Die Kommunikation übers Smartphone ist körperlos

In der digitalen Kommunikation fällt auch die Anrede häufig weg. Man ruft den Anderen nicht eigens an. Byung-Chul Han fügt hinzu: „Wir schreiben lieber Text-Nachrichten als anzurufen, denn schriftlich sind wir dem Anderen weniger ausgeliefert. So verschwindet der Andere als Stimme.“ Die Kommunikation übers Smartphone ist eine entkörperlichte und blicklose Kommunikation. Dagegen hat die Gemeinschaft eine körperliche Dimension. Schon aufgrund fehlender Körperlichkeit schwächt die digitale Kommunikation die Gemeinschaft. Die Digitalisierung bringt den „Anderen als Blick“ zum Verschwinden. Die Abwesenheit des Blicks ist mitverantwortlich für den Verlust der Empathie im digitalen Zeitalter. Bereits beim Kleinkind verwehrt man den Blick dadurch, dass die Bezugsperson aufs Smartphone starrt. Gerade im Blick der Mutter findet das Kleinkind normalerweise Halt, Selbstbestätigung und Gemeinschaft. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Das Smartphone forciert die Bildwerdung der Welt

Der Blick baut das Urvertrauen auf. Der fehlende Blick führt zum gestörten Verhältnis zu sich und zum Anderen. Das Smartphone unterscheidet sich dadurch vom konventionellen Handy, dass es nicht nur ein Telefon, sondern in erster Linie ein Bild- und Informationsmedium ist. Die Welt ist erst in dem Moment ganz verfüg- und konsumierbar, in dem sie sich zum Bild verwandelt. Sich über etwas ins Bild setzen heißt: das Seiende selbst in dem, wie es mit ihm steht, vor sich stellen und es als so gestelltes ständig vor sich haben.

Byung-Chul Han erläutert: „Das Smartphone stellt die Welt, das heißt, wird ihrer habhaft, indem es sie als Bilder herstellt. Kamera und Bildschirm entwickeln sich deshalb zu zentralen Elementen des Smartphones, weil sie die Bildwerdung der Welt forcieren.“ Digitale Bilder verwandeln die Welt in verfügbare Informationen. Das Smartphone ist ein „Ge-Stell“ im Sinne von Martin Heidegger. Dieses vereinigt als Wesen der Technik alle Formen des verfügbar machenden Stellens wie Bestellen, Vorstellen oder Herstellen in sich.

Das Smartphone nimmt der Wirklichkeit den Widerstandscharakter

Der nächste zivilisatorische Schritt geht über die Bildwerdung der Welt hinaus. Er besteht darin, die Welt aus Bildern, nämlich eine hyperreale Wirklichkeit herzustellen. Die Welt besteht aus Dingen als Objekten. Das Wort Objekt geht auf das lateinische Verb „obicere“ zurück, das entgegenstellen, entgegenwerfen oder einwenden bedeutet. Ihm wohnt die Negativität des Widerstandes inne. Das Objekt ist ursprünglich etwas, das sich gegen mich wendet, das sich mir entgegenstellt und widersetzt.

Digitale Objekte haben nicht die Negativität des obicere. Byung-Chul Han erklärt: „Das Smartphone ist deshalb smart, weil es der Wirklichkeit den Widerstandscharakter nimmt. Schon seine glatte Oberfläche vermittelt ein Gefühl des fehlenden Widerstandes.“ Auf seinem glatten Touchscreen erscheint alles handzahm und gefällig. Mit einem Klick oder Fingertipp ist alles verfügbar und erreichbar. Mit seiner glatten Oberfläche fungiert es wie ein digitaler Handschmeichler, der dem Benutzer permanent ein „Gefällt-mir“ entlockt. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar