Cicero war einer der bedeutendsten Redner der Antike

Der bei weitem wichtigste Vermittler griechischen Denkens in Rom war der Redner und Philosoph Marcus Tullius Cicero (105 – 43 v. Chr.), als Staatsmann und Theoretiker ein leidenschaftlicher Verteidiger der untergehenden Republik. Bernd Roeck fügt hinzu: „Cicero war nicht nur einer der bedeutendsten Redner der Antike, sondern zugleich einer der brillantesten Stilisten lateinischer Sprache. Die technische Seite des Diskutierens, die Form der Rede und des Schreibens, gewann in seinen Schriften überragende Bedeutung.“ Als junger Mann war Cicero in Athen bei dem Platoniker Antiochos von Askalon in die Schule gegangen. Hier hatte er die Lehren der Akademie kennengelernt. Sie befand sich in einem Gymnasium nahe der Akropolis. Bernd Roeck ist seit 1999 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Zürich und einer der besten Kenner der europäischen Renaissance.

Dogmatismus bedeutet Anmaßung und Missachtung der Wahrheit des anderen

Cicero verstand es, sich in die Philosophie des griechischen Volkes einzufühlen, das zu seiner Zeit längst zur römischen Ökumene gehörte. Bei aller Eitelkeit, die ihm eigen war, pflegte er in seinen Werken die Zurückhaltung eines Mannes, der weiß, dass es häufig zwei Wahrheiten gibt und noch öfter gar keine. Gegen alle ihrer selbst gewissen Philosophen, die feste Lehrmeinungen vertraten und dem Zweifel keinen Raum ließen, wandte er ein, Dogmatismus bedeute Anmaßung und Missachtung der Wahrheit des anderen.

So versuchte Cicero, den großen philosophischen Strömungen gerecht zu werden, ihnen die vernünftig erscheinenden Ideen zu entnehmen und sich daraus seine eigene Philosophie zurechtzulegen. Bernd Roeck erläutert: „Neben den Peripatetikern, Epikur und der Stoa lieferte vor allem Platon Anregungen. Selbst einen antiken Verteidiger des Christentums, Minucius Felix, beeinflusste Ciceros gelassene Art, die Dinge zu diskutieren und den Widerpart zu respektieren.“ Man versteht, dass Cicero, der kluge Mann der Mitte, bis in die Neuzeit Bewunderung hervorrief.

Jede Renaissance schaut zugleich zurück und nach vorne

Roms Historiker lernten ebenfalls viel von ihren hellenischen Kollegen. Schon der erste Geschichtsschreiber Roms, Quintus Fabius Pictor, schrieb auf Griechisch. Sallust gewann seine stilistischen Maßstäbe bei Thukydides, denen Tacitus, der bedeutendste römische Historiker, ebenso verpflichtet war wie Lukian von Samosata. Die wohl erste Renaissance der europäischen Geschichte war die von Kleinasien ausgehende „zweite Sophistik“ zwischen etwa 60 und 230 n. Chr. Sie pflegte Rhetorik als öffentliche Schau.

Auch nährte sie Skepsis wie ihr Vorbild, führten viele ihrer Vertreter doch die Doppelseitigkeit manch keck vorgetragener Behauptung vor Augen. Wie üblich beim Blick in tiefe Vergangenheit hatte sie doch auch eine romantische Note. Aber sie schaute wie jede Renaissance zurück und nach vorne zugleich. Eine ihrer wichtigsten Repräsentanten war wiederum Lukian. Über 80 Werke von ihm blieben erhalten, darunter als populärstes das „Narrenschiff“. Seine über Jahrhunderte einflussreichen „Totengespräche“ bieten imaginäre Unterredungen von Göttern, Philosophen, Feldherrn und Helden. Quelle: „Der Morgen der Welt“ von Bernd Roeck

Von Hans Klumbies