Niemand darf Furcht vor dem Leben haben

William James schreibt: „Haben sie keine Furcht vor dem Leben. Glauben Sie daran, dass das Leben wert ist, gelebt zu werden. Und Ihr Glaube wird dazu beitragen, die Tatsache herbeizuführen.“ Der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck macht darauf aufmerksam, dass Gesundheit nicht nur intrinsisch, also in sich selbst, gut ist. Barbara Schmitz ergänzt: „Sie gilt vielmehr als „Ermöglichungsgut“. Also als ein Gut, das einen instrumentellen Wert hat, um andere Ziele zu erreichen.“ Ist Gesundheit daher, wie es ein gängiges Sprichwort fasst, zwar „nicht alles, aber ohne sie ist doch alles nichts“? Der besondere Wert von Gesundheit wird einem Menschen erst dann schmerzlich bewusst, wenn sie fehlt. Barbara Schmitz ist habilitierte Philosophin. Sie lehrte und forschte an den Universitäten in Basel, Oxford, Freiburg i. Br., Tromsø und Princeton. Sie lebt als Privatdozentin, Lehrbeauftragte und Gymnasiallehrerin in Basel.

Bei einer schweren Krankheit gibt es eine Innen- und Außenperspektive

Insbesondere Menschen, die eine schwerwiegende medizinische Diagnose bekommen, erleben, welche Ängste und Sorgen damit verbunden sind und welch existenzielle Bedeutung Gesundheit bei ihrem Verlust zukommt. Krankheit – das bedarf wohl kaum einer Begründung – bedroht das lebenswerte Leben. Jedenfalls dann, wenn es nicht nur um eine Erkältung und Magenverstimmung geht, sondern um schwere oder chronische Krankheiten, die auch lebensverkürzend sein können. Eine schwere Krankheit bringt meist Einschränkungen und Schmerzen mit sich.

Für die Betroffenen stellt sich die Frage: „Ist mein Leben noch lebenswert?“, oft plötzlich mit brutaler Schärfe. Barbara Schmitz vergleicht: „Die Situation ähnelt der Konfrontation mit einer Behinderung. Und ähnlich wie bei einer solchen unterscheiden sich bei schwerer Krankheit Innen- und Außenperspektive.“ Bei einer lebensbedrohlichen Krankheit oder einer schweren psychischen Erkrankung rücken zusätzliche Fragen ins Blickfeld, die den Sinn des Lebens betreffen.

Gesundheit ist mit Glück nicht gleichzusetzen

„Worin besteht der Sinn dessen, dass ich krank bin? Was ist der Sinn meines Lebens? Wie kann mein Leben einen Sinn haben, wenn ich bald sterben muss?“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) formulierte 1946: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ Für diese Definition hat die WHO oft genug Kritik aushalten müssen. Sie setzte ein allzu hohes Ideal, das Gesundheit als Utopie in die Ferne rücke.

Denn: Wer könnte sich nah dieser Definition als „gesund“ bezeichnen? Barbar Schmitz erklärt: „Wenn Gesundheit so umfassend verstanden wird, gerät sie in die Nähe von Glück, und genau das führt zu Problemen.“ Gesundheit ist allerdings mit Glück nicht gleichzusetzen. Den Krankheitsbegriff versteht man über viele Jahrhunderte hinweg subjektiv und individuell. Die Idee, dass Krankheit ein objektivierbarer Zustand ist, gewinnt erst im Laufe des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Quelle: „Was ist ein lebenswertes Leben?“ von Barbara Schmitz

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar