Bakterien waren die ersten Lebensformen auf der Erde

Antonio Damasio betrachtet das Leben der Bakterien, um sich klar zu machen, wo und wie das Leben einzelner Zellen in die lange Geschichte passt, die zur Menschheit führt. Der Mensch ist nicht in der Lage, Bakterien mit bloßem Auge zu sehen. Wenn man sie allerdings mit dem Mikroskop betrachtet, erfährt man, welche erstaunlichen Dinge sie zuwege bringen. Antonio Damasio erklärt: „Dass Bakterien die ersten Lebensformen waren und uns auch heute noch begleiten, steht außer Zweifel. Aber die Behauptung, es gebe sie heut nur deshalb, weil sie tapfere Überlebende waren, wäre eine gewaltige Untertreibung.“ Vielmehr sind sie die am häufigsten vorkommenden und verschiedenartigsten Bewohner der Erde. Antonio Damasio ist Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Direktor des dortigen Brain and Creative Institute.

Allein im menschlichen Darm leben 100 Billionen Bakterien

Und nicht nur das: Viele Bakterienarten sind in mehrfacher Hinsicht wahrlich ein Teil von uns Menschen. Bakterien wurden während der Zeitalter der Evolution in die größeren Zellen des menschlichen Körpers aufgenommen, und viele Bakterien leben heute in jedem von uns in einer im Wesentlichen einträchtigen Symbiose. In einem menschlichen Organismus befinden sich sogar mehr Bakterien als menschliche Zellen. Der zahlenmäßige Unterschied ist verblüffend groß: Er hat den Faktor 10.

Allein im Darm eines Menschen leben in der Regel rund 100 Billionen Bakterien. Ein ganzer Mensch besteht dagegen nur aus etwa 10 Billionen „eigenen“ Zellen, wenn man alle Typen zusammenzählt. Die Mikrobiologin Margaret McFall-Ngai hat vollkommen recht, wenn sie sagt: „Pflanzen und Tiere sind die Patina auf der Welt der Mikroorganismen.“ Dieser gewaltige Erfolg hat seine Gründe: Bakterien sind sehr intelligente Lebewesen, auch wenn ihre Intelligenz nicht von einem Geist mit Gefühlen, Absichten und einem bewussten Blickwinkel gelenkt wird.

Bakterien können sich untereinander verständigen

Bakterien nehmen die Bedingungen in ihrer Umwelt wahr und reagieren darauf so, dass es für ihr Überleben von Vorteil ist. Zu diesen Reaktionen gehören auch komplizierte soziale Verhaltensweisen. Bakterien können sich untereinander verständigen – wenn auch nicht mit Worten. Die Moleküle, mit denen sie Signale austauschen, sprechen aber Bände. Mit den Berechnungen, die Bakterien ausführen, können sie ihre Situation beurteilen und es sich deshalb leisten, unabhängig zu leben oder sich zusammenzutun, wenn es notwendig wird.

In solchen einzelligen Organismen gibt es kein Nervensystem und keinen Geist in dem Sinn, wie Menschen ihn besitzen. Und doch verfügen sie über unterschiedliche Formen von Wahrnehmung, Gedächtnis, Kommunikation und sozialer Lenkung. Antonio Damasio erläutert: „Die Abläufe, die all diese „Intelligenz ohne Gehirn oder Geist“ möglich machen, beruhen auf chemischen und elektrischen Netzwerken des gleichen Typs, den später in der Evolution auch die Nervensysteme besaßen, weiterentwickelten und erkundeten.“ Quelle: „Im Anfang war das Gefühl“ von Antonio Damasio

Von Hans Klumbies

Schreibe einen Kommentar