Auf Stagnation folgte Wachstum

Thomas Malthus glaubte seine „Armutsfalle“ als ewiges Weltgesetz etabliert zu haben. Doch plötzlich kam der von ihm beschriebene Mechanismus zum ersten Mal zum Stillstand. Und die Metamorphose von der Stagnation zum Wachstum nahm ihren Lauf. Oded Galor fragt: „Wie schaffte es die menschliche Spezies, der Armutsfalle zu entkommen?“ Um unter anderem diese Frage beantworten, hat Oded Galor eine einheitliche Theorie entwickelt, die versucht, die Reise der Menschheit in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Diese Theorie veranschaulicht, welche Kräfte den Übergang von einer Epoche der Stagnation zu einer Ära anhaltender Steigerung des Lebensstandards bestimmten. Zudem verdeutlicht sie den Einfluss der Vergangenheit auf das Schicksal der Nationen. Oded Galor ist israelischer Wirtschaftswissenschaftler und mehrfach ausgezeichneter Professor an der Brown University, USA. Er forscht vor allem zum Thema Wirtschaftswachstum.

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Leben und Wille sind aktive Prinzipien

Der Forschungsgegenstand der Physik war von Anfang an das, was man als „unbelebte Materie“ bezeichnet. Dass das Leben gänzlich anderen Gesetzen folgt, bemerkte schon Isaac Newton. Er schreibt: „Leben und Wille sind aber aktive Prinzipien. Durch diese bewegen wir den Körper. Und aus ihnen erwachsen andere Gesetze der Bewegung, die uns unbekannt sind.“ Seit dem frühen 17. Jahrhundert behaupteten Forscher, dass sich nicht nur die Bewegungen toter Objekte, sondern auch die des Lebens vollständig aus den Prinzipien der Mechanik erklären ließen. Fabian Scheidler erklärt: „Isaac Newton wies jedoch auf die entscheidende Schwäche dieser Auffassung hin. Wenn Lebewesen rein mechanische Apparaturen sind, wie ist dann die Erfahrungstatsache zu erklären, dass wir unseren Körper durch bewusste Entscheidungen bewegen können?“ Der Publizist Fabian Scheidler schreibt seit vielen Jahren über globale Gerechtigkeit.

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Schon immer suchte der Mensch einen Schutzraum

Der Rückzug von draußen nach drinnen, von der Welt in die Höhle, ist so alt wie die Menschheit. Das Verlassen der vertrauten Baumkronen erzwang die Suche nach einem Schutzraum im Gelände, um nicht wilden Tieren oder feindlich gesinnten Artgenossen ausgeliefert zu sein. Wilhelm Schmid stellt fest: „Vertrauensselig unter Sternen zu schlummern, ist eine moderne Idee, die archaischen Menschen das Leben gekostet hätte. Romantik konnten sie sich nicht leisten.“ Sich auszuruhen war von Anfang an eine gefährliche Angelegenheit. Daher der Rückzug in jede Art von natürlichem Gewölbe, das Schutz bieten konnte. Als Menschen begannen, aus Erde, Gräsern, Stroh, Lehm, Holz und Steinen künstliche Höhlen zu bauen, bildete sich die Form des Hauses heraus. Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin.

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Originalität und Rarität machen einzigartig

Die kulturellen Güter, die in der Spätmoderne fabriziert und angeeignet werden, sind überwiegend singuläre Güter. Andreas Reckwitz schränkt ein: „Natürlich: Jene kulturellen Güter, die massenhaft produziert und von der Masse als standardisierte genossen werden, hat es in der Moderne immer gegeben und gibt es immer noch.“ Doch sie sind in die Defensive geraten und herabgesunken in die Sphäre der Profanität. Aber was macht ein kulturelles Gut zu einem singulären? Um einzigartig zu werden, kommen für ein Gut zwei Eigenschaften in Frage, die nicht aufeinander reduzierbar sind: Originalität und Rarität. Demgegenüber ist das standardisierte Gut, dem die Singularität abgesprochen wird, durch Gleichförmigkeit und Massenhaftigkeit charakterisiert. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

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Monopole zerstören den Wohlstand

Hans-Jürgen Jakobs beschreibt in seinem neuen Buch „Das Monopol im 21. Jahrhundert“ wie private Unternehmen und staatliche Konzerne den Wohlstand der Bürger zerstören. Der Autor verwendet den Begriff „Monopol“ nicht strikt als Synonym für Alleinanbieter. Denn so etwas kommt sehr selten vor. Sondern er bezeichnet damit Unternehmen, die sich extrem hoher Marktanteile erfreuen und somit eine bestimmende Wirkung haben. Einen „Monopolismus“ gibt es inzwischen weltweit in zwei Varianten. Im Westen hat er sich durch das Wirken von Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft metastasenartig ausgebreitet. Digitalisierung ist für sie Monopolisierung, in der Öffentlichkeit als angebliches Grundgesetz der Plattformökonomie verkauft. Die östliche Variante des Monopolismus ist staatlich beziehungsweise verstaatlicht. China steht mit seinem Staatsmonopolismus für die zweite Spielart des Monopolismus. Hans-Jürgen Jakobs ist Volkswirt und einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten Deutschlands.

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Sparsamkeit und Paranoia führt zu Reichtum

Es gibt Millionen Arten, reich zu werden, und es gibt noch mehr Bücher darüber, wie man es schaffen kann. Aber es gibt nur eine Art, reich zu bleiben: mit Sparsamkeit und Paranoia. Allerdings fällt diese Wahrheit meist unter den Tisch. Selbst wenn man sich nicht als „reich“ bezeichnen würde, sollte man sich immer zwei Tatsachen vor Augen halten: Geld zu machen ist eines, es zu behalten, etwas ganz anderes. Wenn Morgan Housel finanziellen Erfolg in einem Wort zusammenfassen müsste, würde es „überleben“ lauten. Die freie Marktwirtschaft ist ein Haifischbecken. Reich wird man, indem man hochoptimistisch Risiken eingeht und sich damit exponiert. Doch um reich zu bleiben, muss man seine Risiken begrenzen. Morgan Housel ist Partner bei der Risikokapitalgesellschaft The Collaborative Fund.

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Die Politik neigt zu Protektionismus

Wenn man wissen will, wie es nach der Corona-Pandemie mit der Globalisierung weitergeht, sollte man zwei Dimensionen unterscheiden. Clemens Fuest erläutert: „Erstens Marktreaktionen, also Verhaltensänderungen der Unternehmen und der Verbraucher. Zweitens Reaktionen der Politik wie etwa eine verstärkte Neigung zu Protektionismus.“ Werden die Unternehmen ihre Wertschöpfungsketten nach der Krise verändern? Man kann damit rechnen, dass international agierende Firmen in Zukunft darüber nachdenken, welche Produkte sie selbst herstellen und welche sie zukaufen. Beides ist mit Risiken verbunden. Es kann durchaus sein, dass eine Epidemie, eine Naturkatastrophe oder einen Unfall die eigene Produktion lahmgelegt, während Zulieferer davon nicht betroffen sind. Wenn man sich für Outsourcing entscheidet, können die Zulieferer aus dem Inland oder dem Ausland kommen. Clemens Fuest ist seit April 2017 Präsident des ifo Instituts.

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Martha Nussbaum fordert Gerechtigkeit

Um die Frage, was für ein gutes Leben wichtig ist, geht es Martha Nussbaum und Amartya Sen, die den „capabilities“-Ansatz maßgeblich entwickelt haben. Katia Henriette Backhaus erklärt: „Nussbaum versteht ihre Variante als Teil des politischen Liberalismus. Es gibt jedoch grundlegende Unterschiede zur Debatte um „greening liberalism“. Soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und die Lebensqualität stehen im Kern von Martha Nussbaums Überlegungen, die sich darum drehen, was eine Person fähig ist, zu tun und zu sein. Davon ausgehend bildet sie ihre Gerechtigkeitstheorie. Eine Kombination interner Fähigkeiten und externer Möglichkeiten macht den umfassenden Charakter dieses Ansatzes aus. Dieser fordert von Gesellschaft und Staat, diese beiden Aspekte menschlicher „capabilities“ zu gewährleisten. Katia Henriette Backhaus hat an der Universität Frankfurt am Main im Bereich der politischen Theorie promoviert. Sie lebt in Bremen und arbeitet als Journalistin.

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Das deutsche Steuersystem ist ungerecht

Wie kann es sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland so viele Menschen nur wenig oder gar keine Ersparnisse bilden können? Marcel Fratzscher nennt zentrale Gründe: „Der erste zentrale ist die Einkommensungleichheit. Denn nicht nur bei den Vermögen, sondern auch bei den Einkommen ist die Schere in den letzten dreißig Jahren weiter auseinandergegangen.“ Die einkommensschwächsten 20 Prozent der Bevölkerung haben vom allgemeinen Anstieg der Einkommen nicht profitiert. Sie gingen leer aus. Noch schlimmer: Betrachtet man nur die letzten beiden Jahrzehnte, dann muss diese Gruppe sogar fallende reale Einkommen hinnehmen. Das hat Auswirkungen. Wenn Einkommen stagnieren oder sogar fallen, dann versuchen Menschen als Erstes, ihren Lebensstandard zu sichern. Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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Alle Hochkulturen verfügen über Weisheitsliteratur

Jede Handlung, jeder Satz hat eine Bedeutung. Aber hat das Ganze auch einen Sinn im Leben eines Menschen? Warum ist etwas so und nicht anders? Warum gibt es etwas und nicht nichts? Solche und ähnliche Fragen und alle Antworten auf diese Fragen beruhen zum Teil auf Alltagserfahrungen, zum Teil auf den vorherrschenden Weltauffassungen. Ágnes Heller fügt hinzu: „Antworten auf diese und ähnliche Fragen, ob in Prosa oder Poesie, niedergeschrieben oder mündlich vermittelt, befriedigen das elementare Bedürfnis, die Welt zu erkennen.“ Alle bekannten Hochkulturen verfügen über Weisheitsliteratur, innerhalb der Religionen oder getrennt davon, die Antworten auf solche brennenden Fragen bieten. Ab 1977 lehrte Ágnes Heller als Professorin für Soziologie in Melbourne. 1986 wurde sie Nachfolgerin von Hannah Arendt auf deren Lehrstuhl für Philosophie an der New School for Social Research in New York.

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Emissionen beschleunigen die Erderwärmung

Die Welt erwärmt sich seit der letzten Kaltzeit, deren Maximum vor circa 20.000 Jahren war. Zu dieser Zeit gab es auf der Welt ausgedehnte Gletscher, die große Mengen an Wasser banden und den Meeresspiegel um etwa 100 Meter absinken ließen. Ille C. Gebeshuber erklärt: „Nordeuropa, einschließlich der britischen Inseln, war von dicken Eismassen bedeckt. Seit dem Ende der Kaltzeit vor circa 12.000 Jahren befinden sich die Gletscher auf dem Rückzug.“ Da die CO2-Konzentration in der Atmosphäre einen Einfluss auf die nach wie vor stattfindende Erderwärmung hat, beschleunigen die massiven Emissionen der Menschheit diesen Prozess. Positiv ist die Erwärmung für die nördliche Hemisphäre. Dort können in Sibirien und Kanada mehr Landmassen für die Landwirtschaft erschlossen werden. Ille C. Gebeshuber ist Professorin für Physik an der Technischen Universität Wien.

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Politische Gleichheit erfordert Gegenseitigkeit

Eine Komponente von politischer Gleichheit betrifft egalitäre Praktiken der Gegenseitigkeit. Danielle Allen erläutert: „Für gerechte menschliche Beziehungen ist die Art von Gleichheit erforderlich, die sich in Gegenseitigkeitsprinzipien äußert.“ Solche Prinzipien bilden die Grundlage für Interaktionen. Durch diese erlangen sowohl Freude als auch Mitbürger in ihren Beziehungen zueinander gleiche Handlungsmacht. Folgendes gilt sowohl für die Freundschaft als auch für die Politik. Alle Beteiligten möchten über einen Handlungsspielraum verfügen, der keine Einschränkungen durch andere erfährt. Das Erlangen von Freiheit beruht auf einer egalitären Verpflichtung zur ständigen Neujustierung, mit deren Hilfe Beeinträchtigungen behoben werden können. Die Verfahren zur Problemlösung eines freien Volkes stützen sich auf diese Art von egalitärer Grundlage, auf Gewohnheiten der Gegenseitigkeit. Die Politikwissenschaftlerin und Altphilologin Danielle Allen lehrt als Professorin an der Harvard University. Zugleich ist sie Direktorin des Edmond J. Safra Center for Ethics in Harvard.

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Die Religion schafft keine allumfassende Identität

Die Religion eines Menschen muss nicht seine allumfassende oder ausschließliche Identität sein. Amartya Sen nennt ein Beispiel: „Gerade der Islam als Religion enthebt die Muslime in vielen Lebensbereichen nicht der Notwendigkeit einer verantwortungsbewussten Entscheidung.“ Es ist durchaus möglich, dass der eine Muslim eine streitbare Haltung einnimmt, während sich ein anderer sich gegenüber Andersgläubigen vollkommen tolerant verhält. Keiner der beiden hört allein aus diesem Grund auf, ein Muslim zu sein. Es gibt ausgesprochen verworrene Reaktionen auf den islamischen Fundamentalismus und den damit verbundenen Terrorismus. Das liegt daran, wenn man generell versäumt, zwischen islamischer Geschichte und der Geschichte der muslimischen Völker zu unterscheiden. Amartya Sen ist Professor für Philosophie und Ökonomie an der Harvard Universität. Im Jahr 1998 erhielt er den Nobelpreis für Ökonomie.

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Der Liberalismus ist weltweit stark gefährdet

In seinem neuen Buch „Der Liberalismus und seine Feinde“ benennt Francis Fukuyama die Probleme der Gegenwart und wie sich eine liberale Gesellschaft dazu verhalten muss. Seine Fragen sind so aktuell wie nie: „Warum haben sich so viele Menschen von der Demokratie und Freiheit entfernt? Und wie machen wir den Liberalismus endlich wieder attraktiv und stark?“ Mit seinem Werk will der Autor eine Verteidigung des klassischen Liberalismus vorlegen, denn er vertritt die These, dass dieser heute überall auf der Welt stark gefährdet ist. Früher mochte man ihn für selbstverständlich halten. Doch heute müssen seine Tugenden aufs Neue klar dargelegt und hervorgehoben werden. Mit „Liberalismus“ bezieht sich Francis Fukuyama auf die Lehre, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erstmals in Erscheinung trat. Francis Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart.

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Liebe berührt eine Person im Innersten

Liebe ist ein wichtiger Teil der Intimität eines Menschen. Das, was eine Person im Innersten berührt, was sie im Innersten mit sich selbst und dem oder der Geliebten auszuhandeln haben, entzieht sich der öffentlichen Welt von Arbeit und Unterhaltung. Obwohl Intimität nicht schon mit dem Privaten übereinstimmt, möchte Peter Trawny zunächst einräumen, dass alles, „was unsere Liebe betrifft, unter uns bleibt“. Hannah Arendt hat das vielfach behauptet. Die „Eigenschaften des Herzens“ bedürfen der „Dunkelheit und des Schutzes gegen das Licht der Öffentlichkeit.“ Nur so können sie sich entfalten und bleiben was sie sind. Nämlich die innersten, verborgenen Antriebe, die sich zur öffentlichen Schaustellung nicht eignen. Peter Trawny gründete 2012 das Matin-Heidegger-Institut an der Bergischen Universität in Wuppertal, dessen Leitung er seitdem innehat.

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Menschen lernen Vertrautes

Es ist wahrscheinlich, dass die natürliche Selektion diejenigen Gene weiterverbreitete, die für das Erlernen überlebenswichtiger Fähigkeiten, für Nahrungsbeschaffung und Fortpflanzung entscheidend waren. Der Sozialbiologe Edward O. Wilson schreibt: „Ein bestimmter Genotyp macht ein gewisses Verhalten wahrscheinlicher, sodass es sich wiederum in der Population weiterverbreitet, bis sich das Verhalten schließlich durchsetzt.“ Anders gesagt: Menschen lernen, was ihnen vertraut ist, doch manche Dinge lernen sie schneller und einfacher als andere. Lucy F. Jones erklärt: „Und diese Dinge lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den natürlichen Lebensraum zurückführen, in dem der Homo sapiens den mit Abstand größten Teil seiner Entwicklungsgeschichte verbracht hat.“ Lucy F. Jones ist Journalistin. Sie schreibt regelmäßig zu wissenschaftlichen Themen, Gesundheit, Umwelt und Natur für die BBC, The Guardian und The Sunday Times.

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Die globale Politik ist von Gewalt bedroht

Das Philosophie Magazin hat eine neue Sonderausgabe mit dem Titel „Impulse für 2023“ veröffentlicht. Darin präsentiert es ausgesuchte Essays und Gespräche zu den großen Fragen der Gegenwart. Gegliedert ist das Heft in vier große Blöcke: Weltunordnung, die Herrschaft der Technik, Natur als Subjekt sowie Gesellschaft und Politik. Der russische Überfall auf die Ukraine ist zugleich ein Anschlag auf politische Gewissheiten. Die Überzeugung, dass Handel Frieden stiftet oder dass sich die Menschheit auf ein einziges, liberales Modell zubewegt, hat großen Schaden genommen. Es zeichnet sich im Gegenteil eine nichtwestliche Weltunordnung ab, eine gewaltsame Umwälzung der globalen Politik. Für Jürgen Habermas unterschlägt der schrille Ton in der deutschen Debatte um die Zeitenwende die Komplexität der Situation und das Risiko einer nuklearen Katastrophe.

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Das Denken kommt vor der Handlung

Das menschliche Gehirn verfügt gleichsam über ein Modell des Raumes. Matthias Glaubrecht erklärt: „So können wir uns beispielsweise in Gedanken vorstellen zu hantieren, ohne dies bereits handgreiflich zu tun. Wir können Handlungen vollziehen, ohne sie wirklich schon auszuführen.“ Die Vorfahren der heutigen Menschen konnten irgendwann dank ihres sich entwickelnden Gehirns denken, ehe sie handelten. Diese Fähigkeit, bereits vorstellungsmäßig verschiedene Lösungsmöglichkeiten durchzuprobieren, ist leicht nachvollziehbar. Zudem ist sie von erheblichem biologischem Wert. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz betonte, dass man so bereits im Vorfeld etwas zu den Folgen verschiedener Handlungsweisen erfährt, ohne etwaige Konsequenzen in Kauf nehmen zu müssen. Dieses sogenannte Hantieren im Vorstellungsraum ist eine ursprüngliche Form des Denkens. Draußen sind Objekte, drinnen sind Gedanken und Träume, Fiktionen und Halluzinationen. Matthias Glaubrecht ist Evolutionsbiologe, Systematiker und Wissenschaftshistoriker.

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Die Nahrung hat Einfluss auf das Gehirn

Jede Mahlzeit besteht aus Kohlehydraten, Fetten und Proteinen – Bausteine für beispielsweise Transmitter. Diese übernehmen im Gehirn wichtige Funktionen. Laut Soyoung Q Park wird das menschliche Denken und Verhalten stärker vom Essen gesteuert, als bisher gedacht. Ihre Forschungsgruppe hat gemeinsam mit Wissenschaftlern aus München und London herausgefunden, dass die Zusammensetzung der Nahrung Einfluss auf die im Gehirn zur Verfügung stehenden Neurotransmitter hat: „Sie belegte, dass unsere täglichen Mahlzeiten sogar bestimmen, wie wir uns in bestimmten Situationen entscheiden.“ Dafür ließ sie Probanden unterschiedlich frühstücken. Eine Gruppe aß mehr Kohlenhydrate, die andere mehr Proteine. Alle Teilnehmer wurden anschließend mit unfairen Angeboten konfrontiert. Sie konnten zwei von zehn Euro-Münzen annehmen, den Rest bekäme dann der andere – also unfair verteilt. Prof. Dr. Soyoung Q Park ist Professorin für Ernährungsneurowissenschaften an der Charité.

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Couragierte Menschen schreiten gegen Willkür ein

Wenn es auch keine eindeutigen und objektiven Kriterien gibt, warum Menschen Zivilcourage zeigen, ist es doch möglich, Hinweise zu finden. Klaus-Peter Hufer stellt fest: „Diese ergeben sich aus den Lebensgeschichten und Handlungen derer, die in beeindruckender Weise sozialen Mut zeigen.“ Die Verdienste dieser Menschen liegen zweifelsohne in ihrem couragierten Verhalten. Bei Not greifen sie selbstlos ein und schreiten gegen Unterdrückung, Willkür und Diktatur ein. Sie sind dabei über die Grenzen ihrer eigenen Sicherheit gegangen. Dabei darf man jedoch nicht übersehen, dass es viele „stille Helden“ gab und gibt. Unzählige Menschen halfen und schützten Opfer und Bedrohte im Laufe der Geschichte. Dies geschah in allen Ländern und zu allen Zeiten. Klaus-Peter Hufer promovierte 1984 in Politikwissenschaften, 2001 folgte die Habilitation in Erziehungswissenschaften. Danach lehrte er als außerplanmäßiger Professor an der Uni Duisburg-Essen.

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Paris verströmt ein einzigartiges Flair

Der Reiseführer Paris beschreibt eindringlich die Anziehungskraft der französischen Hauptstadt. Autorin Gabriele Kalmbach schreibt: „Jeder Stadtteil hat Entdeckenswertes, idyllische Plätze, kleine Geheimtipps, belebte Märkte, versteckte Hinterhöfe neben den großen, bekannten Sehenswürdigkeiten.“ Es ist das unvergleichliche Flair, das den Touristen umfängt, wenn er in der Seine-Metropole eintrifft. Diese Atmosphäre ist entstanden aus Geschichte, Architektur und Kultur der Stadt wie auch durch das Lebensgefühl und Lebensart der Pariser. Zudem gibt es in Paris einige herausragende Touristenmagneten, die kein Besucher verpassen sollte. Dazu gehört ohne Zweifel der Eiffelturm. Das Wahrzeichen der Stadt wurde zur Weltausstellung im Jahr 1889 gebaut. Treppen und Fahrstühle bringen die Besucher zu drei Aussichtsplattformen in luftiger Höhe. Im weitläufigen Museum Louvre hängen zwei weltberühmte Schönheiten: Mona Lisa und Venus von Milo.

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Der Mensch ist ein Teil der Natur

Carlo Rovelli schreibt: „Was wir im Einzelnen sein mögen, als Menschen sind wir jedenfalls Teile der Natur, ein Steinchen im großen Mosaik des Kosmos, ein kleines unter vielen anderen.“ Zwischen den Menschen und der übrigen Welt gibt es physikalische Wechselwirkungen. Natürlich interagieren nicht alle Variablen der Welt mit den Menschen oder dem Stückchen von ihr, dem sie angehören. Nur ein verschwindend geringer Bruchteil dieser Variablen tut dies. Tatsächlich wechselwirkt der Großteil nicht mit den Menschen. Deswegen sind verschiedenen Konfigurationen der Welt für sie gleichbedeutend. Die physikalische Wechselwirkung zwischen der eigenen Person und einem Glas Wasser hängt nicht von den detaillierten Bewegungen der einzelnen Wassermoleküle ab. Seit dem Jahr 2000 ist Carlo Rovelli Professor für Physik an der Universität Marseille.

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Die Uhr verwirrte das Denken

Als die Uhr in die Welt kam, verwirrte sie das Denken mit einer enormen Wucht. Dieser war die sogar unfassbar mächtige Kirche, trotz lang anhaltenden Widerstands, am Ende nicht gewachsen. Daniel Goeudevert erklärt: „Ein von Menschen geformtes Werkzeug wurde zum göttlichen Prinzip erklärt und Gott zu einem Uhrmacher degradiert. Das ganze Universum samt der lebendigen Natur erfuhr eine mechanistische, rationalistische Umdeutung.“ Dadurch geriet eine Zukunft in den Blick, die nicht im Jenseits lag, sondern die man schon im Diesseits, auf Erden erreichen konnte. Und diejenigen, die darüber „aufklärten“, waren fast alle von dem meisterhaften Räderwerk der Uhr inspiriert. Den Anfang machte Francis Bacon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit seiner Schrift „Novum Organum“. Daniel Goeudevert war Vorsitzender der deutschen Vorstände von Citroën, Renault und Ford sowie Mitglied des Konzernvorstands von VW.

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Effiziente Lösungen hängen von Interessen ab

Um es zu verstehen, muss man sich den Begriff eines Problems zunächst einmal genauer anschauen. Markus Gabriel definiert: „Ein Problem ist eine Aufgabe, die ein Akteur lösen will, um ein bestimmtes Ziel, also die Lösung, zu erreichen.“ Für jedes Problem gibt es verschiedene Lösungsstrategien, die man nach ihrer Effizienz ordnen kann. Doch schon da beginnt das Problem mit den Problemen. Denn was als effizient gilt, hängt von den Interessen ab. Der schnellste Weg, eine Lösung zu erreichen, ist nicht unbedingt intelligent, sondern nur, wenn Geschwindigkeit eine Rolle spielt. Es gibt also kein absolutes Effizienzkriterium. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne. Zudem ist er dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Anne Applebaum analysiert den politischen Wandel

Der politische Wandel ist seit Langem Gegenstand des Interesses von Akademikern und Intellektuellen. Dazu zählen ein Stimmungsumschwung in der Bevölkerung, die Kehrtwendung der öffentlichen Meinung oder der Einbruch der Wählerschaft einer Partei. Anne Applebaum weiß: „Es gibt eine umfangreiche Literatur zu Revolutionen und ein eigenes Untergenre, das sie vorhersagen soll. Die meisten Untersuchungen stützen sich auf quantifizierbare wirtschaftliche Messgrößen, etwa die Ungleichheit oder den Lebensstandard.“ Dabei geht es darum zu prognostizieren, wie groß das wirtschaftliche Leid, wie nagend der Hunger und wie verbreitet die Armut sein muss, um eine Reaktion zu provozieren, die Menschen auf die Straße zu treiben und Risiken auf sich nehmen zu lassen. Anne Applebaum ist Historikerin und Journalistin. Sie arbeitet als Senior Fellow an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University.

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