Der an den Dingen interessierte Mensch der Zukunft ist kein Arbeiter, sondern ein Spieler. Byung-Chul Han erklärt: „Er braucht die Widerstände der materiellen Wirklichkeit nicht mühsam durch Arbeit überwinden. Die von ihm programmierten Apparate übernehmen die Arbeit.“ Die künftigen Menschen sind handlos. Er behandelt keine Dinge mehr, und darum kann man bei ihm nicht mehr von Handlungen sprechen. Die Hand ist das Organ der Arbeit und Handlung. Der Finger hingegen ist das Organ der Wahl. Der handlose Mensch der Zukunft macht nur von seinen Fingern Gebrauch. Er wählt, statt zu handeln. Er drückt auf Tasten, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Sein Leben ist kein Drama, das ihm Handlungen aufnötigt, sondern ein Spiel. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Arbeit ist eine Unterhaltung
Der handlose Mensch will auch nichts besitzen, sondern erleben und genießen. Er kommt jenem Phono sapiens nahe, der auf seinem Smartphone herumfingert. Das Smartphone ist seine Spielwiese. Verlockend ist die Idee, dass der künftige Mensch nur noch spielt und genießt, das heißt ganz ohne „Sorge“ ist. Sollte man den spielenden Phono sapiens willkommen heißen? Friedrich Nietzsches „letzter Mensch“ nimmt ihn bereits vorweg: „Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung […] Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.“
Byung-Chul Han erläutert: „Der Phono sapiens, der nur erleben, genießen und spielen will, verabschiedet sich von jener Freiheit im Sinne von Hannah Arendt, die an die Handlung gebunden ist.“ Wer handelt, bricht mit dem Bestehenden und setzt etwas Neues, etwas ganz anderes in die Welt. Dabei muss er einen Widerstand überwinden. Das Spiel hingegen greift in die Wirklichkeit nicht ein. Handeln ist ein Verb für die Geschichte. Der spielende handlose Mensch der Zukunft verkörpert das Ende der Geschichte.
Der handlose Mensch handelt nicht
Jedes Zeitalter definiert die Freiheit anders. In der Antike bedeutete die Freiheit, dass man ein freier Mensch, das heißt kein Sklave ist. In der Moderne wird die Freiheit zur Autonomie des Subjekts verinnerlicht. Sie ist die Freiheit der Handlung. Heute sinkt die Handlungsfreiheit zur Wahl- und Konsumfreiheit herab. Der handlose Mensch der Zukunft gibt sich einer „Fingerspitzenfreiheit“ hin. Die verfügbaren Tasten sind so zahlreich, dass seine Fingerspitzen nie alle berühren können.
Die Fingerspitzenfreiheit erweist sich als eine Illusion. Byung-Chun Han weiß: „Die freie Wahl ist in Wirklichkeit eine konsumistische Auswahl. Der handlose Mensch der Zukunft hat keine wirklich andere Wahl, denn er handelt nicht.“ Er lebt in der Nachgeschichte. Ihm fällt nicht einmal auf, dass er keine Hand hat. Nur die Hand ist fähig zur Wahl, zur Freiheit als Handlung. Die vollkommene Herrschaft ist jene, in der alle Menschen nur noch spielen. Grundeinkommen und Computerspiele sind die moderne Version von „panem et circenses“. Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han
Von Hans Klumbies