Big Data begreift seine Ergebnisse nicht

Big Data stellt ein rudimentäres Wissen zur Verfügung. Es bleibt auf Korrelationen und Mustererkennungen beschränkt, in denen jedoch nichts begriffen wird. Der Begriff bildet eine Ganzheit, die ihre Momente in sich einschließt und einbegreift. Byung-Chul Han erklärt: „Die Ganzheit ist eine Schlussform. Der Begriff ist ein Schluss. Alles Vernünftige ist ein Schluss. Big Data ist additiv. Das Additive bildet keine Ganzheit, keinen Schluss. Ihm fehlt der Begriff, nämlich der Griff, der Teile zu einer Ganzheit zusammenschließt.“ Künstliche Intelligenz erreicht nie die Begriffsebene des Wissens. Sie begreift nicht die Ergebnisse, die sich berechnet. Das Rechnen unterscheidet sich vom Denken dadurch, dass es sich keine Begriffe bildet und nicht von einem Schluss zum nächsten voranschreitet. Die Bücher des Philosophen Byung-Chul Han wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Das menschliche Denken erhellt und lichtet die Welt

Die Künstliche Intelligenz lernt aus der Vergangenheit. Die vor ihr errechnete Zukunft ist keine Zukunft im eigentlichen Sinne. Sie ist ereignisblind. Byung-Chul Han betont: „Das Denken aber hat einen Ereignischarakter. Es setzt etwas ganz anderes in die Welt. Künstlicher Intelligenz fehlt gerade die Negativität des Bruchs, die Neues im empathischen Sinne beginnen lässt.“ Sie setzt letztlich das Gleiche fort. Intelligenz bedeutet wählen zwischen. Die Künstliche Intelligenz trifft nur eine Wahl zwischen im Voraus gegebenen Optionen, letztlich zwischen eins und null.

Das Denken im empathischen Sinn bringt eine neue Welt hervor. Es ist unterwegs zum ganz Anderen, zum Anderswo. Bei der Maschinenintelligenz besitzen Informationen und Daten keine Tiefe. Byung-Chul Han erläutert: „Das menschliche Denken ist mehr als Rechnen und Problemlösung. Es erhellt und lichtet die Welt.“ Von der maschinellen Intelligenz geht vor allem die Gefahr aus, dass das menschliche Denken sich ihr angleicht und selbst maschinell wird.

Bei Platon gehen Logos und Eros eine innige Beziehung ein

Das Denken nährt sich vom Eros. Byung-Chul Han weiß: „Bei Platon gehen Logos und Eros eine innige Beziehung ein. Der Eros ist die Möglichkeitsbedingung für das Denken. Auch Martin Heidegger folgt darin Platon.“ Auf dem Weg zum Unbegangenen wird das Denken vom Eros beflügelt. Martin Heidegger schreibt: „Ich nenne es den Eros, den ältesten der Götter nach dem Wort des Parmenides. Der Flügelschlag jenes Gottes berührt mich jedes Mal, wenn ich im Denken einen wesentlichen Schritt tue und mich ins Unbegangene wage.“

Das Rechnen ist ohne Eros. Daten und Informationen verführen nicht. Gilles Deleuze zufolge hebt die Philosophie mit einem „Faire l´idiot“ – sich zum Idioten machen – an. Byung-Chul Han schreibt: „Nicht Intelligenz, sondern ein Idiotismus zeichnet das Denken aus. Jeder Philosoph, der ein neues Idiom, ein neues Denken, eine neue Sprache hervorbringt, ist ein Idiot. Er verabschiedet sich von allem, was gewesen ist. Er bewohnt jene jungfräuliche, noch unbeschriebene Immanenzebene des Denkens.“ Quelle: „Undinge“ von Byung-Chul Han

Von Hans Klumbies