden, in denen nahezu jeder Bürger mit jedem verwandt war. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Die Globalisierung ist eine permanente Revolution

In den letzten Jahren hat der Begriff der Globalisierung im internationalen Diskurs einiges von seinem Sex-Appeal eingebüßt. Vielleicht hat die große Finanzkrise von 2008 die Grundannahmen der Globalisierung erschüttert. Oder man hat einen öffentlichen Diskurs satt, der die optimistischen Vorhersagen von der angeblich irreversiblen, technologiegetriebenen Globalisierung feiert, deren dunkle Seiten gefährlich herunterspielt. Nadav Eyal vertritt dennoch folgende These: „Aber die schwankende Beliebtheit des Begriffs ändert nichts an der unzweideutigen Wahrheit: Die Globalisierung ist eine permanente Revolution.“ Dieser alte kommunistische Begriff der Revolution verdeutlicht die Aggressivität, mit der die Digitalisierung die Gegenwart dauerhaft und intensiv verändert. In ihrem Rahmen wird das menschliche Leben materiell und ideell von der Auseinandersetzung mit der Welt als Ganzer diktiert. Nadav Eyal ist einer der bekanntesten Journalisten Israels.

Weiterlesen

Der Rechtspopulismus gedeiht in ländlichen Regionen

Herbert Renz-Polster kennt das auffälligste Kennzeichen der rechtspopulistischen Strömungen: „Sie haben auf dem Land deutlich mehr Anhänger als in der Stadt.“ Und dieser Unterschied ist umso deutlicher, je tiefer der Graben zwischen Stadt und Land in einer Nation ausfällt. In Deutschland kommen rund 75 Prozent der Wähler der AfD aus Gemeinden unter 50.000 Einwohnern. Warum konzentriert sich der Hang zum Autoritarismus so hartnäckig auf das weite Land? Die erste Antwort, die Herbert Renz-Polster gibt, ist überraschend simpel: „Weil die Binnenmigration, die seit der Antike beständig in allen Ländern stattfindet, einem klaren Muster folgt.“ Wer da den Jobs oder den größeren Entfaltungsmöglichkeiten in der Stadt hinterherwandert, gehört eher zu den für die neuen Aufgaben qualifizierteren, flexibleren und gegenüber Neuerungen offeneren Menschen. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

Weiterlesen

Rechtspopulisten sehen in der Globalisierung eine Gefahr

In Deutschland sieht etwas mehr als die Hälfte die Globalisierung als Chance, die andere Hälfte als Bedrohung. Unter den Wählern am linken und rechten Rand jedoch sind die Werte im Gesamtvergleich besonders hoch. So fühlen sich 78 Prozent der Wähler der Alternative für Deutschland (AfD) und 54 Prozent der linken Wähler von der Globalisierung bedroht. Bei allen anderen Parteien liegen die Werte nur zwischen 23 und 38 Prozent. Philipp Hübl weiß, dass das kein deutsches Phänomen ist: „In ganz Europa verbindet die Wähler von Rechtspopulisten nicht Einkommen oder Bildungsstand, sondern diese Gemeinsamkeit: Globalisierung stellt für sie eine Gefahr dar.“ Die Anhänger der Rechtspopulisten sind also nicht primär Systemkritiker. Sie sind vor allem Modernitätsverweigerer. Philipp Hübl ist Philosoph und Autor des Bestsellers „Folge dem weißen Kaninchen … in die Welt der Philosophie“ (2012).

Weiterlesen

Die Wiedervereinigung machte Deutschland zur Großmacht

Mit der Wiedervereinigung von 1990 hat sich die Bundesrepublik verändert. Sie ist territorial größer und bevölkerungsreicher geworden. Und gleichsam über Nacht ist dieses neue Deutschland, die Berliner Republik, in die Rolle einer kontinentalen Großmacht mit weltpolitischem Gewicht gerutscht. Auch die Selbstdarstellung der Bundesrepublik Deutschland wandelte sich allmählich. Dadurch machten sich in Europa Ängste breit, wie dieser bis dahin relativ „gütige Hegemon“ agieren werde. Edgar Wolfrum fügt hinzu: „Gleichzeitig wiesen weltweite Umfragen darauf hin, dass Deutschland zum beliebtesten Land der Welt geworden sei, eine Entwicklung, die 1945 völlig unvorstellbar gewesen war.“ Auf dem Land selbst lasteten die Probleme der „inneren Einheit“. Deutschland war ein zwischen Ost und West gespaltenes Land. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

Weiterlesen

Der erste deutsche Patriotismus war nicht politisch

Das Unheil, in welches sich die deutsche Nation in den Jahren zwischen 1933 und 1945 verrennen sollte, ist laut Thea Dorn nur zu begreifen, wenn man sich klarmacht, was in den Jahren um 1800 in Deutschland passiert ist. Die Patrioten der deutschen Aufklärung hielten ein politisch vereintes Deutschland für keine realistische Option. Ihr Idealismus hatte deshalb so milde, menschenfreundliche Züge, weil er im Kern unpolitisch war. Beim ersten deutschen Patriotismus hat es sich um keine genuin politische Bewegung gehandelt, die für ein konkretes nationalstaatliches Ziel gekämpft hätte. Sondern es ging ihr vor allem um die „Tugendhaftigkeit“ und um die „moralische Emphase“. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Der Faschismus fördert das Fortbestehen des Kapitalismus

Für den deutschamerikanischen Philosophen, Politologen und Soziologen Herbert Marcuse war der Faschismus in Deutschland kein Bruch mit der Vergangenheit. Er war seiner Meinung nach die Fortsetzung von Tendenzen innerhalb des Liberalismus, die das kapitalistische Wirtschaftssystem unterstützten. Für Stuart Jeffries sah so die orthodoxe Lehre der Frankfurter Schule aus: „Der Faschismus bedeute keine Abschaffung des Kapitalismus, sondern war vielmehr ein Mittel, sein Fortbestehen zu sichern.“ Der deutsche Sozialphilosoph Max Horkheimer schrieb einmal: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Vielleicht musste man Deutscher sein, um dieses Postulat widerspruchslos zu akzeptieren. Max Horkheimer musste vor den Nazis zuerst nach Genf fliehen. Zusammen mit Leo Löwenthal, Erich Fromm und Herbert Marcuse zog er nach Genf um, um zusammen mit ihnen ihre Arbeit fortzusetzen. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

Weiterlesen

Steuersenkungen führen zu Haushaltsdefiziten

Die heutige Situation erinnert Joseph Stiglitz unwillkürlich an jene Zeit vor 40 Jahren, als die Rechte schon einmal einen Triumpf feierte. Auch damals schien es sich um eine weltweite Bewegung zu handeln. Ronald Reagan regierte in den USA, Margaret Thatcher in Großbritannien. Die Wirtschaftspolitik nach John Maynard Keynes, die auf der Annahme beruht, der Staat könne Vollbeschäftigung aufrechterhalten, indem er die Nachfrage steuert, wurde von einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik abgelöst. Diese setzt ihrerseits voraus, Deregulierung und Steuersenkungen würden die wirtschaftlichen Produktivkräfte entfesseln. So würden geeignete Anreize geschaffen, um das Angebot an Gütern und Dienstleistungen und in der Folge auch das Einkommen der Privatpersonen zu steigern. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

Weiterlesen

Die Reichsfürsten hatten kein Interesse an einem deutschen Nationalstaat

Der Traum von der deutschen Nation ist älter als der deutsche Nationalstaat. Thea Dorn weiß: „Und diejenigen, die ihn träumten, waren mitnichten die deutschen Reichsfürsten.“ Im Gegenteil: Die Feudalherren im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation hatten wenig bis gar kein Interesse an einem deutschen Nationalstaat. Das Heilige Römische Reich deutscher Nationen hatte sich im 10. Jahrhundert unter der Dynastie der Ottonen herausgebildet und bestand auf dem Papier bis 1806. Den deutschen Reichsfürsten war viel mehr daran gelegen, unter dem Schutzmantel des Heiligen Römischen Reichs ihre lokale Macht auf den klein- und kleinstaatlichen Schollen zu erhalten. Der Träger und Verfechter des nationalen Gedankens in deutschen Landen war zuallererst das Bürgertum. Thea Dorn studierte Philosophie und Theaterwissenschaften. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane, Theaterstücke und Essays.

Weiterlesen

Konrad Adenauer revolutionierte die deutsche Außenpolitik

Schon ein halbes Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vier Jahre vor seiner Spätkarriere als Gründungskanzler der Bundesrepublik, hatte Konrad Adenauer die neue Konstellation in Europa realisiert: „Russland hat in Händen die östliche Hälfte Deutschlands, Polen, den Balkan, anscheinend Ungarn, einen Teil Österreichs. Russland entzieht sich immer mehr der Zusammenarbeit mit den anderen Großmächten und schaltet in den von ihm beherrschten Gebieten völlig nach eigenem Gutdünken.“ Für ihn war somit die Trennung in Osteuropa, das russische Gebiet, und Westeuropa eine Tatsache. Andreas Rödder stellt fest: „Konrad Adenauer erkannte die Chancen für Westdeutschland, das er im Oktober 1945 etwas umständlich als „nicht von Russland besetzten Teil Deutschlands“ bezeichnete.“ Seit 2005 ist Andreas Rödder Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Weiterlesen

Die Globalisierung hat ihre Versprechen nicht gehalten

Die Globalisierung ist mit ein paar Versprechen angetreten. Wohlstand für alle – oder zumindest für immer mehr Menschen. Ausbreitung von Frieden, Freiheit und Demokratie, Beseitigung von Armut sowie Stärkung der individuellen Freiheiten. In ihrem programmatischen Unterfutter, dem „Washington Consensus“ von 1989/90 war sogar vom Abbau von Ungleichheit die Rede. Herbert Renz-Polster fügt hinzu: „Und tatsächlich lagen ja die Chancen geradezu am Wegrand. Die postkoloniale Ordnung war aufgebrochen, mit dem Ende der Sowjetunion hatte die Welt einen echten humanitären Quantensprung geschafft.“ Die nun offeneren Grenzen hätten in der Tat auf offenere Grenzen für mehr Gerechtigkeit, ja, sogar für ein neues, nun wirklich postkoloniales Verhältnis zwischen Nord und Süd sein können. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

Weiterlesen

In Zeiten der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität

Die Chronik der Menschheit ist eine Geschichte der großen Wanderungen und Flüchtlingsbewegungen. Horst Opaschowski erläutert: „Als Hauptursache gilt die wachsende Kluft zwischen armen und reichen Ländern in der Welt. Die Erfahrung zeigt: Armut benötigt keinen Pass, um Ländergrenzen zu überwinden.“ Internationale Migration, Bevölkerungsbewegungen aus weniger entwickelten Ländern in „Wohlstandsgesellschaften“, wird auch in den nächsten zwanzig Jahren problematische Entwicklungen mit sich bringen. Eine Zuwanderungskrise großen Ausmaßes kann die Folge sein. Im Zeitalter der Globalisierung wird Zuwanderung zur Normalität – zugespitzt in der These: „Die Welt wandert und wächst – Deutschland altert und schrumpft.“ Horst Opaschowski gründete 2014 mit der Bildungsforscherin Irina Pilawa das Opaschowski Institut für Zukunftsforschung. Bis 2006 lehrte er als Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg. Ab 2007 leitete er die Stiftung für Zukunftsfragen.

Weiterlesen

Die deutsche Arbeiterklasse leistete keinen Widerstand gegen den Faschismus

Am 13. März 1933 wurde über dem Frankfurter Rathaus die Hakenkreuzfahne gehisst. Am selben Tag schloss die Polizei das Institut für Sozialforschung. Lediglich zwei Jahre nach der Antrittsvorlesung Max Horkheimers, in welcher er die multidisziplinäre Ausrichtung der Arbeit am Institut dargelegt hatte, aus der sich die Kritische Theorie entwickeln sollte, wurden er und seine Institutskollegen ins Exil gezwungen. Stuart Jeffries stellt fest: „Erich Fromms Ergebnis seiner Forschungen über die deutsche Arbeiterklasse hatte sich bestätigt: Was den Widerstand gegen Adolf Hitler betraf, war mit den deutschen Arbeitern nicht zu rechnen.“ Warum hatte der Faschismus in Deutschland triumphiert? An Theorien dazu gab es keinen Mangel, und tatsächlich sollte die Frage zu einer tiefen Spaltung der Frankfurter Schule führen. Stuart Jeffries arbeitete zwanzig Jahre für den „Guardian“, die „Financial Times“ und „Psychologies“.

Weiterlesen

Die Demokratie kann niemals vollständig realisiert werden

Als politische Ordnung will die Demokratie möglichst vielen Menschen möglichst viel Gleichheit bieten. Doch zugleich will sie der individuellen Freiheit eines jeden Rechnung tragen. Paul Verhaeghe ergänzt: „Im Streben nach und womöglich im Erzwingen von Gleichheit wird dem Individuum jedoch Gewalt angetan. Umgekehrt wird durch das Respektieren von Individualität die Gleichheit angegriffen.“ Jacques Derridas pragmatische Schlussfolgerung lautet, dass Demokratie niemals vollständig realisiert werden kann, es geht ausschließlich immer um eine kommende Demokratie. Sie kommt in Etappen und ohne einen definitiven Endpunkt. Demokratisierung ist nach wie vor „work in progress“, ein Prozess, bei dem man vor allem das Ziel vor Augen haben muss. Das Ziel ist, dass der „demos“, das Volk sich selbst regiert. Paul Verhaeghe lehrt als klinischer Psychologe und Psychoanalytiker an der Universität Gent.

Weiterlesen

Die neue Völkerwanderung steht seit 2015 auf der politischen Agenda

Das erste Ziel der Wanderungsbewegung nach Europa in großem Stil war Italien. Hans-Peter Klein blickt zurück: „Als im Jahr 2011 der libysche Staat des Diktators Gaddafi zerschlagen wurde und das Land in Bürgerkriegswirren versank, setzte die Flucht über das Mittelmeer ein. Bald schlugen Hilfsorganisationen, die Kirchen und einige E-Medien Alarm.“ Dabei beunruhigte nicht so sehr die Erwartung eines kaum zu bewältigenden Ansturms von Flüchtlingen, sondern vielmehr, dass viele von ihnen der Schleuserkriminalität auf der Mittelmeerroute zum Opfer fielen. Seit 2013 berichtete das Fernsehen erst sporadisch, dann häufiger und alarmierend über die unglaublichen Vorgänge: Massenflucht übers Mittelmeer, gesteuert durch Schleuserbanden, schreckliche Havarien, unmögliche Zustände in den italienischen Aufnahmelagern und weitgehende hilflose Behörden in Rom und bei der EU in Brüssel. Hans-Peter Schwarz zählt zu den angesehensten Politologen und Zeithistorikern in Deutschland.

Weiterlesen

Die Wirtschaft arbeitet ohne politische Kontrolle

Jenseits der Frage, wie Demokratie heute zu denken ist, bleibt jedoch die von Colin Crouch geäußerte Besorgnis, dass jede Variante von Demokratie heute nur noch ein Spiel an der Oberfläche darstellt, hinter der sich die Akteure der Wirtschaft und die Interessen des Profits als die eigentlich treibenden Kräfte ohne jede politische Kontrolle durchsetzen. Konrad Paul Liessmann ergänzt: „Die Frage nach dem Staat ist heute immer auch die Frage, welche Mittel und Wege staatlichem Handeln noch zur Verfügung stehen, um ordnungspolitische Aufgaben zu erfüllen und jene Regeln zu definieren und zu setzen, die den Menschen nicht nur ihre Freiheit garantieren, sondern auch davor schützen, dass alle Lebensbereiche den Prinzipien des Marktes beziehungsweise den Interessen monopolähnlicher Marktbeherrscher unterworfen werden. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Weiterlesen

Rechtspopulisten stehen der Globalisierung feindlich gegenüber

Die AfD ist im Jahr 2020 in Deutschland die konsequenteste – und einzige – Partei, die der Globalisierung feindlich gegenübersteht. Herbert Renz-Polster fügt hinzu: „Und blickt man auf die Wirtschaftspolitik der neuen Rechten in den USA, so zeigen sich die Rechtspopulisten sogar als die einzigen erfolgreichen Globalisierungsgegner.“ Globalisierung und Rechtspopulismus, da scheint Feuer auf Wasser zu treffen. Der erste Grund dafür dürfte ein offensichtlicher sein: Der grenzüberschreitende Austausch von Ideen, Waren, Kapital und Dienstleistungen passt einfach nicht zu dem identitären Rückzugsprogramm der Rechtspopulisten – da hat man dann doch eher die eigene Volksgemeinschaft im Blick als den Abbau von Barrieren, die den weltweiten Handel behindern. Der Kinderarzt Dr. Herbert Renz-Polster hat die deutsche Erziehungsdebatte in den letzten Jahren wie kaum ein anderer geprägt.

Weiterlesen

Die Anzahl der Privatschulen nimmt rasant zu

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hat einmal gesagt, dass jenes Land die beste Zukunft haben werde, das als erstes das Schulsystem aus den Händen des Staates befreit. Andreas Salcher ergänzt: „Aber auch ohne die Hauptverantwortung des Staates für das Schulsystem prinzipiell in Frage zu stellen, kann man bemerken, dass es der Politik bisher überall auf der Welt gelungen ist, ihr Monopol auf die Schulen mit zählen und Klauen erfolgreich zu verteidigen.“ Und die Konsequenzen von Monopolen sind immer die gleichen: schlechte Qualität zu hohen Kosten. Im Schulsystem reagieren Menschen so wie in allen Märkten, die ihre Bedürfnisse – in diesem Fall eine ausgezeichnete Ausbildung ihrer Kinder – nicht erfüllen können. Dr. Andreas Salcher ist Unternehmensberater, Bestseller-Autor und kritischer Vordenker in Bildungsthemen.

Weiterlesen