Tiere können urteilen und irren

Ob Tiere denken, Verstand haben oder irren können, ist mit mindestens zwei Problemen verbunden. Einerseits mit der Bedeutung von Konzepten und Begriffen, mit denen die Wissenschaft komplexe Sachverhalte beschreibt. Andererseits mit der methodischen Schwierigkeit, die den Handlungen von Tieren zugrunde liegenden mentalen Prozesse aufzudecken. Ludwig Huber erklärt: „Ob Tiere irren können, hängt also einerseits davon ab, ob wir einen strengen Urteils- und Irrtumsbegriff anlegen.“ Dann kommt man nämlich zu dem Schluss, dass Tiere, weil sie keine propositionellen Einstellungen bilden können, weder urteilen noch irren können. Wenn man die Begriffe jedoch etwas weiter fasst, kann man durchaus davon sprechen wollen, dass Tiere urteilen und irren. Ludwig Huber ist Professor und Leiter des interdisziplinären Messerli Forschungsinstituts für Mensch-Tier-Beziehungen an der Veterinärmedizinischen Universität Wien.

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Søren Kierkegaard ringt mit der Religion

Søren Kierkegaard schuf auf den ersten Blick ein Oeuvre, das auf den ersten Blick eher literarisch als philosophisch anmutet. Er wurde in einer protestantisch-pietistischen Familie in Kopenhagen geboren. Dort verbrachte er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1855 sein ganzes Leben. Ger Groot stellt fest: „Søren Kierkegaard hat sein Leben lang gegen die Staatskirche seiner Zeit polemisiert. Ebenso wie Friedrich Nietzsche focht er einen Kampf mit der Religion aus. Aber anders als Nietzsche distanzierte er sich nicht von ihr.“ Er suchte vielmehr nach einer authentischen Religion, in der der menschlichen Sehnsucht nach Erlösung der gebührende Ernst zukam. Ger Groot lehrt Kulturphilosophie und philosophische Anthropologie an der Erasmus-Universität Rotterdam. Zudem ist er Professor für Philosophie und Literatur an der Radboud Universität Nijmegen.

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Ohne Mitgefühl gibt es keine Solidarität

Solidarität kann man nicht mit Barmherzigkeit gleichsetzen. Obwohl schwer vorstellbar ist, dass Solidarität ohne Mitgefühl möglich ist. Zudem kann man Solidarität nicht einfach nur als Sammelbezeichnung für menschliche Freundlichkeit, allgemeines Wohlwollen und sozialstaatliche Folgebereitschaft verwenden. Heinz Bude erläutert: „Solidarität berührt mein Verständnis von Zugehörigkeit und Verbundenheit. Zudem meine Bereitschaft, mich den Nöten und dem Leiden meiner Mitmenschen zu stellen. Und mein Gefühl der Verantwortung und Bekümmerung für das Ganze.“ Auf Solidarität pfeift, wer nur an sich glaubt, Solidarität entbehrt, wer die anderem ihrem Schicksal überlässt, und Solidarität ist ein Fremdwort für Menschen, denen der Zustand des Gemeinwesens gleichgültig ist. Heinz Bude studierte Soziologie, Philosophie und Psychologie. Seit dem Jahr 2000 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel.

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Dissens gehört zur Vergesellschaftung

Die Konfrontation mit dem Umstand, dass andere etwas für falsch halten, was man selbst für wahr hält, beruht auf Dissens. Unter „Dissens“ versteht Markus Gabriel nicht ausschließlich die kommunikative Dimension divergierender, inkompatibler Meinungsäußerungen bezüglich derselben Tatsache. Sondern er erkennt darin auch den Umstand, dass derselbe Gegenstand beziehungsweise dieselbe Tatsache mehreren Individuen verschieden gegeben ist. Etwas anders sehen als ein anderer ist eine Form von Dissens, die man leicht ausgleichen kann. Nämlich indem man einsieht, dass keinerlei Inkompatibilität darin begründet ist, dass derselbe Gegenstand von hier so und von dort anders aussieht. Dissens ist für Markus Gabriel die sozialontologische Grundlage menschlicher Vergesellschaftung. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Wenige Unternehmen sahen riesige Gewinne ab

Standardlehrbücher der Volkswirtschaftslehre – und ein Großteil der politischen Rhetorik – betonen gern, wie wichtig ein gut funktionierender Wettbewerb sei. Joseph Stiglitz hält dagegen: „In den letzten 40 Jahren haben Wirtschaftstheorie und empirische Daten jedoch Behauptungen widerlegt, wonach der Wettbewerb auf den meisten Märkten weitgehend störungsfrei funktioniere.“ Denn heute stellt sich die amerikanische Volkswirtschaft so dar, dass einige wenige Unternehmen riesige Gewinne absahnen. Zudem können sie jahrelang unbehelligt ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Die führenden neuen Hightech-Unternehmer legen nicht einmal mehr Lippenbekenntnisse zum Wettbewerb ab. Peter Thiel, eine der bedeutenden Unternehmerpersönlichkeiten des Silicon Valley erklärt frank und frei: „Wettbewerb ist was für Verlierer.“ Joseph Stiglitz war Professor für Volkswirtschaft in Yale, Princeton, Oxford und Stanford. Er wurde 2001 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichnet.

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Wirklichkeit und Wahrheit wird oft gleichgestellt

Die meisten Menschen unterscheiden im Alltag nicht zwischen „Wirklichkeit“ und „Wahrheit“. Sie halten beides für eine quasi natürliche Beschreibung desselben. Was „wirklich“ ist, erlebt der Mensch an und in sich selbst. Thomas Fischer erläutert: „Es ist vermittelt über biologische Rezeptoren und Verarbeitungsstrukturen des Gehirns und an dessen Möglichkeiten gebunden.“ Wahr ist, dass das menschliche Gehirn etwa 86 Milliarden Neuronen (Nervenzellen) hat. Was diese Wahrheit in der Wirklichkeit bedeutet, kann ein Mensch nicht erkennen. Er kann es auch nicht messen und nur zu einem sehr geringen Teil steuern. Dies ist die einzige Grundlage für die Erkenntnis von „Wahrheit“. Und selbstverständlich auch für die Reflexion darüber, was dieser Begriff bedeuten könnte. Menschen gehen in der Regel davon aus, dass jedenfalls Tiere keine „Wahrheits“-Erkenntnis haben. Thomas Fischer war bis 2017 Vorsitzender des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe.

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Immanuel Kant sucht eine widerspruchsfreie Welt

Immanuel Kant formulierte den kategorischen Imperativ: „Handle so, dass die Maxime deines Handelns Grundlage eines allgemeinen Gesetzes sein könnte.“ Der Philosoph glaubt damit ein moralisches Gesetz formuliert zu haben. Diesem müsse jedes vernünftige Wesen auf alle Zeiten entsprechen. Axel Braig erklärt: „Er war der Ansicht, durch sein Lebenswerk wieder eine zusammenhängende und widerspruchsfreie Weltsicht zu bieten. Diese gebe den Menschen klare Richtlinien für ihr Handeln.“ Immanuel Kant war überzeugt, dass die durch die kopernikanische Wende ausgelösten existenziellen Verunsicherungen mittels der Physik Isaac Newtons und seiner eigenen Philosophie befriedigt werden können. Doch dieser Friede währte nicht lange. Die allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins relativierte die Physik Isaac Newtons. Axel Braig wandte sich nach Jahren als Orchestermusiker und Allgemeinarzt erst spät noch einem Philosophiestudium zu.

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Eine gute Philosophie ist immer auch lebensnah

Christian Uhle vertritt in seinem neuen Buch „Wozu das alles?“ die These, dass die individuellen Sinnsuchen der Menschen mehr Gemeinsamkeiten haben, als der erste Blick vermuten lässt. Daneben bietet er eine neue Perspektive auf das eigene Leben sowie Ansätze für einen sinnvollen gesellschaftlichen Wandel. Was ist der Sinn des Lebens? Diese Frage bewegt Menschen seit Jahrtausenden. Die Grundfragen sind dabei immer die gleichen geblieben: „Wozu sind wir auf der Welt? Was ist wirklich wertvoll und wichtig im Leben?“ Der Autor entfaltet in „Wozu das alles?“ eine inhaltlich überzeugende Theorie des sinnvollen Lebens. Er möchte seine Leser auf eine philosophische Reise mitnehmen und auf diesem Weg eine Sprache für die Philosophie finden, die ihren Platz mitten im persönlichen Leben einnehmen kann. Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Ein Elektron hat keinen genau bestimmten Platz

Eine der Entdeckungen der Quantenmechanik ist der Indeterminismus. So lässt sich beispielsweise nicht mit Präzision vorhersagen, wo morgen ein Elektron erscheint. Zwischen dem einen und dem nächsten Auftauchen hat ein Elektron keinen genau bestimmten Platz. Carlo Rovelli erläutert: „Es ist, als sei es in einer Wahrscheinlichkeitswolke verteilt. Im Fachjargon reden Physiker davon, dass es sich in einer „Superposition“ befindet.“ Die Raumzeit ist ein physikalisches Objekt wie ein Elektron. Sie schwingt ebenfalls. Auch sie kann sich in einer Superposition unterschiedlicher Konfigurationen befinden. Den Aufbau der sich ausdehnenden Zeit stellt sich Carlo Rovelli zum Beispiel als eine Überlagerung verschiedener Raumzeiten vor. Damit wird auch die Unterscheidung zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft fließend, also unbestimmt. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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Jeder Mensch hat viele Identitäten

Geschichte und Herkunft sind nicht die einzigen Aspekte, unter denen sich Menschen sind und die Gruppen, denen sie angehören, betrachten. Amartya Sen weiß: „Die Kategorien, denen wir gleichzeitig angehören, sind sehr zahlreich.“ Dabei muss man zwei Gesichtspunkte beachten. Erstens die Einsicht, dass Identitäten entschieden plural sind und dass die Wichtigkeit einer Identität nicht die Wichtigkeit anderer zunichtemachen muss. Für das Leben in einer Gesellschaft kann es extrem wichtig sein, sich auf die eine oder andere Weise mit anderen zu identifizieren. Doch war es nicht immer leicht, Gesellschaftsanalytiker dazu zu bewegen, die Identität angemessen zu berücksichtigen. So stößt man in der theoretischen Natur zur Gesellschafts- und Wirtschaftsanalyse gehäuft auf zwei Arten von Reduktionismus. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Philosophen sind Liebhaber der Weisheit

Die Philosophen des antiken Griechenland verschmähten es, an die streitsüchtigen und unsterblichen in den zu glauben. Das beruhte meistens darauf, dass sie es vorzogen, darüber nachzudenken, was sowohl am Universum als auch an ihnen selbst wahrhaft göttlich war. Zu ergründen, was der Materie zugrunde lag. Das war gleichbedeutend damit, dass man erforschte, wie Menschen sich richtig verhalten sollten. Denn jenseits all der wimmelnden Vielfalt und der Veränderlichkeit menschlicher Bräuche existierte ein Muster für die Dinge. Tom Holland stellt fest: „Es war ewig und vollkommen und man musste es nur identifizieren. Und nicht in den Lügen der Dichter fand es sich, sondern in den Bewegungen des Kosmos.“ Der Autor und Journalist Tom Holland studierte in Cambridge und Oxford Geschichte und Literaturwissenschaft.

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Das Euro-Bargeld kam am 1. Januar 2002

Am 1. Januar 1999 wurde der Euro eingeführt und damit zur Landeswährung für über 300 Millionen Menschen in Europa. Dies war ein Sieben-Meilen-Schritt in der europäischen Einigung. Niemand ahnte jedoch damals, dass die Währung ein Jahrzehnt später wieder auf dem Prüfstand stehen würde. Edgar Wolfrum stellt fest: „In den ersten drei Jahren war der Euro eine unsichtbare Währung, die nur für Kontoführungszwecke, zum Beispiel bei elektronischen Zahlungen, Verwendung fand.“ Das Euro-Bargeld kam erst am 1. Januar 2002 und ersetzte zu unwiderruflich festgelegten Umrechnungskursen nationale Währungen wie den belgischen Franc, die Deutsche Mark oder die italienische Lira. Die Euro-Banknoten und Münzen sind in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) gesetzliches Zahlungsmittel. Edgar Wolfrum ist Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.

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Die Verhaltensökonomie wird breit diskutiert

Eine in den vergangenen Jahren breit diskutierte Entwicklung der Ökonomik war das Entstehen der Verhaltensökonomie. Im Wesentlichen beschäftigt sie sich mit der Frage, wie der Mensch sich tatsächlich verhält. Dies geschieht im Gegensatz zu Fantasien wie dem Homo oeconomicus, von denen die orthodoxe Ökonomik dominiert wird. Jonathan Aldred erklärt: “Die Verhaltensökonomik greift auf Konzepte und Verfahren der Psychologie zurück. Und es waren die beiden Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky, die vielleicht mehr als jeder andere getan haben, um eingefahrene Lehrmeinungen der Ökonomik zu der Thematik, wie wir denken und entscheiden, infrage zu stellen. Jonathan Aldred ist Direktor of Studies in Ökonomie am Emmanuel College. Außerdem lehrt er als Newton Trust Lecturer am Department of Land Economy der University of Cambridge.

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Der Geist muss immer wachsam sein

Buddha sagt, dass Wachsamkeit oder Wachheit des Geistes mit deren Anwendung auf Gedanken und Worte beginnen müsse. Wenn man einen gesundheitsschädlichen, krankhaften Gedanken bemerkt, kann man vermeiden, dass er sich weiterentwickelt, indem man wachsam ist. Frédéric Lenoir weiß: „Gedanken haben nicht nur einen beträchtlichen Einfluss auf uns selbst, sondern auch auf andere. Ein böser Gedanke kann ein wahres Gift sein, das unseren Geist und unser Herz verdunkelt.“ Er kann sich auch, wenn der eigene Geist entsprechend negative Energie erzeugt, auf andere auswirken. Was man in bestimmten Kulturen den „bösen Blick“ nennt, ist kein Aberglaube. Die Tatsache, dass man gegenüber jemandem negative Gedanken hat, kann einen realen negativen Einfluss auf diese Person haben. Frédéric Lenoir ist Philosoph, Religionswissenschaftler, Soziologe und Schriftsteller.

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Gewaltlosigkeit sollte überall herrschen

Steht derjenige, der Gewaltlosigkeit praktiziert, in Beziehung zu demjenigen, gegen den Gewaltanwendung erwogen wird, dann scheint zwischen beiden ein vorgängiger sozialer Bezug zu stehen. Sie sind Teil voneinander, das eine Selbst ist im anderen impliziert. Judith Butler erläutert: „Gewaltlosigkeit wäre dann eine Weise, diesen Bezug anzuerkennen, so belastet er auch sein mag. Und auch die normativen Zielsetzungen zu bejahen, die sich aus diesem schon bestehenden sozialen Bezug ergeben.“ Daher kann eine Ethik der Gewaltlosigkeit nicht in Individualismus gründen. Sondern sie muss eine führende Rolle in der Kritik des Individualismus als Basis sowohl der Ethik als auch der Politik spielen. Eine Ethik und Politik der Gewaltlosigkeit müssen der wechselseitigen Weise Rechnung tragen, die das Leben der Selbste miteinander verbindet. Judith Butler ist Maxine Elliot Professor für Komparatistik und kritische Theorie an der University of California, Berkeley.

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Viktor Orbán verbreitet Judenhass

Der Judenhass führt kein Schattendasein mehr, wieder einmal sucht er das Licht der Öffentlichkeit. Roger de Weck nennt ein Beispiel: „Aktueller Codename für das ewige Feindbild ist „Soros“, nämlich der jüdische Amerikaner und gebürtige Ungar, der Bürgerrechtler Georg Soros.“ Viktor Orbán stempelte ihn zum Bösewicht, und seither nutzen Reaktionäre seinen Namen als Chiffre einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“. Orbán hat die antisemitische Häme als uraltes, brandneues Mittel der Politik weidereingeführt. Er liegt damit auf einer Linie mit dem deutschen Rechtsextremisten und Verleger Götz Kubitschek. Dessen Antaios-Verlag erzielte einen Verkaufserfolg mit dem antisemitischen Buch „Finis Germania“. „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“, befindet die AfD-Politikerin Alice Weidel. Reaktionäre trauern der Zeit nach, in der die weiße Mehrheit das Vokabular bestimmte. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom

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Oded Galor erzählt die Geschichte der Menschheit neu

Der renommierte Ökonom Oded Galor untersucht in seinem neuen Buch „The Journey of Humanity“ die Entwicklungen die zu Wohlstand und Ungleichheit führten. Er verschmilzt dabei Erkenntnisse aus unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen. Dabei entsteht eine große welt- und zeitumspannende Theorie, welche die Geschichte der Menschheit neu erzählt. Verhältnis zur langen Geschichte des Homo sapiens hat die Menschheit praktisch über Nacht eine dramatische und beispiellose Verbesserung der Lebensqualität erfahren. Wie der englische Philosoph Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert konstatierte, war das menschliche Leben damals „ekelhaft, tierisch und kurz“. Das meiste, was die Menschen heute plagt, ist nichts im Vergleich zu dem Elend und den Tragödien, die sich vor rund 400 Jahren abspielten. Heute genießen viele Nation beispielslosen Wohlstand. Aber es gibt immer noch andere, die den Sprung aus der wirtschaftlichen Stagnation noch nicht geschafft haben.

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Steinwerkzeuge gibt es seit drei Millionen Jahren

Die Vorläufer des Homo sapiens stellten vor mehr als drei Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge her. Schon damals war die schöpferische Intelligenz schon lange nichts Neues mehr. Ein Werkzeug herzustellen, das man später für einen bestimmten Zweck einsetzt, erfordert Einsicht, Planung und Vorstellungskraft. Stefan Klein erklärt: „Erst nach vielen Arbeitsgängen ist aus einem rohen Stein eine Klinge geformt. Jeder einzelne Schritt verlangt eine präzise Idee von dem, was noch nicht ist, aber sein soll.“ Nur Menschenaffen und einige Vögel bringen die zur Werkzeugherstellung nötigen geistigen Voraussetzungen mit. Aber nur die Menschen haben es so weit gebracht, Gene zu entschlüsseln, Symphonien zu komponieren und ihre Zeit in Videokonferenzen zu verbringen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Hegel ist der Philosoph der Drei

Der Georg Wilhelm Friedrich Hegel der Ordnung und des Systems ist der Philosoph der Drei: des dialektischen Dreischritts von These, Antithese und Synthese. Patrick Eiden-Offe stellt fest: „Und tatsächlich ist die „Logik“ ein Buch – ein Buch aus drei Büchern natürlich – das von einer regelrechten Triadomanie strukturiert wird.“ Die Drei ist die obsessive Ordnungsmacht, die dem Leser schon bei einer oberflächlichen Betrachtung der Gliederung entgegenkommt. Und in der Tat verrät diese ubiquitäre Dreiteilung viel über Struktur und Funktionsweise dieses Denkens. „Die Logik der Triaden“ setzt sich aus drei Büchern zusammen. Nämlich aus der „Lehre vom Sein“, der „Lehre vom Wesen“ und der „Lehre vom Wesen“. Alle drei Bücher sind jeweils auf mindestens drei Stufen wiederum triadisch gegliedert. Patrick Eiden-Offe ist Literatur- und Kulturwissenschaftler.

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Ein Sturm aus Wissen fegt über die Menschen

Bibliotheken sind Monumente der Ära des Wissens. Ihr Umfang lässt erkennen, dass über die Menschen ein Sturm aus Wissen hereingebrochen ist, mit dem sie erst lernen müssen zu leben. Ille C. Gebeshuber fügt hinzu: „Um in der Welt des Wissensüberangebots zu überleben, haben die modernen Menschen sich anpassen müssen. Sie haben dazu spezielle Strategien entwickelt. Die wichtigste davon ist das Ausblenden von Informationen.“ Zudem haben viele Menschen gelernt, sehr schnell und selektiv zu lesen. Eine Kunst, die nicht einfach ist und dabei auch in Kauf nimmt, dass so manches übersehen wird. Fehlen dann Informationen, ist dies oft kein Problem, denn die heute gezielte Suche im Internet fördert sie schnell zu Tage. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Die vom persischen Religionsstifter Zoroaster inspirierte Figur des Zarathustra erscheint nicht nur als Verkünder großer Wahrheiten und Prediger. Sondern er tritt auch als Philosoph in Erscheinung, der sich radikal einer skeptischen Selbstvergewisserung aussetzt. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „So wenig Friedrich Nietzsches „Zarathustra“ ein philosophisches Werk im traditionellen Sinne ist, so wenig handelt es sich um eine poetische Fiktion.“ Der eher an der Sprache der Evangelisten denn an orientalische Vorbilder gemahnende Stil ist von einer außergewöhnlichen Geschmeidigkeit. Der Duktus oszilliert zwischen übersteigertem Pathos und nüchterner Selbstbefragung. Die Figur des Zarathustra darf man jedoch nicht mit Friedrich Nietzsche identifizieren. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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Das Publikum der Tragödie erlebt eine Katharsis

Doch was ist mit den Tragödien? Sind sie Manifestationen des anthropologischen Universums des Weinens? Oder sind sie Ausdruck einer anderen „tragischen universellen Erfahrung? Identifizieren Tragödien einen Menschen mit sich selbst, wurzeln sie in Selbstmitleid? Ágnes Heller antwortet: „Es ist leicht zu erkennen, dass das Gegenteil der Fall ist. Auch in diesem Punkt war Aristoteles das Genie, das das Offensichtliche erfand. Das Publikum, Zielgruppe einer Tragödie, erlebt eine „Katharsis“. Katharsis ist die Befreiung von unseren eigenen Ängsten und unserem Selbstmitleid, die „Reinigung unserer Seele“ von der Identifikation mit uns selbst.“ Ágnes Heller, Jahrgang 1929, war Schülerin von Georg Lukács. Ab 1977 lehrte sie als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York. Ágnes Heller starb am 19. Juli 2019 in Ungarn.

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In der Republik Venedig herrscht die Freiheit

Der Dogenpalast in Venedig ist ein politisches Manifest in Stein, das sich an die eigenen Bürger und an die ganze Welt wendet. Die Botschaft für die Venezianer lautet: Ihr lebt in der besten aller politischen Welten! Für alle anderen blieben nur Neid und Nachahmung übrig. Jedes Bauelement des Palastes hat für Volker Reinhardt seine eigene Aussage. Das stärkste Bollwerk aber ist die Freiheit, die in der Republik herrscht. Der Regierungssitz des Staatsoberhaupts braucht daher keine Mauern gegen außen und erst recht keine Schutzwälle nach innen. Denn hier herrschen Offenheit und Transparenz. Die untere Hälfte der Südfassade besteht aus zwei Loggien, die sich harmonisch übereinander schichten. Volker Reinhardt ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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Der Geist bringt technische Innovationen hervor

Ein Grund für die Hochschätzung der geistigen Leistung kann bereits ihrem Anteil an den technischen Innovationen entnommen werden. Ein prominentes Beispiel für eine echte Erfindung ist bekanntlich das Rad. Für dieses hat es kein Vorbild in der Natur gegeben. Volker Gerhardt erklärt: „Konstruktion und Installation eines Rads verdanken wir allein dem geistigen Einfall eines homo sapiens.“ Ob die Idee aber etwas taugt, zeigt sich nur im folgenden Fall. Ein geschickter homo faber muss in der Lage ist, ein sich drehendes und belastbares Rad zu bauen, das der praktischen Belastung standhält. Für Volker Gerhardt haben homo sapiens und homo faber vieles gemeinsam. Aus den modernen Unterscheidungen zwischen den beiden Typen geht das nicht hervor. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Erinnerungen muss man mit Skepsis begegnen

In seinem neuen Buch „Die Jahreszeiten der Ewigkeiten“ gibt es das Kapitel „Intermezzo I“. Dort setzt sich der Karl-Markus Gauß mit Sprache und Identität auseinander. Der Autor schreibt: „In der Sprache erfahren wir als Erstes die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, und in der Sprache wird diese später täglich erlebt. Aber das Sprechen selbst ist nicht er wichtigste Akt, mit dem sich uns diese Zugehörigkeit erweist.“ Wichtiger als das tatsächliche Sprachvermögen ist seiner Meinung nach allerdings die soziale Spracherinnerung: an das Leid, den Mut, die Arbeit, die Hoffnungen der Vorfahren. Solche Erinnerung ist wichtig, aber man muss ihr wie jeder Erinnerung mit Skepsis begegnen. Karl-Markus Gauß lebt als Autor und Herausgeber der Zeitschrift „Literatur und Kritik“ in Salzburg. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals ausgezeichnet.

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