Jeder sollte seiner inneren Bestimmung folgen

Glück und Erfüllung wird in der altindischen „Bhagavadgita“ darin gesehen, dass ein Mensch seiner inneren Bestimmung folgt. Dabei lässt er sich nicht davon beirren, ob sich ein äußerer Erfolg einstellt oder nicht. Andreas Kitzler erklärt: „Das Entscheidende ist, dass er sich selbst treu bleibt, auf sein Inneres hört, aufrichtig und authentisch ist und danach handelt. Dann wird er die innere Seelenruhe besitzen, selbst Misserfolge heiter und gelassen hinzunehmen.“ Er ruht in der Geborgenheit seines Innern und bezieht daraus all sein Glück und seine Freude. Das ist seine unversiegbare Kraftquelle. Sie garantiert, dass er alles in seiner Macht Stehende auf die beste Weise ins Werk setzt. Dadurch wird er nur selten Misserfolg bei seinen äußeren Unternehmungen haben. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Geist und Kultur gehören zusammen

Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass der Mensch ein Naturwesen ist und somit zur Natur gehört. Strittig ist lediglich, in welchem Umfang dies der Fall ist und wo man die Grenze zu dem ziehen kann, was nicht oder nicht mehr zur Natur gehört. Einer der letzten philosophischen Autoren, die meinten, hier eine definitive Antwort geben zu können, ist Max Scheler. Dieser glaubte im ausdrücklich gesprochenen „Nein“ des Menschen den Übertritt in eine andere, nicht mehr zur Natur gehörende Sphäre des Geistes entdeckt zu haben. Volker Gerhard betont: „Vom Geist zu sprechen liegt so nahe wie die Rede von der menschlichen Kultur.“ Fraglich ist nur, ob beide derart prinzipiell von der ihr zugrundeliegenden Natur abzugrenzen sind. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Normverstöße gehören zum Leben

Das Ziel der Ethik ist nicht die größtmögliche Lebenssicherheit. Richard David Precht stellt fest: „Es ist die Chance auf ein erfülltes Leben für möglichst viele Menschen. Normen sollen uns dazu dienen. Keinesfalls ist es ihr Sinn, dass wir ihnen dienen.“ Und wenn man sich über Normverstöße aufregt, so ist es doch gut, dass es sie gibt. Wer wollte in einem Land leben, in dem jeder Verstoß bemerkt und geahndet wird? Jeder moralische Grundsatz wird zu einem Gräuel, wenn er uneingeschränkt zur starren Regel erhoben wird. Immer ehrlich sein, immer gerecht, immer fair, immer mitfühlend, immer großzügig, immer dankbar und so weiter. Wer möchte so sein? Ist dies tatsächlich ein erfülltes Leben? Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Wahrheit ist der Wille der Überwältigung

Für Friedrich Nietzsche bedeutet der Wille zur Wahrheit: „Ich will nicht täuschen, auch mich selbst nicht.“ Und hiermit befindet er sich auf dem Boden der Moral. Im Nachlass vom Herbst 1887 findet sich sogar noch eine Steigerungsform. Wahrheit sei ein Name „für den Willen der Überwältigung. Wahrheit hineinlegen, als ein aktives Bestimmen, nicht als Bewusstsein von etwas, das an sich fest und bestimmt wäre. Es ist ein Wort für den Willen zur Macht.“ Christian Niemeyer weist darauf hin, dass man gegen diese Pointe das Bedenken vortragen könnte, Friedrich Nietzsche moralisiere hiermit das Wahrheitsproblem. Und er verfehle die in seinem Grundansatz an sich die sehr viel zwingendere Psychologisierung des Moralbegriffs. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Das Subjekt mutiert zum Objekt

Wer zu viele Fragen stellt, statt sich mit den verfügbaren Erklärungsvideos zufriedenzugeben, lebt riskant. Man verliert die Zeit, die andere nutzen, um als Erste abzuräumen. Man versäumt es, die Entweder-Oder-Taste zu drücken. Und dann? Rebekka Reinhard erläutert: „Dann steht der Erfolg, herausgerissen aus dem binären System, plötzlich als isolierte Größe da. Und es stellt sich heraus: Er repräsentiert nicht die Wahrheit, sondern die Lüge.“ Denn der Gewinn, den das vom Erfolgsheroismus infizierte, zum Objekt mutierte Subjekt einzuheimsen meint, zerrinnt ihm zwischen den Fingern. Klicks, Likes, Status, Reputation begründen keine reiche, sondern eine arme Existenz. Die Illusion eines guten Lebens. Die vermeintlichen Erfolgshelden rennen und rennen. Aber die Entwickler der Nullen-und-Einsen-Welt sind längst zehn Schritte weiter. Die Philosophin Rebekka Reinhard war bis zur Einstellung der Zeitschrift stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Die Aufklärung hat seit jeher Feinde

Der mit der Aufklärung verbundene Fortschritt hatte seit jeher Feinde. Dazu gehören heue auch religiöse Konservative. Ihnen missfallen Ideen wie die Evolution und einigen sind die Toleranz und der Liberalismus ein Dorn im Auge. Hinzu kommen Menschen, deren wirtschaftliche Interessen im Widerspruch zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Joseph Stiglitz nennt als Beispiel die Eigentümer von Bergbauunternehmen und ihre Arbeiter. Da sie in erheblichem Umfang zur globalen Erwärmung und zum Klimawandel beitragen, müssen sie damit rechnen, dass man ihren Betrieb schließt. Um die politische Macht zu erlangen, bedurfte es der Unterstützung der Wirtschaft insgesamt, die als Gegenleistung Deregulierung und Steuersenkungen verlangte. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Würde eines Menschen sollte unantastbar sein

Tastsinn und Takt, Feinmotorik und Fingerspitzengefühl kommen in der Formulierung einer unantastbaren Würde zusammen. Verhärtungs- und Verpanzerungsansprüche gehören ab jetzt in ein vergangenes Kapitel der Geschichte. Svenja Flaßpöhler schreibt: „Die Sensibilität ist es, die von nun an die Geschichte bestimmt und den Schutzraum des Subjekts über dessen Leiblichkeit hinaus ausweiten soll.“ Tatsächlich ist mit dem Schutz der Würde, von dem das deutsche Grundgesetz spricht, weit mehr gemeint als nur der Schutz vor körperlicher Gewalt. Ja, was die menschliche Würde genau ist, ist keineswegs für alle Zeiten festgesetzt und klar umgrenzt. Sondern sie ist, je nach Grad der gesellschaftlichen Empfindsamkeit, hart umstritten und höchst wandelbar. Stand bis vor wenigen Jahren handfeste Gewalt im Zentrum des Sexualstrafrechts, kann seit der Reform im Jahr 2016 auch ein falsch gedeuteter Wille rechtliche Konsequenzen haben. Svenja Flaßpöhler ist promovierte Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“.

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Mit dem Neinsagen fängt das Denken an

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 04/2023 erforscht diesmal die Kraft des Neinsagens. Denn das Nein ist für Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler der Ursprung jedes Aufbegehrens, individuell und auch politisch: „Ja, eine solche Kraft hat das Nein, dass es oft sogar den überrascht, der es äußert.“ Dabei herrscht das vage Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt und so bereitet das Nein den Weg für einen Neuanfang. Wer mutig nein sagt, widersetzt sich äußeren Ansprüchen, um nach seinen eigenen Vorstellungen zu leben. Doch ist die Verweigerung immer auch in Gefahr, in Narzissmus, Resignation, gar Depressionen abzugleiten. Dennoch gilt: Das Nein hat das Ja, so scheint es, in vielen Bereichen als Grundhaltung abgelöst. Für Denker wie Theodor W. Adorno oder Donatella Di Cesare fängt mit dem Neinsagen das Denken überhaupt erst an.

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Dinge stabilisieren das menschliche Leben

Die terrane Ordnung, die Ordnung der Erde, besteht aus Dingen. Diese nehmen eine dauerhafte Form an und bilden eine stabile Umgebung für das Wohnen. Sie sind jene „Weltdinge“ im Sinne von Hannah Arendt, denen die Aufgabe zukommt, „menschliches Leben zu stabilisieren“. Byung-Chul Han stellt fest: „Sie geben ihm einen Halt. Die terrane Ordnung wird heute durch die digitale Ordnung abgelöst. Die digitale Ordnung entdinglicht die Welt, indem sie sie informatisiert.“ Schon vor Jahrzehnten bemerkte der Medientheoretiker Vilém Flusser: „Undingen dringen gegenwärtig von allen Seiten in unsere Umwelt, und sie verdrängen die Dinge. Man nennt diese Undinge Informationen.“ Die Menschen befinden sich heute im Übergang vom Zeitalter der Dinge zum Zeitalter der Undinge. Byung-Chul Han ist ein koreanisch-deutscher Philosoph, Kulturwissenschaftler und Autor. Seine Bücher wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

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Die Metamorphose wirkt im Unterbewusstsein

Bei einer Metamorphose gründet die Kraft, die einen Menschen durchdringt und verändert, nicht auf einem bewussten und persönlichen Willensakt. Emanuele Coccia erklärt: „Sie kommt anderswoher, ist älter als der Körper, den sie formt, und wirkt jenseits aller Entscheidung. Vor allem aber ist sie frei von dem Impuls, die Vergangenheit oder die Identität zu verdrängen oder zu negieren.“ Ein metamorphisches Wesen hat, im Gegenteil, alle Ambition abgelegt, sich in einem einzigen Gesicht wiedererkennen zu wollen. Das Leben, das durch die Raupe und den Schmetterling hindurchgeht, kann auf keines der beiden heruntergebrochen werden. Es kann mehrere Gestalten gleichzeitig bewohnen und beherbergen und schöpft aus dieser amphibischen Eigenschaft seine Kraft. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Bestimmte Wahrheiten gelten überall

Es gibt scheinbar Wahrheiten, die gelten für jedermann überall. Das haben Philosophen schon früh festgestellt. Peter Trawny blickt zurück: „So jemand wie Platon hat davon gesprochen, dass es „Ideen“ gebe, die uns die Wahrnehmung und Erkenntnis von konkreten Dingen und Tatsachen ermöglichen.“ Menschen müssen schon wissen, was schön ist, bevor sie etwas als schön bezeichnen können. Dabei geht es nicht darum, ob das jeweils Besondere, das ein Mensch für schön hält, ebenso von einer anderen Person für schön gehalten wird. Es geht vielmehr darum, dass jeder Mensch Schönheit kennt –, was immer er im Einzelnen schön findet. Aus diesen scheinbar universellen Wahrheiten hat man dann auch in moralischer und politischer Hinsicht Konsequenzen gezogen. Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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Das Schicksal spiegelt die Verdienste wider

Michael J. Sandel betont: „Der Gedanke, dass unser Schicksal unsere Verdienste widerspiegelt, ist in der moralischen Intuition der westlichen Kultur tief verwurzelt.“ Die biblische Theologie lehrt, dass Naturereignisse aus einem Grund heraus geschehen. Günstiges Wetter und eine reiche Ernte sind göttliche Belohnungen für Wohlverhalten. Dürre und Pestilenz sind Strafen für Sünden. Aus der Entfernung des heutigen wissenschaftlichen Zeitalters mag diese Denkungsart naiv oder gar kindlich erscheinen. Doch sie liegt nicht so fern, wie es zunächst erscheint. In Wahrheit ist diese Auffassung der Ursprung des meritokratischen Denkens. Sie spiegelt die Überzeugung wider, dass das moralische Universum auf eine Weise geordnet ist, die Wohlstand mit Verdienst und Leiden mit Übeltaten verknüpft. Michael J. Sandel ist ein politischer Philosoph, der seit 1980 in Harvard lehrt. Er zählt zu den weltweit populärsten Moralphilosophen.

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Sinnlichkeit ist der Anfang von Heimat

Die morgendliche Waschung ist mehr als eine lästige Verrichtung, bei der Wasser am Körper herabrinnt. Wilhelm Schmid erläutert: „Heimat ist dort, wo die Fülle des Sinns ist. Die Sinnlichkeit ist dafür der Anfang. Wer sich zerschlagen und niedergeschlagen fühlte, kehrt erhobenen Hauptes in die Welt zurück.“ Wer am Boden zerstört war, den durchpulst neue Lebenslust. Die eben noch schmerzenden Glieder erleben eine wundersame Verjüngung, jede Zelle wirkt wie neugeboren. Die Haut, die wie ein frisch gesprengter Rasen dufte, ruft erotische Anwandlungen wach. Nicht von ungefähr vermutete man in der Antike überall dort, wo Wasser sprudelte, Nymphen, denen Satyrn nachstellten. Die Dusche könnte der Brunnen sein, der die Fabelwesen birgt, das Badezimmer ein Tempel wohlgesinnter Götter. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

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Hegel war der letzte Systembauer von Bedeutung

Heute geschieht mit der Philosophie etwas Ähnliches wie früher mit der Tragödie. Ágnes Heller erklärt: „Nach dem Zusammenbruch des hegelschen Systems traten mehrere repräsentative Denker in die Tradition der philosophischen Literaturgattung ein.“ Schon vor Georg Wilhelm Friedrich Hegel haben nicht alle Philosophen Systeme errichtet. Aber nach ihm gab es keine Systembauer von Bedeutung mehr. Was vom traditionellen philosophischen Denken blieb, ist die Trennung der empirischen und der transzendentalen Untersuchungsebene und die Hermeneutik als Interpretation des Anderen. Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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Ethische Entscheidungen sind schwer zu treffen

Wenn man schwierige ethische Entscheidungen treffen muss, ist die Sachlage meist unklar. Das betrifft insbesondere Personen in moralisch anspruchsvollen und verantwortungsvollen Berufen, etwa Ärzte, Klinikdirektoren und Politiker. Markus Gabriel erklärt: „Die Corona-Krise hat uns dies in manchen Ländern in voller Härte vor Augen geführt.“ Teilweise musste darüber entschieden werden, wer leben darf und wer eventuell sterben muss. Entscheidungen, die viele Menschen traumatisieren werden. Diese Notsituation offenbart nur, was auch durchweg der Fall ist. Denn die Ressourcen auf der Erde sind knapp und werden durch internationale Politik und die globalen Produktionsketten der Wohlstandsgesellschaft gesteuert. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Personalität ist ein eingeübtes Rollenspiel

Zwischen Personalität und Individualität besteht ein Unterschied. Personalität ist ein eingeübtes, von Situation zu Situation variables Rollenspiel. Menschen erstreiten damit strategische Vorteile im sozialen Wettbewerb oder erhalten sie aufrecht. Dazu gehört für Markus Gabriel so scheinbar Unproblematisches wie die menschliche Fähigkeit, körperlich unversehrt durch den Alltag zu gelangen. Dennoch ist auch die Alltagswirklichkeit dauernd vom Ausbruch von Gewalt bedroht. Man denke nur an die alltäglichen Einbrüche, Taschendiebe und brutalen U-Bahn-Schubsern. Individualität dagegen ergibt sich aus dem schieren Umstand, dass jeder Mensch unvertretbar er selber ist. Martin Heidegger nannte dies mit einem seiner unzähligen Neologismen auf Neudeutsch „Jemeinigkeit“. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Bei der Selbstverteidigung gibt es das Problem der Ungleichheit

Viele der Linken behaupten zwar, an Gewaltlosigkeit zu glauben. Dennoch nehmen sie für die Selbstverteidigung eine Ausnahme in Anspruch. Manche Menschen meinen, dass das eine Selbst verteidigungswürdig ist, das andere aber nicht. Damit stellt sich für Judith Butler das Problem der Ungleichheit, dass sich aus der Rechtfertigung von Gewalt im Dienst der Selbstverteidigung ergibt. Leben zählen in dem Sinn, dass sie in der Sphäre der Erscheinung physisch Gestalt annehmen. Sie zählen auch deswegen, weil sie alle gleich geschätzt werden müssen. Und doch ist die Berufung auf Selbstverteidigung vonseiten derjenigen, die Macht ausüben, allzu oft nichts anderes als die Verteidigung dieser Macht. Gleichzeitig beanspruchen sie damit ihre Vorrechte und die von ihnen vorausgesetzten und geschaffenen Ungleichheiten. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Die menschliche Freiheit ist absolut

Das „Ich“ ist nicht, was es ist. Ger Groot erklärt: „Es steht immer in Distanz zu sich und in Distanz zu der Welt, in der es sich befindet.“ Auf diese Feststellung gründet Jean-Paul Sartre die menschliche Freiheit. Diese ist absolut, nicht deshalb, weil ein Mensch imstande wäre, eine Welt nach seinem eigenen Willen zu schaffen, sondern weil er eine souveräne Deutungshoheit darüber hat, welche Bedeutung die Welt, in der er sich befindet, für ihn hat. Jeder Mensch mag mit allen erdenklichen Eigenschaften zur Welt kommen. Nämlich als Mann oder Frau, mit mehr oder weniger Intelligenz, als Niederländer oder Rumäne. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Außerdem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Die Flut von Informationen betäubt

Anders Indset stellt fest: „Wir sind Gefangene unserer eigenen Freiheit. In einer Flut von scheinbar essenziellen Informationen, die uns „kostenfrei“ zur Verfügung stehen. Wann immer und wo immer wir wollen.“ Ein weiteres Fenster öffnen, und noch eins, man darf ja nichts verpassen. Speichern für später kann man auch, ein Lesezeichen setzen, eine neue Liste erstellen oder sich selbst eine Nachricht für später schicken. Nichts darf untergehen, alles ist heute wichtig. Sogar die traditionellen Medienhäuser haben den „Zugang“ für sich entdeckt. Zugang zu was? … Connected eben. Über fremde Kanäle, als Videoformat versteht sich. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit, mehrere Bildschirme zu verwenden. Unterhaltung und Konsumscreens laufen durch. Wache Zeit heißt für viele User konsumieren und optimieren. Anders Indset, gebürtiger Norweger, ist Philosoph, Publizist und erfolgreicher Unternehmer.

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Der Werterelativismus ist nicht vertretbar

Der Werterelativismus ist für Markus Gabriel inkohärent und damit nicht vertretbar. Was man aus moralischen Gründen tun bzw. unterlassen sollte, kann nicht lediglich Ausdruck einer Gruppenzugehörigkeit sein. Der Wertepluralismus ist als schwächere These etwas besser aufgestellt. Wertepluralismus ist zunächst einmal die harmlose Annahme, dass es verschiedene Wertvorstellungen gibt. Diese kann man nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen, weil sie sich grundlegend widersprechen. Diese Annahme übersieht aber, dass es in der Menschheit in moralischen Fragen eine sehr viel größere Einigkeit gibt, als es den Anschein hat. Gesellschaftliche Pluralität und Multikulturalität führen nicht dazu, dass Menschen verschiedener kultureller Zugehörigkeit in relevanten moralischen Fragen automatisch voneinander abweichen. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Die Geburt ist kein absoluter Anfang

Die Geburt ist die absolute Grenze der Wiedererkennbarkeit. Sie ist die Schwelle, auf der das „Ich“ mit einem anderen verschwimmt. Emanuele Coccia erklärt: „Unmöglich zu sagen, ob der Atem, der uns erlaubt, diese Silbe auszusprechen, wirklich uns gehört. Oder ob er die Fortsetzung des Körpers unserer Mutter ist. Unmöglich zu sagen, ob diese Silbe unseren Körper bezeichnet oder den, aus dem wir gekommen sind.“ Die Geburt ist die Kraft, durch welche die Menschen „ich“ nur sagen können, wenn sie alle Erinnerung verleugnen. Sie müssen vergessen, woher sie kommen. Sie müssen den anderen Körper vergessen, der sie solange beherbergt hat, müssen sich von ihm ent-identifizieren. Emanuele Coccia ist Professor für Philosophiegeschichte an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.

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Zarathustra lehrt den Übermenschen

Zu Beginn des Buches „Also sprach Zarathustra“ steigt Zarathustra nach einer Phase der Meditation und Selbstreinigung von seinem Berg herab. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Er erniedrigt sich im Wortsinn und geht zu den Menschen, um ihnen eine bis heute umstrittene Weisheit mitzugeben.“ Er sagt: „Ich lehre euch den Übermenschen.“ Die Begründung für diese Lehre ist eindeutig: „Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll.“ Und dann, wie stets bei solchen Imperativen, die vorwurfsvolle Zusatzfrage: „Was habt ihr getan, ihn zu überwinden?“ Der Mensch in seiner rezenten Gestalt ist defizitär, ungenügend, etwas, was nicht sein soll. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Markus Gabriel erforscht soziale Tatsachen

Die Sozialontologie untersucht die Frage, worin die Existenz sozialer Tatsachen besteht. Dabei ist die Hauptströmung der Sozialontologie laut Markus Gabriel naturalistisch massiv vorbelastet: „In der Regel wird sie nämlich unter der Auflage eines Verortungsproblems motiviert.“ Die Frage dabei lautet: Wie passen soziale Tatsachen in eine letztlich oder fundamental nicht-soziale Wirklichkeit, die Natur, hinein? Die Natur wird in diesem Rahmen als dasjenige in Anschlag gebracht, was ohne menschliches Zutun vorfindlich ist. Das Soziale wird hingegen nach dem aristotelischen Modell als Menschenwerk aufgefasst. Die gegenwärtige Sozialontologie verdankt sich einer Variante der Frage, ob es metaphysisch irreduzible Elemente des objektiven Geistes gibt. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt

Um eine Zukunft mitzugestalten, in der man gerne leben möchte, sollte man auf die eine oder andere Weise selbst aktiv werden. Das können anfangs durchaus Kleinigkeiten sein. Daniel Goeudevert nennt Beispiele: „Plastik vermeiden, auf die Herkunft seines Essens achten, weniger wegwerfen und Produkte aus nachhaltiger, möglichst lokaler Produktion vorziehen. Daneben sollte man auf unnötige Wege mit dem Pkw verzichten und vieles andere mehr.“ Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt, so zaghaft er auch sein mag. Aber wohin wollen die Menschen? Das ist die entscheidende Frage. Natürlich wird jeder darauf eine eigene Antwort geben. Das ist aber kein Problem, solange die Ziele in die gleiche Richtung weisen. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Ludwig Wittgenstein begründet die Sprachanalyse

Ludwig Wittgenstein bezeichnete man als Albert Einstein der Philosophie des 20. Jahrhunderts. Axel Braig stellt fest: „Sein Denken hat den „linguistic turn“, also die Wende der Philosophie hin zur Sprachanalyse eingeleitet.“ Ludwig Wittgenstein erscheint geradezu als ein Paradebeispiel dafür, welch gewaltige Auswirkungen der Verzicht auf eine Gesamtschau der Welt für einen Einzelnen haben kann. Als der österreichische Offizier Ludwig Wittgenstein 1918 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, befand er sich in einer schweren persönlichen Krise. Drei seiner Brüder hatten in den vorangegangenen Jahren Selbstmord begangen. Und auch er trug sich über Jahre wieder mit ähnlichen Gedanken. Sein Millionenerbe empfand Ludwig Wittgenstein als Belastung, sodass er sich im folgenden Jahr davon radikal trennte. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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