Die Wahrheit bestimmten die Autoritäten

Adam Smith war Teil einer großen intellektuellen Bewegung im späten 18. Jahrhundert, der sogenannten Aufklärung. Diese hat man oft mit der naturwissenschaftlichen Revolution in Verbindung gebracht. Joseph Stiglitz weiß: „Sie beruhte auf Bewegungen, die in den vorangegangenen Jahrhunderten aufgekommen waren, beginnend mit der protestantischen Reformation.“ Vor der Reformation im 16. Jahrhundert, ursprünglich von Martin Luther angestoßen, war die Wahrheit etwas, was nur die Autoritäten bestimmten. Die Reformation stellte die Autorität der katholischen Kirche infrage. Und in einem 30-jährigen Krieg, der um 1618 begann, kämpften die Europäer auch darum, welche der beiden Konfessionen fortan auf dem Kontinent vorherrschen sollte. Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Die Überwachung breitet sich im Alltag aus

Die Suche nach Lösungen der Überwachung und Kontrolle ist nicht nur auf China und die USA beschränkt. Auch in Deutschland springen Geheimdienste und Polizei auf den Zug auf. Damit optimieren sie im Zuge der scheinbaren Terrorbekämpfung ihre Möglichkeiten. In den Achtzigerjahren empörten sich viele Menschen in Deutschland über die Volkszählung und den maschinenlesbaren Personalausweis. Heute sind sie bereit, Techniken der Überwachung in ihrem Alltag zu dulden. Richard David Precht kritisiert: „In vielen kleinen Schritten verschiebt sich damit das Verhältnis von Sicherheit und Freiheit gewaltig.“ Und zwar nicht, weil sich die Bedrohungslage in Deutschland in den letzten Jahren vergrößert hat. Es gibt heute einfach viele technische Möglichkeiten, die es früher nicht gab. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Vielschichtige Trauer verbindet und trennt

Die „Unfähigkeit zu trauern“ ist „den Deutschen“ nach 1945 immer wieder vorgeworfen worden. Für Michael Wolffsohn sind das kollektive und deshalb wertlose Schablonen. Auf der politisch-geschichtlichen Ebene gilt seine Sympathie jenen, die gegen Adolf Hitler Krieg geführt haben und dabei Deutsche, viele, sehr viele unschuldige Deutsche töten mussten. Subjektiv haben auch die unschuldigen Deutschen gelitten, sie wurden geschunden, missbraucht und getötet. Objektiv haben diese Unschuldigen ein verbrecherisches Regime gestützt, das nicht zuletzt die Familie von Michael Wolffsohn und seine jüdischen Glaubensgenossen verfolgte, vernichtete und vergaste. Diese vielschichtige Trauer über die Vergangenheit verbindet Michael Wolffsohn mit den Deutschen, und sie trennt sie zugleich. Prof. Dr. Michael Wolffsohn war von 1981 bis 2012 Professor für Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München.

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Das Leben fließt nie konfliktfrei dahin

Harmonie bedeutet laut Reinhard K. Sprenger nicht Gleichklang, sondern Zusammenklang. Letzteres funktioniert nur bei „Gegenstimmen“. Harmonie ist also ein kluger Umgang mit Gegenstimmen. Befreien muss man sich aber vor allem von der Erwartung, das Leben müsse irgendwie konfliktfrei fließen. Jede Verhandlung im Geschäftsleben ist im Grunde konfliktär. Als Beispiel nennt Reinhard K. Sprenger die Tarifverhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Auch in Projekten und Teams ist Konfliktfreiheit wirklichkeitsfremd. Im Grunde ist jede Veränderung mit Spannung verbunden, weil sie alle jene zum Gegner hat, die aus dem Status quo ihre Vorteile ziehen. Das Bild vom ruhigen Fluss führt also in die Irre. Das Gegenteil ist richtig: Konflikt ist das Normale. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

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Seinem Schatten kann niemand entfliehen

Sein Schatten fordert Zarathustra auf, auf ihn zu warten. Er versucht ihm allerdings davonzulaufen und begründet dies damit, dass „ihn ob des vielen Zudrangs und Gedränges in den Bergen“ „ein plötzlicher Verdruss überkam“. Er besiegelt das Ganze mit dem Ausruf: „Mein Reich ist nicht mehr von dieser Welt, ich brauche neue Berge.“ Christan Niemeyer erläutert: „Dieses Aufbruchsmotiv spielt allerdings in der Folge keine Rolle mehr. Eigentlich nachvollziehbar, denn seinem Schatten kann man nicht entweichen, wie auch Zarathustra bald feststellen muss.“ Plötzlich anhaltend, wird der fast umgeworfen von seinen „Nachfolger und Schatten. Dieser macht im Übrigen keinen guten Eindruck: „so dünn, schwärzlich, und überlebt“, wie er aussah, „wie ein Gespenst“. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Lügen zerstören eine Beziehung

Martin Hartmann definiert Lüge als Behauptung, deren Inhalt der Sprecher für falsch hält. Er stellt sie aber mit der Absicht auf, andere mit Blick auf diesen Inhalt zu täuschen. Es ist relativ leicht zu erkennen, dass Lügen das Vertrauen in einer Beziehung empfindlich stören oder sogar zerstören. Deswegen sagt man oft, die Lüge, wenn sie denn bemerkt wird, markiere das eigentliche Ende des Vertrauens. In manchen Beziehungen kann es jedoch durchaus sinnvoll sein zu lügen oder unaufrichtig zu sein. Aber unter normalen Umständen gehen Menschen davon aus, dass andere die Wahrheit sagen. Martin Hartmann ergänzt: „Wenn jemand uns dauerhaft anlügt, brechen wir in der Regel das Verhältnis zu ihm ab.“ Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Beim Denken sollte die Vernunft herrschen

Das Denken nach Vernunft, die Verantwortlichkeit in Humanität, das Leben im Einklang mit der Natur sollte bei den Menschen im Vordergrund stehen. Denn dann scheint für Paul Kirchhof der Weg zu einer Erneuerung des Gemeinwesens in Freiheit geebnet. Diese Idee fand insbesondere in Frankreich verbreiteten politischen Widerhall. Sie hat aber die Repräsentanten des alten Feudalsystems nicht überzeugt. Paul Kirchhof fügt hinzu: „Ihr Widerstand war entschieden, hat den Erneuerern die Gelassenheit geraubt.“ Sie stürzten sich deshalb in eine Revolution. Diese führte jedoch letztlich zu Terror, Guillotine, Diktatur und Krieg. Die Revolutionäre vernichteten sich dabei weitgehend selbst. Dr. jur. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor distinctus für Staats- und Steuerrecht an der Universität Heidelberg. Als Richter des Bundesverfassungsgerichts hat er an zahlreichen, für die Entwicklung der Rechtskultur der Bundesrepublik Deutschland wesentlichen Entscheidungen mitgewirkt.

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Vertrauen lässt sich nicht erzwingen

Die Frage des Vertrauens ist es, die das aktuelle Geschehen tief durchdringt. Deshalb lautet das Titelthema des neuen Philosophiemagazins 01/2021 auch: „Worauf vertrauen?“ Grundsätzlich lässt sich Vertrauen nicht erzwingen. Es kann nur geschenkt und jederzeit wieder entzogen werden. Chefredakteurin Svenja Flaßpöhler schreibt im Editorial: „Wer das Vertrauen eines Menschen missbraucht, läuft Gefahr, es für immer zu verlieren.“ Das Wesen des Vertrauens liegt jedoch darin, dass es keine feste Basis hat. Es ist gerade die Freiheit, die es überhaupt erst ermöglicht und beginnt erst da, wo die eigene Verfügungsgewalt aufhört. Freiheit und Vertrauen bedingen sich also gegenseitig. Worauf vertrauen? In der Antwort offenbart sich, wer man ist und wer man sein will. Denn ohne Vertrauen in die Selbstdisziplin der anderen wären moderne Gesellschaften in ihrer extremen Komplexität undenkbar.

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Ein erfülltes Leben ist möglich

Der Soziologe Hartmut Rosa beschäftigt sich mit der Frage, was man für ein erfülltes Leben braucht. Diese Frage, so Hartmut Rosa, sei konsequent in die Sphäre des Privaten verdrängt worden. Im gesellschaftlichen Diskurs sei sie beinahe völlig tabuisiert und damit entpolitisiert worden. Dirk Steffens und Fritz Habekuss ergänzen: „Die Suche danach, was glücklich macht, konzentriert sich folglich vor allem auf das Streben nach mehr Wohlstand.“ Zwischen einem gelingenden Leben und Geld existiert zwar wirklich ein Zusammenhang. Aber die Kurven des Glücks und des Wohlstands trennen sich bereits auf recht niedrigem Niveau. Denn dann müsste ja jeder, der einen Job, eine Wohnung, genug zu essen und obendrein noch Mittel für Auto und Urlaub hat, immer völlig glücklich sein. Hartmut Rosas These ist, dass es im Leben darum geht, wie man die Welt erfährt und wie man zu ihr Stellung nimmt.

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Die Kommunikation ist extrem schnell geworden

Ein Klima der Kälte, Härte und Strenge schafft effiziente Apparate und Programme für die maximale Optimierung von Ressourcen. Dabei entsteht eine perfekte rationale Ordnung von Raum und Zeit. Diese ist verbunden mit extrem schnellen Formen der Kommunikation. Isabella Guanzini kritisierte: „Doch dies garantiert keine menschenwürdige Situation für die Beteiligten und auch keinen gemeinsamen Horizont, in dem man einen Sinn fürs Leben und für das Zusammenleben finden könnte.“ Die jüngeren Generationen erleben hautnah die Kluft zwischen Zweckrationalität und symbolischer Verantwortung. Diese wird in dieser Rationalität so gut wie systematisch annulliert. Die Wegscheide nimmt der Einzelne im Innersten wahr, auch wenn er dies nicht oft zum Ausdruck bringt. Die Überproduktion von Sprachen und Strategien der Kommunikation dient der Werbung und dem Marketing der Dinge und Informationen. Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz.

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Werte müssen immer neu verhandelt werden

Viele Menschen glauben, es gäbe ein Allheilmittel für oder eigentlich gegen die Pluralisierung. Isolde Charim erläutert: „Mehr noch als die Leitkultur aber mit dieser eng verwoben ist das neueste Kaninchen aus dem Allheilmittel-Hut, die Werte.“ „Unsere“ Werte. Bisher führte die Bildung das Ranking der Allheilmittel an. Nun sind es die Werte. Wobei diese Diskussion meist unterstellt, diese „unsere“ Werte seien ein fixer Katalog, ein feststehender Kanon – und nicht etwas, das immer wieder neu verhandelt wird und werden muss. Dabei unterschlägt diese Diskussion einen zentralen Wert der Demokratie: die Verhandelbarkeit selbst. Die Möglichkeit also, ebenjene Werte immer wieder zu verhandeln und damit umzuschreiben. Die Debatte um die Werte dreht sich immer um das Akzeptieren der Grundwerte. Die Philosophin Isolde Charim arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der „taz“ und der „Wiener Zeitung“.

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Die Menschheit zerstört ihre Lebensgrundlage

Das Thema, um das sich in der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins alles dreht, ist die Klimakrise. Dass die Erde sich erhitzt, wissen Menschen, die ihren Verstand gebrauchen schon lange. Was aber bei Catherine Newmark, der Chefredakteurin des Sonderhefts offene Fragen hinterlässt, ist folgendes: „Dass aus diesem Wissen allerdings seit Jahrzehnten kein Handeln folg, dass wir anscheinend nicht fähig oder willig sind, etwas an unserem Verhalten zu ändern oder global zu kooperieren, ist ein mehr als mehr als irritierender Befund.“ Extrem schwer fällt es der Menschheit, die Rechte anderer Spezies oder gar der Natur oder des Planeten als Fragen in ihr Denken miteinzubeziehen. Denn ihr Naturverhältnis konzentriert sich seit Jahrhunderten vor allem darauf, die Natur nutzbar zu machen und sich ihre Bedrohlichkeit mittels Technik vom Leib zu halten.

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Ohne Wahrheit gibt es kein Vertrauen

Kann es sein, dass viele Menschen niemandem mehr vertrauen, weil sie niemandem Aufrichtigkeit unterstellen? Weil sie annehmen, fast jeder belüge sie? Martin Hartmann weiß: „Wenn es keine Wahrheit gibt, kann es kein Vertrauen geben – das ist ein häufig hergestellter Zusammenhang. Ebenso üblich ist es, einen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Aufrichtigkeit herzustellen.“ Die meisten Menschen vertrauen denen, von denen sie glauben, dass sie aufrichtig sagen, was sie denken oder beabsichtigen. Sie vertrauen jenen nicht, die sie anlügen, täuschen oder die unwahrhaftig sind. Wenn sie doch jemandem Vertrauen schenken, der sie anlügt, kann das ein Unglück sein. All diese Zusammenhänge sind in Wirklichkeit viel komplizierter, als man es gemeinhin annimmt. Martin Hartmann ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Luzern.

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Die Liebe beginnt gleichsam in der Nacht

Wie beginnt die Liebe? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da man schon verliebt ist, bevor man davon weiß. Peter Trawny erläutert: „Liebe beginnt gleichsam in der Nacht, in der Unbemerktes geschieht. Dann wird es langsam hell, und wir sehen, was geschah.“ Allerdings gibt es einen zweiten, anderen Anfang. Er besteht darin, die Liebe zu sagen. Und sie muss gesagt werden, weil sich Liebe auch in der Sprache, im Sprechen ereignet. „Ich liebe Dich!“ – Ich schreibe, sagt der Satz und bemerkt, dass man ihn schon oft geschrieben und gesagt hat. So, ohne eine Angesprochene, wirkt er fad, nichtssagend. Der französische Philosoph Roland Barthes hatte recht, dass „der einzige Höhenflug des „ich liebe Dich“ die Anrede, die Erweiterung durch einen Vornamen“ sei. Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Der Weise besitzt alles im Geist

Es sind die Begierden, sagt Seneca, die viele Menschen ständig nähren und anfeuern. Über diese können sie nicht Herr werden, weil sie deren Sklaven und Leibeigene sind. Ihnen muss man Einhalt gebieten. Der Weise dagegen begehrt nichts, weil alles in ihm ist. So besitzt der Weise im Geiste alles. Selbstgenügsamkeit ist der Zustand, in dem man nichts von außen zu seinem Glück braucht und daher auch nichts begehrt. Albert Kitzler erläutert: „In unserem Wissen und unseren Vorstellungen ist alles vorhanden, was zu unserem eigentlichen Sein gehört: die inneren Werte.“ Äußerlichkeiten sind nur Zugaben, die der Weise wie jeder Mensch willkommen heißt und genießt. Er vermisst sie jedoch nicht, wenn sie ausbleiben. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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Wolfgang Schmidbauer weiß mit dem Mangel zu leben

Es gibt Menschen, die eine Sache schon beim kleinsten Mangel ablehnen. Mit solch einer Haltung zeigt man nur, dass man nichts verstanden hat. Wolfgang Schmidbauer weiß: „Die Reparatur ist ein unterschätzter Teil der Lebenskunst. Diese Einsicht ist vor allem in japanischen Traditionen verankert.“ Dafür stehen zwei Begriffe: „Wabi“ und „Sabi“. Ursprünglich bedeutete Wabi Armut und Rückzug in die Einsamkeit und ein bescheidenes Leben in der Natur. Sabi war gleichbedeutend mit verwelkt und gealtert. Die Begriffe wurden aber schon seit dem 14. Jahrhundert positiv besetzt. Gegen die laute, prunkvolle, perfektionistische Ästhetik einer dominanten Kultur wurden Wabi und Sabi zur Suche nach Schönheit an überraschender Stelle. Gefunden wird sie beispielsweise im Löwenzahn in einer Pflasterfuge oder in einer Flechte auf einem Felsen. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer ist Autor zahlreicher Fach- und Sachbücher, die sich millionenfach verkauften.

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Allein die Suche nach dem Sinn des Lebens ist sinnvoll

In welcher Richtung soll man den Sinn des Lebens suchen, der so viel gepriesen wird? Ulrich Schnabel antwortet: „Schon allein die Suche nach einem persönlichen Sinn kann als sinnvoll erlebt werden.“ Denn es kommt seiner Meinung nach eher auf die Richtung an als auf das Erreichen eines Ziels. Sich die Lebensfrage nach dem Sinn zu stellen, bringt einen bereits auf die richtige Spur. Auch wenn das anfangs mühsam oder gar frustrierend erscheint. Allerdings ist es nicht so, dass man den Sinn irgendwann findet, wo wie man etwa einen Goldklumpen entdeckt. Es wäre ein Missverständnis zu glauben, dass da draußen irgendwo der passenden Lebenssinn wartet und man ihn nur aufspüren müsste. Ulrich Schnabel ist seit über 25 Jahren Wissenschaftsredakteur bei der ZEIT.

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Den Menschen zeichnet ein Selbstinteresse aus

Der Mensch hat gleich mehrere Formeln zu seiner Selbstbeschreibung in Umlauf gebracht. Das kann man als Folge der Vielfalt seiner Fähigkeiten und Merkmale ansehen. Volker Gerhardt stellt fest: „Es ist gewiss aber auch Ausdruck seines vermutlich schon vor der klassischen Antike auf sich selbst gerichteten Interesses.“ Die Begriffe sind wie Spiegel, in denen der Mensch sich seiner Wirkung auf sich selbst zu versichern sucht. In den aus älteren Zeiten überlieferten Texten macht das Selbstinteresse den Umweg über die Widergabe von Geschichten. In denen haben sich Menschen zu bewähren. Es geht um Kämpfe mit Ungeheuern und todbringenden Feinden sowie um Berichte über Triumphe und Niederlagen. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Wissen war mit einem Erlebnis verbunden

Wissen ist eine Ressource der Klugheit. Das Wissen, das man sich angeeignet hat, dient dazu innere Bilder und äußere Eindrücke zu sichten und Schlussfolgerungen zu ziehen. Um kluge Schlüsse zu ziehen, muss der Mensch sein Wissen verinnerlichen. Die mündliche Überlieferung von Wissen war und ist hierbei wahrscheinlich von Vorteil. Allan Guggenbühl erklärt: „Das Wissen wurde memoriert und in eindrücklichen, wenn auch möglicherweise langweiligen Zeremonien weitergegeben. Folge war, dass sich die Menschen viel Wissen aneigneten. Sie kannten die Sprüche und Bilder auswendig, sodass sie beim Denken spontan auf sie zurückgreifen konnten.“ Ein weiterer Vorteil der mündlichen Vermittlung war, dass Wissen mit einem Erlebnis verbunden war. Allan Guggenbühl ist seit 2002 Professor an der Pädagogischen Hochschule Zürich tätig. Außerdem fungiert er als Direktor des Instituts für Konfliktmanagement in Zürich.

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Die Wahrhaftigkeit strebt nach der Wahrheit

Mit dem Wert von eigenständigem Denken ist unmittelbar das Prinzip der Wahrheit verbunden. Die Wahrheit steht in einem engen Zusammenhang mit der Wahrhaftigkeit einer Person, zumal wenn diese ihre Treue gelobt. Silvio Vietta erläutert: „Wahrhaftigkeit ist eine Denkhaltung, die das Streben nach Wahrheit beinhaltet.“ Umgangssprachlich benutzt man den Begriff „wahr“ im Sinne einer Aussage in Bezug auf einen Sachverhalt. Man erwartet von wahren Sätzen, dass sie dem Sachverhalt entsprechen. Wer diese Erwartung bewusst täuscht, der lügt. Und mit Lügen kann man Menschen sogar in den Tod treiben. Schon in der frühgriechischen Philosophie taucht schon der Gegensatz zwischen „Schein und „wahrem Sein“ auf. Prof. em. Dr. Silvio Vietta hat an der Universität Hildesheim deutsche und europäische Literatur- und Kulturgeschichte gelehrt.

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Die Menschen waren das „Andere der Natur“

Es ist für Richard David Precht faszinierend zu sehen, wie das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) die Philosophie zwingt, den Menschen ganz neu zu sehen. Oder wie es der amerikanische Nobelpreisträger Herbert A. Simon bereits 1977 formulierte: „Die wahrscheinlich wichtigste Frage über den Computer ist, was er mit dem menschliche Selbstverständnis und seinem Platz im Universum getan hat und weiterhin tun wird.“ Zweieinhalbtausend Jahre lang waren die Menschen der westlichen Kultur ihrem Selbstverständnis nach das „Andere der Natur“. Beseelt vom göttlichen Logos, der ihnen Vernunft, Urteilsfähigkeit und Sprache schenkte, setzten sie sich die Pflanzen und Tiere als das Triviale entgegen. Der Logos schenkte ihnen die Teilhabe an einer höheren Sphäre des Seins. Diese ist größer als der Mensch selbst. Der Philosoph, Publizist und Autor Richard David Precht zählt zu den profiliertesten Intellektuellen im deutschsprachigen Raum.

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Immanuel Kants Ethik ist normativ

Der „kategorische Imperativ“ von Immanuel Kant (1724 – 1804) ist wie eine innere Richtschnur, die das eigene Verhalten und Handeln auf seine Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit auslotet. Seine Schrift „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785) zitiert man dazu immer wieder. Der gesamte Text umfasst 60 Seiten. Klaus-Peter Hufer stellt mit gebotener Vorsicht den Kern dar: „Kants Ethik ist normativ, das heißt, sie gibt eine Richtschnur vor, eine Regel, einen Maßstab.“ Dieser Maßstab für das Handeln ist bei Immanuel Kant „allein ein guter Wille“. „Talente“ und „Temperaments“ sind zwar zweifelsohne wünschenswert, „aber sie können auch äußerst schädlich und böse werden“. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Das höchste Gut ist die Vernunft

„Keine Freude ohne Vernunft, keine Vernunft ohne Freude“ lautete einer der Hauptlehrsätze des Philosophen Epikur. Dieser lebte von 341 bis 271/79 v. Chr. Mit 35 Jahren gründete er seine Schule in Athen. Sie hieß Kepos, was auf Griechisch Garten heißt. Wasser und Brot im Überfluss soll eine Torinschrift seinen Schülern verheißen haben. Von Epikurs mehr als 300 Büchern sind nur drei Briefe erhalten. Dass man heute überhaupt Kunde von ihm hat, ist zwei Römern aus dem letzten vorchristlichen Jahrhundert zu danken: Cicero und Lukrez. Überliefert ist dabei auch folgender Lehrsatz: „Von allen Gütern, die die Weisheit sich zur Glückseligkeit des ganzen Lebens zu verschaffen weiß, ist bei weitem das größte die Fähigkeit, sich Freunde zu erwerben.“

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Das Leiden gehört zum Leben dazu

Wenn das Leben einen Sinn hat, dann muss auch das Leiden einen Sinn haben. Zum Leiden gehört nun die Krankheit dazu. Denn Leiden und Krankheit sind für Viktor Frankl nicht dasselbe. Der Mensch kann leiden, ohne krank zu sein. Und er kann krank sein, ohne zu leiden. Das Leiden ist eine schlechthin menschliche Angelegenheit. Es gehört zum menschlichen Leben irgendwie schon dazu, dass unter Umständen gerade das Nichtleiden eine Krankheit sein kann. Viktor Frankl erklärt: „Das sehen wir namentlich im Falle jener Krankheiten, die man gemeiniglich als Geisteskrankheiten bezeichnet und die trotzdem nichts weniger sind als Krankheiten des Geistes.“ Viktor E. Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien und 25 Jahre lang Vorstand der Wiener Neurologischen Poliklinik. Er begründete die Logotherapie, die auch Existenzanalyse genannt wird.

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Weisheit ist Denken und Handeln

„Etwas lernen und sich immer wieder darin üben – schafft das nicht Freude?“ Mit diesem Satz beginnen die berühmten „Gespräche“ des Konfuzius. Albert Kitzler meint, dass in diesen Worten sein ganzes Bildungsprogramm enthalten ist: „Sie bringen auf den Punkt, was Weisheit ist und wodurch sie sich von der theoretischen Philosophie unterscheidet: Weisheit ist Denken und Handeln.“ Nur wo diese beiden Aspekte zusammenkommen, kann von Weisheit gesprochen werden. Wer viel weiß, ist nicht weise solange er nicht vermag, dieses Wissen in Lebenspraxis umzusetzen. Aber noch mehr steckt in diesen Worten. Konfuzius spricht von „üben“. Weisheit ist eine ständige Übung, ein Weg der Bildung und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit durch Praktizieren. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

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