Bail-out wird in der Währungsunion zum Gewohnheitsrecht

Bisher wurden Rettungsaktionen für überschuldete Eurostaaten mit einem systemischen Risiko für die Eurozone begründet, wenn einer dieser Staaten Insolvenz anmelden müsste. Thomas Mayer nennt Beispiele: „Deshalb half man Griechenland und Portugal bei der Finanzierung ihrer Haushaltsdefizite, überredete die irische Regierung zu einer weiter gehenden Stützung ihrer Banken, als sie selbst es wollte, und griff Spanien bei der Rekapitalisierung seiner Sparkassen unter die Arme.“ Für Zypern erscheint diese Begründung allerdings mehr als fragwürdig. Doch Thomas Mayer glaubt, dass auch in diesem Fall der europäische Steuerzahler in Haftung genommen werden wird, denn inzwischen scheint der Anspruch auf Finanzhilfe für verschuldete Staaten im Euroland zum Gewohnheitsrecht mutiert zu sein. Thomas Mayer ist Senior Fellow am Center for Financial Studies der Universität Frankfurt und Berater der Deutschen Bank.

Zypern braucht ein Hilfspaket im Umfang von 17,5 Milliarden Euro

Die Banken Zyperns gerieten im vergangen Jahr in Finanznot. Sie erlitten schwere Verluste aus der Umschuldung griechischer Staatsanleihen und aus den Ausfällen von an Griechen vergebenen privaten Krediten. Für die Rekapitalisierung der Banken werden rund zehn Milliarden Euro benötigt. Das Zypern das Geld nicht hat, bat es um die Aufnahme unter den Rettungsschirm. Inzwischen wird geschätzt, dass Zypern weitere 6,5 Milliarden Euro braucht, um auslaufende Staatsanleihen zu refinanzieren und weitere 1,5 Milliarden Euro, um den Staatshaushalt zu stabilisieren.

Laut Thomas Mayer würde das Hilfspaket von 17,5 Milliarden Euro ziemlich genau dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) Zyperns entsprechen und relativ zum BIP den Rekord unter den bisher vergebenen Finanzhilfen darstellen. Thomas Mayer fügt hinzu: „Das die Staatsschuld laut EU-Kommission schon vergangenes Jahr knapp 90 Prozent des BIP ausmachte, würde mit der Hilfe die Schuldenquote auf 190 Prozent steigen.“ Es käme seiner Meinung nach wohl einem Wunder gleich, wenn Zypern diesen Schuldenberg jemals aus eigener Kraft abbauen könnte.

Der europäische Steuerzahler soll die Schulden der Banken Zyperns tilgen

Aber Zypern darf auf Rettung hoffen. Denn nach der Ansicht der verschuldeten Südländer soll der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die Kosten der Bankenrettung auch nachträglich direkt übernehmen, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ab dem nächsten Jahr die Bankenaufsicht in Europa übernimmt. Thomas Mayer erklärt: „Zypern könnte dann die zehn Milliarden Euro Schulden dem ESM gegen eine wertlose Beteiligung an den Banken aufladen und es dem europäischen Steuerzahler überlassen, den Betrag zu tilgen.“

Der Plan wird damit begründet, dass von einer Schieflage der Banken Zyperns Gefahren für die Eurozone ausgehen könnten. Für Thomas Mayer braucht man schon einiges an Phantasie, dies so zu sehen. Denn die Bilanzsumme der zyprischen Banken betrug im Jahr 2011 rund 110 Milliarden Euro, was gerade einmal 1,3 Prozent des BIPs der Eurozone oder 5 Prozent der Bilanzsumme der Deutschen Bank entspricht. Für Thomas Mayer wäre es sehr verwunderlich, wenn eine Beteiligung der Gläubiger in Höhe von etwas mehr als zehn Prozent zur Sanierung der Banken Zyperns, eben die notwendigen zehn Milliarden Euro, das Bankensystem im Euroraum in Einsturzgefahr brächte.

Von Hans Klumbies