Bei der Euro-Rettung sind Rechtsbrüche an der Tagesordnung

Für Gunnar Beck, Rechtsprofessor an der University of London, ist der Rechtsstaat zu einer Schönwetterveranstaltung verkommen. Gunnar Beck lehrt EU-Recht und beschäftigt sich mit der juristischen Auslegung der europäischen Integration. „Die Euro-Rettung ist ungesetzlich“, sagt Gunnar Beck. Als Zeugin der Anklage benennt er Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), die vor zwei Jahren auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise öffentlich erklärt hatte: „Wir mussten Gesetze brechen, um den Euro zu retten.“ Gunnar Beck demonstriert die Rechtsbrüche an mehreren Beispielen. Erstens an den Defizitregeln und Schuldengrenzen aus dem für die Währungsunion maßgeblichen Maastrich-Vertrag. Griechenland, Belgien, Italien und Österreich haben ihn seit Einführung des Euro vor dreizehn Jahren immer verletzt, Deutschland fast immer und Frankreich immerhin in neun von dreizehn Jahren.

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Peter Scholl-Latour erweist sich als exzellenter Chinakenner

Viele Menschen in Deutschland haben den Aufstieg Chinas zur Weltmacht mit Unbehagen und Missgunst zur Kenntnis genommen. Die breite deutsche Öffentlichkeit hat laut Peter Scholl-Latour nicht aufgehört, die chinesische Entfaltung kleinzureden und immer wieder zum „China bashing“ auszuholen, wozu sie durch eine voreingenommene und systematisch desinformierte Presse stimuliert wird. Peter Scholl-Latour fügt hinzu: „Als kommerzieller Partner ist China für die heutige Bundesrepublik unentbehrlich geworden. Doch wann immer die Gelegenheit sich dazu bietet und der transatlantische Allianzpartner das zu erwarten scheint, bricht in den deutschen Medien ein Chor der Verwünschungen gegen die roten Mandarine von Peking aus.“ Peter Scholl-Latour arbeitet seit 1950 als Journalist, unter anderem viele Jahre als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD-Studioleiter in Paris, als Fernsehdirektor der WDR, als Herausgeber des STERN. Seit 1988 ist er als freier Publizist tätig.

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Peter Scholl-Latour porträtiert Bundeskanzlerin Angela Merkel

„Sag mir, wo die Männer sind, wo sind sie geblieben? Sang einst Marlene Dietrich. Peter Scholl-Latour stellt sich die Frage, ob man diesen Liedtext auch auf die aktuelle politische Szene in Deutschland übertragen kann. Denn an die Stelle einer schwächelnden Virilität ist in der Hauptstadt Berlin eine Frau getreten. Peter Scholl-Latour kommt deshalb nicht umhin, bei der Skizzierung der Gegenwart, die ungewöhnliche Bedeutung zu erwähnen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel im Konzert der Mächte gewonnen hat. Von amerikanischen Magazinen wurde sie sogar schon mehrfach als „mächtigste Frau der Welt“ bezeichnet. Peter Scholl-Latour arbeitet seit 1950 als Journalist, unter anderem viele Jahre als ARD-Korrespondent in Afrika und Indochina, als ARD-Studioleiter in Paris, als Fernsehdirektor der WDR, als Herausgeber des STERN. Seit 1988 ist er als freier Publizist tätig.

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Die Verfassung der Weimarer Republik hatte große Schwächen

Der Jurist und Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel vertritt die These, dass die fundamental wichtigen Entscheidungen schon gefallen waren, als die Nationalversammlung im Januar 1919 in Weimar zusammentrat. Denn es stand fest, dass Deutschland in Zukunft weder eine Monarchie noch eine Rätediktatur, sondern eine rechtsstaatliche Republik sein werde. Ernst Fraenkel fügt hinzu: „Unentschieden war hingegen, ob in der künftigen Verfassung das Schwergewicht auf der repräsentativen oder der plebiszitären Komponente des Regierungssystems liegen werde.“ Die „Denkschrift zum Entwurf des Allgemeinen Teils der Reichsverfassung“ vom 3. Januar 1919, die der Jurist und Politiker Hugo Preuß verfasst hatte, enthielt eine klare Option für das parlamentarische und gegen das präsidentielle Regierungssystem. Die Ablehnung der amerikanischen Verfassung wurde unter anderem damit begründet, dass das in den USA herrschende dualistische System zu einer geistigen Verarmung und politischen Verödung des Kongresses geführt habe.

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Ernst Fraenkel seziert die Rolle des deutschen Parlaments

Im Gegensatz zum englischen beruht das kontinentaleuropäische parlamentarische Denken laut Ernst Fraenkel auf dem Gedanken der Delegation. Er zitiert L.S. Amery, der in seinem Buch „Thoughts on the Constitution“ diesen Gegensatz mit provozierender Schärfe herausgearbeitet hat. Dieser hat zwar das britische Regierungssystem ausdrücklich als Demokratie bezeichnet, aber auch gesagt: „Es ist eine Demokratie, die nicht auf Delegation, sondern auf Zustimmung beruht.“ Nach den dem kontinentaleuropäischen parlamentarischen Regierungssystem zugrunde liegenden Vorstellungen delegiert das Volk seine Machtbefugnisse seinen gewählten Repräsentanten, dem Parlament, und das Parlament delegiert sie der Regierung mit der Wirkung, dass das Volk sich durch Vermittlung seines Parlaments selbst regiert. Das Parlament präsentiert also einen vorgegebenen Allgemeinwillen des Volkes. Es ist nur dazu berufen, diesen zu finden, aber nicht zu formen.

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Konrad Paul Liessmann lotet die Grenzen des Risikos aus

Der moderne Mensch sucht das Risiko und geht deshalb gerne an seine Grenzen, manchmal sogar darüber hinaus. Konrad Paul Liessmann nennt als Beispiele den Extremsport, das Drogenexperiment und die Börse. Wer seine Grenzen auslotet, gilt nicht nur als Held, sondern wird auch als ein Mensch angesehen, der die Vorbedingungen für den Erfolg in der Gesellschaft des Wettbewerbs erfüllt. Konrad Paul Liessmann fügt hinzu: „Dies gilt nicht nur für Individuen und ihre riskanten Handlungen, sondern auch für die Gesellschaft insgesamt. Galt Stabilität in einem ökonomischen, sozialen und kulturellen Sinn lange als erstrebenswerter Zustand, so wird diese nun durch einen allzeitigen Risikobereitschaftsdienst überholt.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie der Universität Wien. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Die Theorie der Unbildung“ und „Das Universum der Dinge.“

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Eine Regierung aus Experten hat mit Demokratie nichts zu tun

Als politischer Theoretiker betrachtet es der seit Kurzem emeritierte Münchner Philosophie-Professor Henning Ottmann mit Sorge, dass es inzwischen etwa in Italien eine reine Experten-Regierung gibt. Denn das bewährte Grundprinzip der liberalen Demokratie ist die Wahl der Machthabenden. Henning Ottmann kritisiert: „Experten wählen zu lassen, ist aber Unsinn. Dafür bräuchte man nur eine kundige Jury. Das hätte dann aber mit Demokratie nichts mehr zu tun.“ Ein guter Politiker zeichnet sich für Henning Ottmann durch Lebenserfahrung aus, die nicht in der Politik, sondern im bürgerlichen Leben erworben wurde. Seiner Meinung nach ist zum politischen Denken, zur Reflexion jedermann fähig. Zehn Jahre hat Henning Ottmann an den neun Bänden seiner jetzt vollendeten „Geschichte des politischen Denkens“ gearbeitet. Die Bücher sind im Metzler-Verlag erschienen und kosten je Band zwanzig Euro.

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Kai Konrad räumt mit den Illusionen in der Klimapolitik auf

Die 18. Weltklimakonferenz fand Ende des vergangenen Jahres in Doha statt. Mehr als 20.000 Menschen nahmen daran teil. Die Gipfeltreffen begannen 1992 in Rio de Janeiro und werden seit 1995 fast jedes Jahr ausgerichtet. Die inhaltlichen Ergebnisse der Doha-Konferenz waren laut Kai Konrad überschaubar und knüpfen damit an die Misserfolge der vergangenen Jahre in Bali, Posen, Kopenhagen, Cancún und Durban an. Denn Klimaverhandlungen sind extrem schwierig. Kai Konrad nennt einen der Gründe dafür: „Deutlich über hundert Staaten sollen einen internationalen Vertrag schließen, der auf Jahrzehnte bindet. Und zwar einen Vertrag, bei dem jeder Einzelne besser dran ist, wenn nur die anderen dem Abkommen beitreten.“ Kai Konrad ist Direktor am Max-Planck-Institut für Steuern. Vergangenes Jahr hat er zusammen mit Lars Feld und Marcel Thum einen Aufruf „Umdenken in der Klimapolitik“ im Ifo-Schnelldienst veröffentlicht.

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Byung-Chul Han geißtelt die totalitären Züge der Transparenz

Die Medien, Politiker, die Kirchen und viele andere gesellschaftliche Gruppen fordern neuerdings immer und überall Transparenz. Byung-Chul Han, Professor für Philosophie und Kulturwissenschaften an der Universität der Künste in Berlin, ist wegen dieser allgegenwärtigen Forderung sehr beunruhigt, da sie inzwischen seiner Meinung nach totalitäre Züge annimmt. Für ihn klingt „transparent machen“ so, als würde man gnadenlos aus- und durchgeleuchtet wie mit einem Nacktscanner. Ihn interessiert vor allem die Dimension der Gewalt, die in dem Phänomen der Transparenz innewohnt. Byung-Chul Han bestreitet nicht, dass Transparenz Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Korruption verhindern kann, beklagt aber, dass sich die Forderung nach Transparenz inzwischen gegen jede Form der Macht wendet. Seiner Meinung nach darf man Macht nicht auf die Möglichkeit des Missbrauchs reduzieren.

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Rettung und Gefahr gehen in Europa fließend ineinander über

Konrad Paul Liessmann stellt sich die Frage, ob sich das europäische Projekt durch folgende Formulierung beschreiben ließe: „Eine fließende Grenze zwischen Rettung und Gefahr.“ Seiner Meinung nach lässt sich zurzeit nirgendwo das Wechselspiel zwischen Grenzaufhebung, Grenzüberschreitung und Grenzziehung so gut studieren wie in Europa. Das Projekt der Europäischen Union lebt laut Konrad Paul Ließmann in hohem Maße vom Pathos der gefallenen und fallenden Grenzen, andererseits wird allmählich aber deutlich, dass dieses Projekt nur eine politische Zukunft hat, wenn Grenzen gezogen werden. Er erklärt: „Die Bedeutungslosigkeit alter europäischer Binnengrenzen korrespondiert so nachdrücklich mit der für viele so unüberwindlichen Schranke, die durch die Schengen-Grenze aufgerichtet ist.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie der Universität Wien. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Die Theorie der Unbildung“ und „Das Universum der Dinge.“

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Peter Scholl-Latour analysiert die Radikalisierung im Nahen Osten

Der deutsche Journalist und ausgewiesener Kenner des Nahen Ostens Peter Scholl-Latour behauptet, dass es den sogenannten Arabischen Frühling überhaupt nicht gegeben hat. Denn er hat nach seiner Meinung ja nirgends positive Auswirkungen gezeigt. Er nennt ein Beispiel: „Selbst Tunesien, wo die größten Hoffnungen lagen, gleitet in Unruhen ab.“ Der Arabische Frühling war für Peter Scholl-Latour ein Aufbegehren gegen eine erstarrte Hierarchie, die zutiefst korrupt war, ein Ausdruck des Volkszorns. Aber wie sich die Revolution weiterentwickeln wird, weiß auch der Nahostexperte nicht. Aber eines glaubt Peter Scholl-Latour ganz sicher zu wissen, nämlich dass die Hoffnung auf eine Demokratisierung der Region nur eine Illusion des Westens war. Kaum ein zweiter Journalist der deutschen Sprache hat eine derartige Reise- und Rechercheerfahrung und eine so ausgeprägte Expertise in der Welt der internationalen Politik wie Peter Scholl-Latour.  

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Der Nationalstaat verliert immer mehr an Macht

In der Gegenwart lassen sich die Begriffe Macht und Staat nur noch schwer ohne Brüche zusammendenken. Es wird von fast niemandem mehr bezweifelt, dass der Staat an die Grenzen seiner Möglichkeiten gekommen ist. Aber wo genau sich dieser Punkt befindet, ist laut Konrad Paul Liessmann mehr denn je fraglich geworden. Denn vom Staat haben die Bürger offenbar immer zu viel oder zu wenig. Wenn der Staat praktisch in eine Vaterrolle schlüpft, spricht man von Paternalismus. Konrad Paul Liessmann definiert den paternalistischen Staat wie folgt: „Der Staat, das ist der ausufernde, alle Lebensbereiche umfassende, für- und vorsorgende Sozial- und Wohlfahrtsstaat, der aus freien Bürgern unmündige, im Anspruchsdenken verhaftete, letztlich verwahrloste Empfänger von Transferleistungen macht.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie der  Universität Wien. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen „Die Theorie der Unbildung“ und „Das Universum der Dinge.“

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Immer weniger Steuergelder kommen der Gesellschaft zugute

Die übermäßige Verschuldung des Staates hat laut Paul Kirchhof zur Folge, dass er erhebliche Haushaltsmittel für Zinszahlungen verwenden muss. Die Steuerkraft der Bürger dient in diesem Fall also nicht der Finanzierung gegenwärtiger Staatsaufgaben, sondern beschert privaten Unternehmen Einnahmen und Gewinn. Paul Kirchhof ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass der Zinsdienst im Bundeshaushalt, nach Arbeit und Soziales, zum zweitgrößten Haushaltsposten geworden ist. Er fügt hinzu: „Der Bürger erlebt, dass sein demokratischer Anspruch, das Parlament in seinem Budgetverhalten zu ermächtigen und zu kontrollieren, für einen wesentlichen Teil des Budgets nicht verwirklicht werden kann.“ Paul Kirchhof ist einer der führenden Finanzexperten und bekanntesten deutschen Autoren. Er ist Professor für Öffentliches Recht sowie Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg und war zwölf Jahre Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Trendforscher Gerald Celente hat viele Krisen sehr früh erkannt

Für den amerikanischen Trendforscher Gerald Celente befindet sich die Welt mitten im Krieg. In einem Währungskrieg, in einem Handelskrieg und in einem Klassenkrieg. Und wenn die Politiker für die westliche Schuldenkrise nicht bald eine nachhaltige Lösung finden, dann droht auch bald wieder ein Weltkrieg. Gerald Celente nennt den Grund: „Weil zu wenige Menschen zu viel besitzen und zu viele zu wenig haben.“ Schon seit zwanzig Jahren wird dem ehemaligen Politikberater und Herausgeber des „Trend Journals“ in den USA für wirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen eine erstaunliche Trefferquote bei Vorhersagen attestiert. Schon lange vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, sagt er zum Beispiel deren Untergang voraus. Auch die Währungskrise in Asien erkannte er frühzeitig und warnte auch vor dem Aktiencrash der Internetfirmen zur Jahrtausendwende.

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Ralf Fücks empfiehlt den EU-Staaten die flexible Zusammenarbeit

Krisen beschleunigen den Wandel. So hat beispielsweise die Finanzkrise die Architektur der Europäischen Union (EU) bereits entscheidend verändert. Dass kein Staat für die Schulden eines anderen haftet, war ein Eckstein des Maastricht-Vertrags, der nach den Worten von Ralf Fücks, dem Vorstand der Heinrich Böll Stiftung, inzwischen zu Staub zerfallen ist. Ergänzend zu den interstaatlichen Rettungsfonds garantiert die Europäische Zentralbank (EZB) die Refinanzierung der überschuldeten südeuropäischen Staaten. Das Modell der Bundesbank gilt nicht mehr. Ralf Fücks prognostiziert: „Eine europäische Bankenaufsicht wird kommen; die Rekapitalisierung angeschlagener Banken erfolgt über den Europäischen Stabilitätsfonds.“ Das sind seiner Meinung nach fast revolutionäre Entwicklungen, die keinem Plan und klarem Konzept der Europäischen Union folgen, sondern durch die normative Kraft der Fakten erzwungen wurden.

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Der Staat hat seine aktuelle Schuldenkrise selbst verursacht

Ein freiheitlicher Staat finanziert seine Aufgaben grundsätzlich aus Steuererträgen. Er lässt laut Paul Kirchhof die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit durch Garantie der Eigentümer- und Berufsfreiheit in privater Hand, verzichtet also auf die Finanzierung des Staates durch Staatsdomänen und -unternehmen. Paul Kirchhof erklärt: „Er sichert seine Finanzkraft, indem er steuerlich am Erfolg des privaten Wirtschaftens teilhat. Grundsätzlich kann der Staat finanzwirtschaftlich nur geben, was er vorher steuerlich genommen hat.“ Da der Staat in der Vergangenheit allerdings immer mehr ausgegeben als er eingenommen hat, trägt er die Schuld an der staatlichen Schuldenkrise. Paul Kirchhof ist einer der führenden Finanzexperten und bekanntesten deutschen Autoren. Er ist Professor für Öffentliches Recht sowie Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg und war zwölf Jahre Richter des Bundesverfassungsgerichts.

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Die Wandlung des Internets von einer schönen Idee zur Ideologie

Eine Weile lang schien das Internet die Gesellschaft in fast allen Bereichen zu revolutionieren. Das Alte, das Konservative, das Traditionelle schien endgültig der Vergangenheit anzugehören. Die neue Partei der Piraten versprach nicht mehr und nicht weniger als eine „flüssige Demokratie“, die mit ihrer Bürgernähe den ausgedienten Parlamentarismus ersetzen würde. Spontane Kampagnen im Netz sollten nach dem Willen der Piraten die mühsame Kompromisssuche ersetzen, wie sie in Demokratien, die auf der Basis des Aushandelns agieren, üblich ist. Eine wahre Revolution der Transparenz schien auszubrechen, die direkte Demokratie, in der jeder bei wichtigen Entscheidungen mitreden darf, stand in den Startlöchern. Die Stars der Piratenpartei erklommen die Titelseiten, trieben die etablierte Politik und einen Teil der Medien mit ihrer Offenheit vor sich her.

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Großkonzerne bedrohen die Demokratie und die Märkte

Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers dachten viele Ökonomen, dass der Neoliberalismus tot sein. Für den Soziologen Colin Crouch wird der Neoliberalismus allerdings nur getestet, aber noch lange nicht am Ende. Anders als der Keynesianismus, der in den späten 1970-Jahren tatsächlich sein Leben aushauchte. Heute geschieht nichts Vergleichbares. Colin Crouch nennt den Grund: „Die Ära des Finanzkapitalismus wird nicht infrage gestellt, weil alle so sehr davon abhängen. Nie war der Einfluss der Lobbyisten, der Druck der großen Banken größer. Die Regierungen lassen sich einschüchtern, weil die Wirtschaft ohne Geld nicht funktioniert – jeder braucht Geld.“ Dabei geht es seiner Meinung nach nicht nur um Lobbying. Colin Crouch ist Auswärtiges Wissenschaftliches Mitglied des Max-Plack-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln und emeritierter Professor der Warwick Business School.

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Joseph Stiglitz vergleicht die USA mit Schweden

Die große Frage in der Weltwirtschaft des 21. Jahrhunderts lautet für Joseph Stiglitz: „Welche Rolle soll der Staat spielen?“ Nur wenn der Staat stärker Einfluss nimmt, lässt sich seiner Meinung nach ein Strukturwandel erfolgreich gestalten, da derartige Veränderungen in der Vergangenheit nie automatisch stattgefunden haben und es auch in der Zukunft nicht tun werden. Joseph Stiglitz ergänzt: „Aber Marktmechanismen können eine zentral Rolle bei der Umsetzung spielen, zum Beispiel beim Aufbau einer neuen umweltverträglichen Wirtschaft. Schon eine einfache Veränderung – dafür zu sorgen, dass Preise die langfristige Knappheit von Umweltressourcen widerspiegeln – würde viel bewirken.“ Der amerikanische Wirtschaftsforscher Joseph Stiglitz gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der Welt. Er lehrt an der New Yorker Columbia University. Im Jahr 2001 erhielt er den Nobelpreis für ein Werk über Informationsökonomie.

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Hans-Werner Sinn wettet auf den Euro-Austritt Griechenlands

Der Ökonom und Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn sagt, dass es besser für die Griechen und für Deutschland wäre, wenn Griechenland aus der Euro-Zone austreten würde. Allerdings liegt diese Entscheidung allein bei den Griechen selbst. Hans-Werner Sinn traut sich sogar zu wetten, das Griechenland am Ende freiwillig geht, denn die ökonomischen Probleme, die entstehen, wenn Griechenland in der Währungsunion bleibt, sind seiner Meinung nach schlicht nicht lösbar. Hans-Werner Sinn erklärt: „Die Politik denkt immer, es gebe ein Primat der Politik über die ökonomischen Gesetze. Das ist eine Einbildung. Auf Dauer siegen immer die ökonomischen Gesetze.“ Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts sieht in dem Schlamassel von heute das Ergebnis einer Politik, die glaubte, die ökonomischen Gesetze missachten zu können.

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Amerika will in Europa handfeste Interessenpolitik durchsetzen

Stefan Fröhlich, Professor für Internationale Politik an der Universität Erlangen-Nürnberg, behauptet, dass die ökonomische Grundphilosophie der amerikanischen Regierung in Deutschland oftmals unterschätzt wird. Zu ihr gehören ein gemäßigter Keynesianismus und eine undogmatische Geldpolitik, die Inflationsrisiken bewusst in Kauf nimmt, um in wirtschaftlich schlechten Zeiten Wachstum zu stimulieren. Stefan Fröhlich glaubt auch die Ursachen der momentanen Krise zu kennen. Er erklärt: „Die seit 2009 anhaltende Wirtschaftskrise entstand nicht zuletzt aus dem amerikanischen Versuch, die relativen Verlierer der Globalisierung in Amerika durch eine allzu großzügige Förderung des Wohneigentums zu entschädigen.“ Es waren seiner Meinung nach eben nicht allein deregulierte und ungezügelte Kapital- und Investmentmärkte, die mit ihren Spekulationen die Finanzkrise auslösten. Verantwortlich dafür war auch eine allzu spendable amerikanische Regierung und kurzsichtige Zentralbank in Washington, die bereits unter Präsident Bill Clinton damit begann, wachsende Unterschiede beim Einkommen durch die massive Ausweitung von Hypothekenkrediten mit geringer Bonität auszugleichen.

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Der Souverän sollte über die Euro-Politik abstimmen

Der Journalist und Schriftsteller Dirk Kurbjuweit, Leiter des Spiegel-Hauptstadtbüros in Berlin, erläutert in einem Essay in der Wochenzeitschrift „Der Spiegel“, warum eine Volksabstimmung über die Euro-Politik notwendig ist. Zu Beginn seines Artikels stellt der Autor fest, dass die bundesdeutsche Demokratie noch nie in einem so schlechten Zustand war wie heute. Er fordert die Menschen dazu auf, nicht zuzulassen, dass die Demokratie und Europa gleichzeitig verkommen. Dirk Kurbjuweit nennt den Grund: „Demokratie und europäische Integration sind die Grundlagen unseres Staates.“ Der Autor stellt außerdem fest, dass die Rettungspolitik für den Euro das Machtgefüge des Staates verändert hat. Als Sieger ist die Exekutive hervorgegangen, also die Regierung. Im Zirkel der Staats- und Regierungschefs fallen die großen Entscheidungen, die meist in bilateralen Gesprächen vorbereitet werden.

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Die Nationalsozialisten verabscheuten die Demokratie

Die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland seit dem Jahr 1933, die sich im Zweiten Weltkrieg auch über weite Teile Europas ausdehnte, der Massenmord an sechs Millionen Juden, steht für einen Tiefpunkt in der Geschichte der Menschheit und bildet zugleich den extremsten Gegensatz zur Staatsform der Demokratie. Die Diktatur des Nationalsozialismus ist aber laut Paul Nolte weder als Schicksal noch als historischer Unfall über Deutschland gekommen. Adolf Hitlers Machtübernahme wurde in Deutschland von einer breiten Zustimmung der Bevölkerung getragen und von vielen Menschen als eine angemessene Antwort auf die langgehegten Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der Demokratie gesehen. Paul Nolte schreibt: „Ohne die Loyalität und Mitarbeit von Teilen der Bevölkerung ist eine Diktatur nicht vorstellbar, schon gar nicht eine moderne des 20. Jahrhunderts.“ Paul Nolte ist Professor für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin.

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Der Grat zwischen Macht und Machtmissbrauch ist sehr schmal

Die meisten Bürger, die Politiker und Wirtschaftsmanager für korrupt halten, finden in der Tat für diese Einschätzung fast täglich in den Medien eine Bestätigung. Michael Schmitz, der Psychologie und Management an der Lauder Business School in Wien lehrt, weist als Beispiel auf den Fall des Politikers Stefan Mappus hin, der sich mit einem großen Coup als Ministerpräsident von Baden-Württemberg an der Macht halten wollte. Er pokerte dabei um den Rückkauf von Anteilen am Energieunternehmen EnBW, ohne die vorgeschriebene Wirtschaftlichkeitsprüfung anzuordnen. Er verspekulierte sich – für 800 Millionen Euro muss jetzt der Steuerzahler aufkommen. Als zweites Beispiel nennt Michael Schmitz den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der zurücktreten musste, als bekannt wurde, dass er Sonderkredite zur Finanzierung seines Privathauses angenommen hatte.

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Abgeordnete sollen für neue Schulden zur Kasse gebeten werden

Peter Heesen von Beamtenbund hat vom Staatsrechtler Paul Kirchhof ein Gutachten ausarbeiten lassen, wie Deutschland seine Altschulden loswerden kann. Den Gewerkschaftler beschäftigt dieses Thema, weil das Gemeinwesen nur in einem geordneten Staat funktioniert. Das ist seine feste Überzeugung als Bürger. Peter Heesen fügt hinzu: „Als Beamter will ich, dass der Staat funktioniert. Deshalb mache ich mir schon seit geraumer Zeit gewaltige Sorgen wegen der Verschuldung unseres Landes. Wenn wir so weitermachen, wird der Staat am Ende handlungsunfähig.“ Es gibt Bereiche im öffentlichen Dienst, wo heute schon zu wenig Personal eingesetzt wird. Peter Heesen nennt als Beispiel die Lebensmittelkontrolle: ein Kontrolleur auf tausend fleischverarbeitende Unternehmen, das kann nicht funktionieren. Peter Heesen ist Vorsitzender des gewerkschaftlichen Dachverbandes dbb Beamtenbund und Tarifunion.

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