Der Sinn des Lebens ist schwer zu fassen

Manchmal überfällt einen Menschen schlagartig das Gefühl von existenzieller Einsamkeit. Das geschieht von einer Sekunde auf die andere. Der Betroffene kann kaum noch atmen. Die Welt erscheint plötzlich fremd. Nichts scheint mehr zu passen. Christian Uhle stellt fest: „Es ist ein paradoxes Nebeneinander: Oft scheint alles so klar. Wir sind beseelt vom Leben, und jeder Zweifel an dessen Sinn wäre geradezu absurd.“ Man ist mittendrin, verwoben in den Konflikten und Schönheiten des Alltags. Man hat kleine oder große Ziele vor Augen, genießt den Austausch mit seinen Freunden. Das bedeutet ein Leben in Selbstverständlichkeit. In diesen Phasen erfährt man das Leben als zutiefst sinnvoll, auch wenn man niemals in Worte fassen könnte, was der Sinn des Lebens eigentlich ist. Das Anliegen des Philosophen Christian Uhle ist es, Philosophie in das persönliche Leben einzubinden.

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Früher hatten allein die Medien das Sagen

In der frühen Vorstellung der Medienwissenschaft war das Massenmedium eines, das waffenähnlich funktionierte. Es folgte einem simplen Stimulus-Response-Modell, bei dem die kommunikative Einbahnstraße auch eine Hierarchie betonierte. Ulf Poschardt erklärt: „Hier der Sender, dort der Empfänger und dazwischen das Medium, das nicht nur Gatekeeper war, sondern auch Pacemaker oder Deeskalierer.“ Der Konsument war eine leere Leinwand, die ganz in der Intension des Senders und der Medien bekritzelt und bemalt werden konnte. Die Medien hatten das Sagen, der Nutzer und Konsument das Nachsehen. Diese Idee selbst hatte einen idealistischen Unterbau. Die Sehnsucht der Massenmedien war auch mit der Vorstellung einer Demokratisierung der freien Gesellschaft verbunden. Seit 2016 ist Ulf Poschardt Chefredakteur der „Welt-Gruppe“ (Die Welt, Welt am Sonntag, Welt TV).

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Zarathustra ist nicht Friedrich Nietzsche

Zarathustra darf nicht als das Alter Ego Friedrich Nietzsches missverstanden werden. Denn dieser will das triebdynamische Gewaltverhältnis umkehren. Er will das Leben, die Sinnlichkeit, das Begehren peitschen. Es bleibt jedoch bei einer leeren Geste. Das Leben hält sich angesichts des Geknalles seine zierlichen Ohren zu. Friedrich Nietzche schreibt: „Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchterlich mit deiner Peitsche! Du weißt es ja: Lärm mordet Gedanken.“ Konrad Paul Liessmann fragt sich, welche Gedanken das Geknalle Zarathustras stört und kommt zu folgendem Schluss: „Es sind, bekundet das Leben, durchaus zärtliche Gedanken, die durch Zarathustras Geknalle irritiert werden.“ Konrad Paul Liessmann ist Professor für Philosophie an der Universität Wien. Zudem arbeitet er als Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Im Zsolnay-Verlag gibt er die Reihe „Philosophicum Lech“ heraus.

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„Der Herr der Ringe“ ist ein Mythos

Das Thema der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins lautet: „Der Herr der Ringe“. John Ronald Reuel, kurz: J. R. R. Tolkien erschuf mit dem „Herrn der Ringe“ eine packende, überaus komplexe Erzählung. Sie handelt von dem Hobbit Frodo, der auszieht, um eine ungewöhnliche Heldentat zu vollbringen. Er soll einen mächtigen Ring zum Ort seines Ursprungs zurücktragen. Chefredakteurin Jana Glaese erklärt im Editorial: „Auf dem Weg dorthin trifft er auf Wesen, Völker und Sprachen, die von Tolkien bis ins letzte Detail erdacht wurden. Gleichzeitig behandelt sein Werk grundlegende philosophische Fragen: In welchem Verhältnis stehen Sprache und Welt? Was ist das Böse? Wie bewahren wir uns einen Hauch des Zaubers, der in der Moderne verloren scheint?“ Wer „Der Herr der Ringe liest“ findet in dem Werk auch etwas Zeitloses und Leuchtendes.

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Der Urwald dient als Klimaanlage für die Erde

In den Wolken über dem Kronendach von Urwaldriesen sammelt sich eine unvorstellbare Menge Wasser. Dirk Steffens und Fritz Habekuss wissen: „Der Wolkenschirm blockt Sonnenstrahlen ab, verhindert, dass der Boden austrocknet, und wirkt als Klimaanlage für die ganze Erde. Er beeinflusst den interkontinentalen Wolkenstrom und auch jeden Niederschlag, der woanders auf dem Planeten fällt.“ Zum Beispiel ganz im Süden der Erdkugel, in der Antarktis. Hier kommt er als Schnee vom Himmel. Er lässt über Hunderttausende Jahre hinweg kilometerdicke Eispanzer wachsen. Langsam fließen sie zur Küste und laden dort ihre Staub- und Geröllfracht ins Meer ab. In ihrem Buch „Über Leben“ erzählen der Moderator der Dokumentationsreihe „Terra X“ Dirk Steffens und Fritz Habekuss, der als Redakteur bei der „ZEIT“ arbeitet, von der Vielfalt der Natur und der Schönheit der Erde.

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Martin Luther wetterte gegen Ablässe

Am 31. Oktober 1517 sandte Martin Luther ein Schreiben an Albrecht von Brandenburg, den Erzbischof von Mainz. In diesem Brief, der die berühmten 95 Thesen enthielt, wetterte Luther gegen Ablässe. Dabei handelt es sich um käufliche, aus einem Blatt Papier bestehende Dokumente, die einen angeblich von den Sünden befreien. Helmut Walser Smith fügt hinzu: „Ob Luther die Thesen dann auch an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg nagelte, ist in der Geschichtswissenschaft bis heute umstritten.“ Sicher ist, dass Martin Luthers Kritik im Wesentlichen auf der Vorstellung gründete, Gottes Gnade werden allein durch den gewährt und empfangen, nicht durch gute Werke oder die Fürsprache von Priestern. Diese Vorstellung hatte das Potential, das Christentum, wie man es damals praktizierte, zu untergraben. Helmut Walser Smith lehrt Geschichte an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee.

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Die Grundrechte stehen an erster Stelle

Zwei Jahre, in denen eine essenzielle Krise auf die nächste folgte, habe das gesellschaftliche und politische Leben in Deutschland substanziell verformt. Dabei ist es zu einer schier unglaublichen Machtkonzentration der Exekutive gekommen. Ulrike Guérot fordert in ihrem neuen Buch „Wer schweigt, stimmt zu“, dass der Wert von Grundrechten dringend neu im Bewusstsein der Deutschen verankert werden muss. Die Gesellschaft darf niemanden von der Teilhabe am Diskurs ausgrenzen, den mit Ausgrenzung beginnt laut Ulrike Guérot die Erosion der Demokratie. Gewinner sind ihrer Meinung nach vor allem Tech-Giganten wie Facebook, Twitter sowie YouTube und Finanzgiganten, die schlussendlich digitale Überwachungssystem installieren. Sie haben den Körper als letzte Ware im Visier und Heilsversprechen im Gepäck. Seit Herbst 2021 ist Ulrike Guérot Professorin für Europapolitik der Rheinischen-Friedrichs-Wilhelms Universität Bonn.

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Es herrscht ein großes Unbehagen in Europa

Der Streit über die politische Korrektheit ist der Kristallisationspunkt, an dem sich eine lose Verbindung verfestigt. Es handelt sich dabei um die Liaison der Reaktionäre mit dem hadernden Teil des Bürgertums, der in Krisenzeiten oft nach rechts driftet. Roger de Weck erläutert: „Indem sie das politisch Korrekte anprangern, können Autoritäre als Hüter der Freiheit auftreten. Konservative sich ein letztes Mal gegen die aussterbende Spezies der Weltverbesserer austoben. Und schwankende Sozialliberale doch noch zum rechten Zeitgeist finden.“ Den Reaktionären nützt es, dieses im Alltag der Europäer unerhebliche Phänomen zu einem Symbol des ganz großen Unbehagens aufzubauschen, als drücke allen das Joch einer Schreckensherrschaft. Das „Man darf ja gar nichts mehr sagen“ ist Teil der Agenda von Neurechten. Roger de Weck ist ein Schweizer Publizist und Ökonom.

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Cicero prägt den Begriff der „Humanität“

Nicht erst Johann Gottfried Herder hat den Begriff der „Humanität“ zu einem Zentralbegriff der menschlichen Bildung und des Weltverständnisses gemacht. Erasmus geht ihm voran und lässt keinen Zweifel daran, dass er in Cicero den historischen Urheber und geistigen Vater anerkennt. Volker Gerhardt fügt hinzu: „Dass Cicero bereits in der Vielfalt des Begriffsgebrauchs den Anfang macht, blieb stets unbestritten. Fraglich war eine Weile, ob nicht der Stoiker Panaitios, auf den Cicero selbst verweist, den Anfang macht.“ Zweifel gab und gibt es noch, ob Cicero wirklich schon dem weiten Impuls der Menschlichkeit verpflichtet war. Oder ob er nicht eher nur der römischen Adelsethik ein neues Etikett gegeben hat. Volker Gerhardt war bis zu seiner Emeritierung 2014 Professor für Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin.

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Das Wort „problema“ hat zwei Bedeutungen

Der moderne Mensch ist versessen darauf, Probleme zu lösen. Er ist darauf konditioniert. Dass es überhaupt Probleme gibt, ist aber keineswegs klar. Jedenfalls gibt es sie nicht wie Bäume, Garagen oder Handys. Ein Mann der nicht einparken kann, ist zunächst nichts anderes als ein Mann, der nicht einparken kann. Rebekka Reinhard weiß: „Seine fehlende Einparkkompetenz wird erst dann zum Problem, wenn er und andere es so interpretieren.“ Hinter dem altgriechischen Wort „problema“ stecken zwei Bedeutungen. Erstens ein Ding, das man aufnimmt, um sich – wie mit einem Schild – zu schützen. Zweitens eine Sache, die man einem anderen hinwirft, damit er sie aufnimmt und sich mit ihr auseinandersetzt. Die Philosophin Rebekka Reinhard ist seit 2019 stellvertretende Chefredakteurin des Magazins „Hohe Luft“.

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Verantwortung verlangt nach Entscheidungen

Ina Schmidt erklärt: „Verantwortliches Handeln ist keine Selbstverständlichkeit. Es versteht sich nicht von selbst und bezieht sich auf verschiedene Ebenen des eigenen Tuns.“ In Situationen, in denen ein Mensch verantwortlich ist, muss er – aufgrund von Rolle, Zuständigkeit oder Kompetenz – in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen. Dazu gehört auch Gründe anzuführen und sich zu rechtfertigen gegenüber Institutionen, der Öffentlichkeit oder dem eigenen Umfeld. Man ist also in einer konkreten Situation immer verantwortlich für etwas oder jemanden oder gegenüber mindestens einem anderen. Jede Verantwortlichkeit lässt sich also als eine mindestens dreistellige Relation zum Ausdruck bringen. Ina Schmidt ist Philosophin und Publizistin. Sie promovierte 2004 und gründete 2005 die „denkraeume“. Seitdem bietet sie Seminare, Vorträge und Gespräche zur Philosophie als eine Form der Lebenspraxis an.

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Moleküle und Atome existieren

Wärme ist die mikroskopische Bewegung der Moleküle. In einem heißen Tee werden die Moleküle heftig zappeln, während sie sich in einem kalten Tee kaum rühren. Und noch weniger bewegen sie sich in einem Eiswürfel, der noch kälter ist. Carlo Rovelli stellt fest: „Noch zu Ende des 19. Jahrhunderts glaubten eher wenige daran, dass Moleküle und Atome tatsächlich existierten.“ Ludwig Boltzmann (1844 – 1906) war jedoch von ihrer Realität überzeugt und focht für sie einen Kampf aus. Seine Angriffe auf diejenigen, die nicht an Atome glaubten, sind legendär geblieben. Als Nikolaus Kopernikus einen Sonnenuntergang betrachtete, sah er vor seinem geistigen Auge, wie sich die Erde dreht. Als Ludwig Boltzmann in ein Glas mit reglosem Wasser blickte, sah er den wilden Tanz der Atome und Moleküle. Carlo Rovelli ist seit dem Jahr 2000 Professor für Physik in Marseille.

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Theorien lassen sich nur falsifizieren

Der große Wissenschaftsphilosoph Karl Popper gelangte zu einer zentralen Erkenntnis. Nämlich dass die Naturwissenschaften keine Ansammlung verifizierbarer Sätze ist, sondern aus komplexen Theorien besteht, die sich bestenfalls insgesamt falsifizieren lassen. Die wissenschaftliche Erkenntnis basiert auf theoretischen Konstrukten, die sich im Prinzip durch empirische Beobachtungen widerlegen lassen. Carlo Rovelli erklärt: „Eine Theorie, die uns neue Vorhersagen erlaubt, die bestätigt und niemals von der Realität widerlegt wird, ist eine wissenschaftlich valide Theorie.“ Das heißt aber nicht, dass es nicht eines Tages doch zu einem Widerspruch kommen kann. Dann müssen Wissenschaftler nach einer besseren Theorie suchen. Mit dem evolutiven Aspekt wissenschaftlicher Erkenntnis hat sich Thomas S. Kuhn intensiv beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Hass ist die primitivste aller Emotionen

Reinhard Haller definiert den Hass in seinem neuen Buch „Die dunkle Leidenschaft“ wie folgt: Es handelt sich dabei um eine „auf Zerstörung ausgerichtete Abneigung, die destruktivste Form der Verachtung“. Als intensives Empfinden von Feindseligkeit und Aggressivität äußert sich Hass beispielsweise in toxischem Schweigen oder verbalen Attacken. Er kann zu heftigen zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen und Gesellschaftskonflikten führen. Weitere Formen des Hasses sind Diskriminierung und Mobbing, am schlimmsten Verbrechen und Krieg. Hass ist tatsächlich eine Leidenschaft, die nichts als Leiden schafft. Hass ist die primitivste aller Emotionen – ein Trieb zur Grausamkeit, wie ihn Sigmund Freud bezeichnet hat. Prof. Dr. med. Reinhard Haller war als Psychiater, Psychotherapeut und Neurologe über viele Jahre Chefarzt einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Klinik. Heute führt er eine fachärztliche Praxis in Feldkirch (Österreich).

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Das Vermögen ist sehr ungleich verteilt

Nettovermögen bedeutet, dass von den Vermögen die Verbindlichkeiten abgezogen werden. Marcel Fratzscher nennt Beispiele: „Das können Konsumentenkredite für das Auto sein oder eine Hypothek für die Wohnung oder das Haus.“ Dieses Nettovermögen ist für viele Menschen wichtig, nicht nur, um einen Kredit von der Bank für dringend benötigte Ausgaben erhalten zu können. Sondern es dient auch für die Vorsorge im Alter. Umfragen zufolge schätzen die Deutschen im Durchschnitt, dass die 40 Prozent mit dem geringsten Vermögen knapp zehn Prozent des gesamten privaten Nettovermögens besitzen. Die Wahrheit ist jedoch ganz anders. Die unteren 40 Prozent haben lediglich ein Prozent des gesamten privaten Nettovermögens. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Rationalität ist keine absolute Größe

Der destruktive Umgang mit Konflikt resultiert aus der insgeheimen Übereinkunft, dass es nur eine einzige Rationalität gibt. Nämlich die eigene. Reinhard K. Sprenger stellt fest: „Wenn ich nur einen Grund nennen müsste, warum Konflikte eskalieren, dann genau deshalb. Darum: Anerkennen Sie, dass Rationalität keine absolute Größe ist. Dass es mehrerlei Vernunft gibt.“ Es gibt auch scheinbar unvernünftige Ordnungen, die allerdings erfahrungsgesättigt sind und deshalb Geltung beanspruchen dürfen. Man sollte jedoch die Spielräume nutzen, die jede noch so rigide Dogmatik zulässt. Wie der Volksmund sagt: „Etwas geht immer.“ Es gibt beispielsweise Felder, auf denen sich ökologische und wirtschaftliche Logik nicht widersprechen. Wichtig ist zudem, dass man einen soliden Selbstzweifel an der Einzigrichtigkeit seiner Erkenntnisfähigkeit nie verlieren sollte. Reinhard K. Sprenger zählt zu den profiliertesten Managementberatern und wichtigsten Vordenkern der Wirtschaft in Deutschland.

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Glück ist selbst in einer schlechten Welt möglich

Im neuen Philosophie Magazin 05/2022 äußern sich große Philosophen zu der Frage, ob es möglich ist, in einer schlechten Welt glücklich zu sein. Jean-Jacques Rousseau, Albert Camus, Harmut Rosa und Robert Pfaller sind der Ansicht, dass wirkliches Glück in einer abscheulichen Gegenwart nicht nur möglich ist, sondern erstrebenswert. Wer meint, sich seines Glückes schämen zu müssen, könnte einem schwerwiegenden Irrtum unterliegen. Jean-Jaques Rousseau vergällt nicht das Glück als solches, sondern er hält es gerade umgekehrt hoch in Form einer Selbstsorge. Aus dieses kann die Empathie allererst erwachsen. Doch verlangte der Philosoph keineswegs, dass man sich selbst herabsetzt, schämt, gar verzweifelt, weil es einem selbst besser geht als einem leidenden anderen. Svenja Flaßpöhler ergänzt: „In der Tat ist die Fähigkeit, mit anderen mitzufühlen, ein zentraler Antriebsmotor solidarischer Bewegungen. Und sie ist entscheidend für den zivilisatorischen Fortschritt.“

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Die Folgen der Schuldenkrise sind nicht überwunden

Die Coronakrise trifft die Europäische Union (EU) und die Europäische Währungsgemeinschaft in einem verletzlichen Zustand. Clemens Fuest weiß: „Die Folgen der Schuldenkrise im Euroraum sind nicht überwunden. Der Brexit hat die EU verunsichert und geschwächt. Zwischen Brüssel und einigen der mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten, vor allem Polen und Ungarn, wachsen die Differenzen.“ Italien leidet unter einer chronischen Wachstumssschwäche. Zudem geriet das Land kürzlich mit den europäischen Institutionen in einen harten Konflikt über die Einhaltung fiskalpolitischer Regeln. Der Konflikt hat einem mehr eines gezeigt. Es ist nicht möglich, Mitgliedsstaaten zur Einhaltung finanzpolitischer Regeln zu zwingen, selbst wenn sie diesen Regeln vorher selbst zugestimmt haben. Ob eine wirtschaftlich geschwächte und uneinige Gemeinschaft eine Bewährungsprobe wie die Coronakrise bestehen kann, ist fraglich. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Der Liebende liebt das Schöne

In Platons „Symposion“ heißt es: „Der Liebende liebt das Schöne. Das Schöne findet sich nicht nur an einem Menschen.“ Also liebt er nicht nur viele. Nein, als Philosoph muss er sogar viele lieben, weil er sonst eben den allgemeinen Charakter der Schönheit nicht erkennt. Daraus lässt sich für Peter Trawny die Aufforderung ablesen, mit der Ansicht aufzuhören, es gäbe nur einen schönen Körper, nämlich den des gerade Geliebten. Da kann dann die Ehe nur stören. Wie dem auch sei. In Zeiten, in denen die Scheidung zu einer gewöhnlichen Angelegenheit geworden ist, ist ein Lob der Ehe fragwürdig, wenn nicht befremdlich. Peter Trawny vermutet: „Heute schein es nicht nur die Philosophen zu sein, die den allgemeinen Charakter der Schönheit erkannt haben und ihm zusprechen.“ Peter Trawny gründete 2012 das Martin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, das er seitdem leitet.

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Gefahren lassen sich in zwei Kategorien einteilen

Die negative Freiheit ist robust und kann die individuelle Freiheit gegen Gefahren schützen. Die Vorstellung eines unangreifbaren Freiheitsraums des Individuums, so merkt Charles Taylor an, mutet wie die Errichtung einer Barriere gegen den Totalitarismus an. Die von Isaiah Berlin Ende der 1950er-Jahre geschilderten Gefahren lassen sich laut Katia Henriette Backhaus in zwei Kategorien einordnen. Erstens entsteht eine Gefährdung der Freiheit, sobald die metaphysische Annahme einer „höheren Instanz“ gemacht wird, die naturgemäß Unterwerfung verlangt. Die andere Gefahr ist weniger schillernd, aber politisch nicht weniger wirkmächtig. Nämlich die Verwechslung von Freiheit mit anderen politischen Werten wie Sicherheit oder Anerkennung. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main im Bereich der politischen Theorie promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

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Die Demokratie begrenzt die Macht institutionell

Sind Demokratie und Eliten nicht per se ein Widerspruch? Das ist nur dann ein Widerspruch, wenn man Demokratie als Herrschaftsfreiheit, als die Abwesenheit jeglicher Herrschaft, als reine Selbstregierung versteht. Isolde Charim betont: „Tatsächlich aber ist dies eine Mystifizierung. Demokratie bedeutet nicht Herrschaftsfreiheit, sondern eine Gesellschaftsordnung, die Macht institutionell begrenzt.“ Insofern gibt es auch in der Demokratie Eliten, auch politische Eliten, ohne dass dieses Faktum undemokratisch wäre. Allerdings ist es nur dann demokratisch, wen die Macht dieser Eliten eingehegt ist, sozusagen gezähmt durch Begrenzung. Begrenzt durch die Verwandlung von Machthabern in Amtsträger. Begrenzt durch die Wähl- und Abwählbarkeit dieser Amtsträger. Eingehegt durch Kontrolle, Transparenz, Responsivität, Verantwortung. Zumindest der Möglichkeit nach. Dr. Isolde Charim ist Philosophin und freie Publizistin. Seit 2007 arbeitet sie als wissenschaftliche Kuratorin am „Bruno Kreisky Forum“.

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Menschen wollen sich das Leben leichter machen

Der Einfallsreichtum des Menschen zeigt sich in Kunstwerken, Musik und Geschichten. Er lässt sich aber auch an Dingen ablesen, mit denen er sich umgibt. Heute ist es für viele Menschen selbstverständlich, bereits in der eigenen Wohnung Zugriff auf Tausende verschiedener Gegenstände zu haben. Stefan Klein fügt hinzu: „Die meisten dieser Objekte beachten wir kaum. Wir lagern sie in irgendeinem Winkel und erinnern uns nur unter besonderen Umständen an sie.“ Selbst ein Werkzeugkasten ist ein Monument der schöpferischen Intelligenz. Auf solche Zeugnisse der Kreativität stößt man, wohin man in der heutigen Welt nur schaut. Es scheint, als sei dem Menschen ein Drang angeboren, sich mit Einfällen das Leben leichter und interessanter zu machen. Stefan Klein zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsautoren der deutschen Sprache. Er studierte Physik und analytische Philosophie in München, Grenoble und Freiburg.

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Die Sprache bestimmt das Leben

Vielen Menschen fällt der Spagat schwer, in der Sache klar und bestimmt zu formulieren, aber anderen trotzdem freundlich zu begegnen. Thomas W. Albrecht weiß: „So kommt es zu Konflikten oder mangels klarer Botschaften bleiben eigene Bedürfnisse und Wünsche auf der Strecke.“ Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass es oft einfach daran liegt, wie sie etwas sagen. Wie man redet, bestimmt das gesamte Leben. Und das beginnt bereits bei den eigenen Gedanken. Thomas W. Albrecht vertritt die These, dass es ganz leicht ist, die besondere Kraft der Sprache zu erkennen und zu nutzen. Man muss nur wissen, worauf es dabei ankommt. Es gilt, wie beim Reden mit anderen: Der Ton macht die Musik. Thomas W. Albrecht ist Experte für Kommunikation und Rhetorik.

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Die Philosophie muss eine andere Welt entdecken

Friedrich Nietzsches Annahme, dass es für die Philosophie noch eine „andere“ Welt zu entdecken gäbe, beschließt den Aphorismus „Auf die Schiffe!“ aus „Die fröhliche Wissenschaft. Die „andere“ Welt auf die Friedrich Nietzsche abzielt, ist identisch mit einem neuen, sinngebenden philosophischen Grundgedankengang. Dieser ist tauglich zu einer alternativen, aus herkömmlichen Philosophien nicht beziehbaren Daseinsberechtigung. Insbesondere für den Bösen, den Unglücklichen, den Ausnahme-Menschen, den Übermenschen. Christian Niemeyer ergänzt: „In „Jenseits von Gut und Böse“ sehen wir Nietzsche erneute auf „die Schiffe gehen“, nun ein – wie er es nennt – fast noch neues Reich gefährlicher Erkenntnisse entdeckend.“ Dabei handelt es sich um ein Reich psychologischer Erkenntnisse. Der Erziehungswissenschaftler und Psychologe Prof. Dr. phil. habil. Christian Niemeyer lehrte bis 2017 Sozialpädagogik an der TU Dresden.

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Pisa verlor 1406 seine Unabhängigkeit

Dom, Turm, Bapisterium und Friedhof bildeten das sakrale Zentrum der Kommune Pisa. Nach dem Verlust der Unabhängigkeit im 15. Jahrhundert wurde das grandiose Ensemble zum Ort der wehmütigen oder auch widerständigen Erinnerung an verlorene Größe. Um 1300 war die stolze Stadt Pisa von Florenz wirtschaftlich und politisch überflügelt worden. Im Jahr 1406 musste sie sich der verhassten Rivalin sogar unterwerfen und verlor ihre Unabhängigkeit. Volker Reinhardt fügt hinzu: „Die Selbstständigkeit gewann Pisa zwar 1494 zurück. Es musste sich aber 1509 nach langer Belagerung ausgehungert und finanziell erschöpft, erneut unterwerfen. Und zwar diesmal endgültig.“ Von nun an blieb für den Lokalstolz nur noch die Universität. Volker Reinhardt it Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Er gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

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