Politik ist ein zweischneidiges Schwert

Politik ist ein heikler Begriff. Manche verbinden damit abstoßende korrupte Machenschaften von Politikern. Für andere beschwört er Chancen herauf – die Möglichkeit, gemeinsam etwas zu erreichen, was niemand allein bewerkstelligen kann. Oder vielleicht stimmt beides. Ben Ansell stellt fest: „Politik bedeutet zunächst einmal die Art, wie wir kollektive Entscheidungen treffen. Die Art, wie wir in einer unsicheren Welt gegenseitige Verpflichtungen eingehen. Und Politik ist für die Lösung unserer Dilemmata von Klimawandel bis Bürgerkrieg, von globaler Armut bis zur Corona-Pandemie von wesentlicher Bedeutung.“ Doch Politik ist ein zweischneidiges Schwert: Sie verspricht nicht nur, unsere Probleme zu lösen, sie schafft auch neue. Die Gesellschaft braucht sie, aber oft verabscheuen die Bürger sie auch. Ben Ansell ist Professor für Politikwissenschaften am Nuffield College der Universität Oxford.

Politik ist stets präsent

Menschen suchen nach Alternativen: leistungsfähigen Märkten, technologischem Fortschritt, starken oder moralisch integren Führungspersönlichkeiten, die etwas bewirken können. Ben Ansell ergänzt: „Doch ohne Politik sind sie falsche Götter, denn jede technologische Sofortlösung, jeder perfekt gestaltete Markt, jede rechtschaffende Führungspersönlichkeit, die „für das Volk“ spricht, wird auf uns Menschen und unsere Neigung zu Uneinigkeit, Widerspruch und Fehlverhalten treffen.“ Politik ist auch die Art und Weise, wie man mit den unausbleibenden Meinungsverschiedenheiten umgeht.

Die Bürger können Politik nicht vermeiden oder sich wegwünschen. Wahlen haben Gewinner und damit auch Verlierer. In einer ungleichen Welt müssen manche Menschen mehr aufbringen als andere. Ben Ansell fügt hinzu: „Über eine Polizei und Armee zu verfügen, die uns schützen, wirft die simple Frage auf, wer uns vor ihnen schützt. Wenn wir versuchen, die Politik in einem Bereich außen vor zu lassen, taucht sie anderswo wieder auf.“ Sie ist stets präsent und widersteht dem Versuch, sie zu ignorieren oder zu verdrängen.

Nur die Hälfte der Weltbevölkerung lebt derzeit in Demokratien

Ob man Politik verabscheut oder wertschätzt, die Bürger sind auf sie angewiesen, wenn sie außerhalb ihrer eigenen kleinen Welt etwas erreichen wollen. Ben Ansell erklärt: „Die meisten Menschen sind sich – egal wie gegensätzlich wir oberflächlich betrachtet zu sein scheinen – in einigen Dingen einig.“ Dabei handelt es sich um Dinge, die bei der Bewältigung der existenziellen Herausforderung wie dem Klimawandel eine zentrale Rolle spielen. Dinge, die auch eine Reihe von Fallen bereithalten, die man vermeiden muss.

Die Demokratie ist ein umstrittenes Modell, keine Frage. Ben Ansell betrachtet sie als das Recht und die Möglichkeit einer breiten Öffentlichkeit, ihre Führung zu wählen und sie wieder abzusetzen. Nur etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt derzeit in Ländern, die grob gefasst „demokratisch“ sind. Dennoch ist die Idee für viele Menschen attraktiv, unter anderem für jene, die in autoritär geführten Staaten ausharren müssen. Die Herrschaft des Volkes durch das Volk, vielleicht sogar für das Volk, bleibt dort eine verlockende Vorstellung. Quelle: „Warum Politik so oft versagt“ von Ben Ansell

Von Hans Klumbies