Menschen wollen ihr Leben bewerten

Von Albert Camus stammt folgender Satz: „Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heißt auf die Grundfrage der Philosophie antworten.“ Dabei handelt es sich um eine Frage, die alle Menschen jederzeit angeht. Für Barbara Schmitz gehört sie zu den Grundfragen des Menschen. Sie ist ein Ausdruck dessen, dass Menschen ihr Leben nicht nur leben, sondern auch bewerten wollen und können. Und sie ist somit ein Teil der menschlichen Selbstreflexion. Barbara Schmitz vermutet, dass diese Frage jedem Menschen irgendwann in seinem Leben so begegnet und ihn zu einer Antwort herausfordert. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

Ist ein Leben mit Trisomie 21 lebenswert?

Die Frage kann das eigene Leben oder das Leben eines Angehörigen oder Freundes betreffen. Auch medizinisches Personal oder Juristen sind damit konfrontiert. Die Frage kann am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Lebens auftauchen. Barbara Schmitz weiß: „Am Anfang eines Lebens ist die Frage meist mit schwerwiegenden ethischen Entscheidungen verbunden. Eltern von Neugeborenen, die eine Abweichung von der Norm aufweisen, sehen sich nicht selten mit medizinischen Diagnosen konfrontiert, die diese Frage unmittelbar aufwerfen.“

Durch pränatale Untersuchungen kann man eine Diagnose häufig bereits während der Schwangerschaft stellen. Bei der Diagnose Trisomie 21 oder Muskeldystrophie stellt sich die Frage: Wird das zu erwartende Kind ein lebenswertes Leben haben. Für die Fortführung der Schwangerschaft wird die Beantwortung dieser Frage nicht das einzige Kriterium sein. Aber sie wird sicherlich immer eine zentrale Rolle spielen. Entscheidungen über den Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer embryopathischen Indikation sind in der Schweiz und in Deutschland Alltag.

Die allermeisten Behinderungen entstehen im Laufe des Lebens

In beiden Ländern werden beispielsweise circa 90 Prozent aller Schwangerschaften mit der Diagnose Trisomie 21 abgebrochen. Daraus ergibt sich für Barbara Schmitz eine weitere Frage: „Inwiefern ist das Leben mit einer Behinderung lebenswert?“ Diese Frage stellt sich für Menschen, die von Geburt von einer Behinderung betroffen sind. Sie stellt sich aber ganz besonders deutlich für diejenigen, bei denen eine Beeinträchtigung erst im Laufe des Lebens eintritt.

Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn jemand nach einem Unfall als Tetraplegiker erwacht. Die allermeisten Behinderungen – Schätzungen gehen von 85 bis 96 Prozent aus – entstehen erst im Laufe des Lebens, oftmals durch Krankheit oder Unfall. Ist unter den neuen Umständen, bei dem Verlust essentieller Fähigkeiten das neue Leben weiterhin lebenswert? Inwiefern verändert sich der Lebenswert? Bei lebensverkürzenden Erkrankungen stellen sich zudem Fragen nach dem Sinn des Lebens in besonderer Schärfe. Quelle: „Was ist ein lebenswertes Leben?“ von Barbara Schmitz

Von Hans Klumbies

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