Die Probleme des Partners sind immer auch die eigenen

Viele Paare trennen sich, weil ihre Beziehung im Laufe der Zeit kontinuierlich schlechter geworden ist. Sie reden seltener miteinander, interessieren sich immer weniger für das, was der andere tut und was der andere denkt. Oft aber zerfallen Partnerschaften nach ganz konkreten Ereignissen. Es sind Ereignisse, die einen der Partner nachhaltig unter Stress setzen und dadurch die Qualität der Paarbeziehung beeinträchtigen. Christian Thiel nennt Beispiele: „Ein Kind wird geboren und erfordert viel Zeit und Aufmerksamkeit. Schon fühlt sich der Partner vernachlässigt. Ein Elternteil stirbt, und die Partnerin versinkt in depressiven Gefühlen. Der Partner verliert den Arbeitsplatz und damit auch seinen Mut und seine Hoffnung.“ Die Psychologie spricht in solchen Fällen von kritischen Lebensereignissen. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

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Das exzentrische Selbst spiegelt sich in anderen Menschen

Der Psychologe Martin Altmeyer schreibt: „Identität ist das seelische Hauptproblem unserer Zeit. Das individualisierte Ich strebt nach Selbstvergewisserung.“ Was der Frankfurter Soziologe und Psychologe Martin Dornes als postheroische Persönlichkeit bezeichnet, nennt Martin Altmeyer das „exzentrische Selbst“, ein neuer Sozialcharakter, der stärker denn je dazu neigt, sich anderen Menschen zu zeigen. Dabei geht es um mehr als gewöhnliche Eitelkeit. Martin Altmeyer erklärt: „Wer in dieser Welt unterwegs ist, tut das nicht als Einzelgänger, sondern sehnt sich nach einem sozialen Echo, möchte sich gespiegelt sehen. Er zeigt sich letzten Endes, um zu erfahren, was er kann, wer er ist und welche Bedeutung er für andere hat.“ Die mediale Selbstdarstellung ist quasi zu einer Art Existenzbeweis geworden. Die Identitätsformel der digitalen Modere lautet: Ich werde gesehen, also bin ich.

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Anklagen ist ein Zeitvertreib für Verlierer

Über die einzige Quelle von Stress wird nur selten oder nie etwas gesagt: „Stress gibt es nur, wenn Sie „Ja“ sagen und „Nein“ meinen.“ Dann – und nur dann – hat man Stress: Wenn man sich den Erwartungen anderer beugt, wenn man sich oberflächlich anpasst, aber eigentlich lieber etwas ganz anderes tun wollte. Wer „Ja“ sagt und „Nein“ meint, dreht die Verantwortung nach außen und beschuldigt den anderen. Ärger bedeutet immer, dass man jemanden Verantwortung zuschiebt, die man selber hat. Reinhard K. Sprenger sagt damit allerdings nicht, dass einem die Erwartungen anderer egal sein sollten. Er sagt nur, dass man sich diese Erwartungen nicht reflexhaft zu Eigen machen muss. Reinhard K. Sprenger ist promovierter Philosoph und gilt als einer der profiliertesten Managementberater und Führungsexperte Deutschlands.

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Noch ist die Verbesserung des Menschengeschlechts Utopie

Das Bild, das der Mensch von sich entwirft, entspricht in der Regel dem, was der Mensch entwerfen kann. Modelle für die Selbstansichten des Menschen sind seit Anbeginn der Artefakte und Maschinen, die der Mensch selbst imstande war zu konstruieren und zu bauen. Konrad Paul Liessmann stellt fest: „In der Genetik schließlich skizzieren evolutionstheoretische und technizistische Pinselstriche ein Bild des Menschen, das diesen nun als Maschine zur Produktion und Streuung von Genen zeigt.“ Die Entzifferung des genetischen Codes des Menschen erschien vielen deshalb nicht nur als ein entscheidender Schritt zur Selbsterkenntnis, sondern auch als erster Schritt, um nun wirklich an der Verbesserung des Menschen arbeiten zu können. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Das Internet trägt wesentlich zur Verbreitung des Narzissmus bei

Die moderne Gesellschaft scheint sich einig, dass Narzissmus zu verurteilen ist: als ein Macke, wenn nicht als ein Geistesstörung. Aber nicht jeder, der stört, ist auch gestört. Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen erklärt: „Das Netz ist so ziemlich das größte Instrument zur Förderung von Narzissmus, das je gebaut wurde.“ Lange Zeit war narzisstisches Verhalten ein Privileg der Reichen und Einflussreichen, zu deren Jobprofil es gehörte, auf dicke Hose zu machen. Nur sie konnten sich öffentliches Gepolter erlauben, um ihr Ego aufzuplustern, nur sie fanden damit Gehör. Auf Facebook, Instagram, Pinterest ruft der Narzisst der Welt zu: „Schaut her! Hier bin ich! Was haltet ihr davon? Wie findet ihr mich? Antwortet mir!“ Die Selfiestange heißt im englischen Sprachraum nicht umsonst „Narcistick“.

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Die Aufklärer geben dem Roman eine neue Bestimmung

Neben dem Drama war der Roman die zweite Gattung, die im 18. Jahrhundert eine Blütezeit erlebte und mit der Entwicklung des neuen Selbstverständnisses im engen Zusammenhang steht. Ebenso wie das Drama war auch der Roman am Anfang des 18. Jahrhunderts eine verachtete und als minderwertig eingeschätzte Literaturform. Im Gegensatz zum Drama war der Roman jedoch noch nicht einmal als Gattung in der Poetik der damaligen Zeit anerkannt. Das Heldengedicht, das heißt das Epos, das sich auf antike Traditionen berief, galt als einzig legitime Form. Dennoch gab es in der damaligen Zeit eine Vielzahl von Romanen, die vom tradierten Epos abwichen und das Bedürfnis nach Unterhaltung zu befriedigen versuchten. Schwülstige Liebesromane, galante Schäferromane, verwirrende Abenteuerromane und zahlreiche Übersetzungen von spanischen, englischen und französischen Romanen fanden zwar ihre vor allem adlige Leser, von der zeitgenössischen Kritik wurden sie jedoch als „Lugen = Kram“ abgelehnt und mit moralischen Argumenten bekämpft.

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Populisten sind auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch

In der Türkei ist mit Recep Tayyip Erdoğan ein Staatspräsident an die Macht gelangt, der zwar demokratisch gewählt wurde, aber die Demokratie mit Füßen tritt, um seinen Anspruch auf Alleinherrschaft zu zementieren. Auch in Deutschland sammelt die AfD alle jene ein, die sich maßlos ärgern, dass es zur „Alternativlosigkeit“ Angela Merkels keine Alternative geben soll. Dass diese Bewegung so eine Dynamik erlangt hat, ist nach Erkenntnissen von Experten auch auf den Einfluss der Massenmedien zurückzuführen, in deren Berichterstattung fast nur noch das Negative dominiert. Die Wirklichkeit werde als gigantisches Versagen dargestellt und die Strukturen dieser nach oben offenen Pleitenskala prägten schon seit langem den öffentlichen Diskurs. Wie die Populisten verfolgten auch die Massenmedien im Grunde nur ein Ziel: Aufmerksam um jeden Preis.

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Ein Leidender stößt in unbekannte Tiefen vor

Wenn die meisten Menschen an die Zukunft denken, wünschen sie sich einen Zustand stabiler Zufriedenheit im Leben. Aber es gibt ein interessantes Phänomen. Wenn sich Menschen an die entscheidenden Ereignisse erinnern, die ihre Persönlichkeit formten, sind dies in der Regel keine „Glücksmomente“. David Brooks erklärt: „Am prägendsten scheinen vielmehr die leidvollen Erfahrungen zu sein. Die meisten Menschen greifen nach dem Glück, haben aber das Gefühl durch Leiden geformt zu werden.“ Für die meisten Menschen ist Leiden nichts an sich Wertvolles oder Edles. So, wie Scheitern manchmal einfach nur Scheitern ist, so ist Leiden manchmal nur zerstörerisch und sollte so schnell wie möglich beendet oder therapeutisch behandelt werden. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Die Rolling Stones starteten ihre Weltkarriere in London

Die Weltkarriere der Rolling Stones, die bis heute unverändert anhält, begann in den frühen 1960er Jahren. Die Fotografen Terry O`Neill und Gered Mankowitz haben der Band mit dem Bildband „Breaking Stones“ ein fotografisches Denkmal gesetzt. Die Freunde Mick Jagger und Keith Richard entdeckten damals den Electric Blues, wie er in Chicago von Muddy Waters und Howlin` Wolf gespielt wurde und nahmen sie sich zum Vorbild. Zusammen mit Bill Wyman, Charlie Watts, Brian Jones und für kurze Zeit Ian Stewart starteten die Rolling Stones mit Gigs in kleinen Clubs in London, wo bald Andrew Loog Oldham auf sie aufmerksam und umgehend ihr Manager wurde. Was danach folgte, ist Musikgeschichte. In den zwei Jahren zwischen 1963 und 1965 wurden zwei Fotografen Zeugen des Entstehens einer der bedeutendsten Rockbands, die jemals existieren sollten.

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Menschen brauchen soziale Resonanz

Eine passende Rückmeldung der Umwelt ist nicht nur in den ersten Lebensjahren essenziell für einen Menschen. Ulrich Schnabel erklärt: „Auch in späteren Jahren sind wir auf „Resonanz“ von außen angewiesen.“ Zwar reagieren Menschen mit zunehmenden Alter weniger labil auf äußere Einflüsse, weil sich die Persönlichkeit ausgeformt und an Stabilität gewinnt. Dennoch bleibt man ein soziales Wesen, das bis ins hohe Alter offen ist für den Austausch von Liebe und Zuneigung, das Teilen von Trauer und Trost und die Auseinandersetzung über unterschiedliche Standpunkte. Diese Resonanz mit der Außenwelt ist umso ausgeprägter, je mehr man sich mit den jeweiligen Mitmenschen verbunden fühlt und je mehr Zeit man mit ihnen verbringt. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Islamisten leiden unter selektiver Wahrnehmung

Vor der islamischen Revolution im Jahr 1979 war der Iran offener als viele andere in der Region. Damals war die Führung nationalistisch eingestellt und die Religion spielte eine wesentlich geringere Rolle als heute. Der Islam-Experte und Psychologe Ahmad Mansour erklärt: „Aber es war dennoch ein autokratisches System, das da geherrscht hatte. Also genau so undemokratisch wie jetzt – nur im Namen des Nationalismus.“ Die Entwicklungen in den letzten Jahren haben für den Islam-Experten viel mit der Rolle Saudi-Arabiens und anderer Golfstaaten zu tun. Die haben Milliarden investiert, um Moscheen zu bauen und um zu missionieren. Sie beherrschen die Länder der Region mit ihrer Ideologie. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass der Nationalismus im Kampf gegen die westliche Kultur vor allem gegen Israel immer wieder Niederlagen einstecken musste.

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Gegensätze ziehen sich tatsächlich an

Alles spricht eigentlich für die Wahl eines ähnlichen Partners, mit analogen Ansichten und einer geistesverwandten Gangart im Leben. Warum aber wählen dennoch so viele Menschen einen gegensätzlichen Partner? Es gibt einen ganz rationalen Grund für dieses gegensätzliche Wahlverhalten. Christan Thiel erklärt: „Es ist das Bedürfnis, das eigene Ich zu ergänzen, zu komplettieren. Er oder sie soll Eigenschaften mitbringen, die uns selbst fehlen, die wir an uns vermissen. Deshalb ziehen Gegensätze sich tatsächlich an.“ Zu einer wirklichen Ergänzung wird der Partner allerdings nur, wenn man den gegensätzlichen Eigenschaften des anderen zumindest wohlwollend gegenübersteht. Besser noch: Wenn man sich den anderen zum Vorbild nimmt. Man sollte sich also diejenigen Eigenschaften selbst aneignen, die man an seinem Partner besonders stark bewundert hat. Christian Thiel ist freier Autor und Single- und Paarberater.

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Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden

„Sinnlose“ Massenmorde gehören zu den großen Gesten in den Konsumgesellschaften des 21. Jahrhunderts. Wolfgang Schmidbauer stellt fest: „Sie werden zunehmen und uns bedrohen, bis wir ein wirksames Gegenmittel finden.“ Die meisten gewissenhaften Selbstbeobachter werden zugeben, dass ihnen Mordimpulse nicht gänzlich fremd sind. Massenmörder ist heutzutage eine Karriere geworden. Die meisten Täter schaffen sich durch die Tat aus der physischen Welt, hoffen aber auf unsterblichen Ruhm. Diese Formen des Massenmords sind wie eine Seuche. Sie breitet sich aus. Wenn wir eine Kurve der Zahlen von Tätern und Opfern zeichnen könnten, sie würde steil ansteigen. Wo die Suche nach den Wurzeln der Tat etwas tiefer graben kann, entdeckt sie den Zusammenprall von Krisen des Selbstwertgefühls mit dem als erlösend und ruhmreich imaginierten Endpunkt des Massenmordes.

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Markus Gabriel erklärt den Epiphänomenalismus

Der Epiphänomenalismus ist die These, dass geistige Zustände und Vorgänge insgesamt keine Auswirkungen auf Vorgänge im Universum haben. Markus Gabriel ergänzt: „Ein Epiphänomenalist hält geistige Zustände für reine Begleiterscheinungen.“ Der US-amerikanische Philosoph John Searle, der den Epiphänomenalismus offensichtlich ablehnt, spitzt ihn durch den Vergleich zu, dass man sich vorstellen solle, „das Gehirn wäre nichts weiter als ein völlig mechanischer Haufen Schrott, wie ein Automotor, nur feuchter, und es würde durch absolut eindeutige mechanische Verbindungen funktionieren.“ Im Grunde führt die Denkweise des Epiphänomenalismus dazu, dass im ganzen Universum eine Ereigniskette abläuft, die alternativlos und zwingend von einer Ursache zu einer Wirkung führen soll, die wiederum eine Ursache einer Wirkung ist und so weiter. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Niall Ferguson nennt fünf Gründe für den Populismus

Der in diesen Tagen um sich greifende Populismus versetzt die Regierungen in Europa und den USA in Alarmstimmung. Der Duden beschreibt dieses Phänomen „als eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft auch demagogische Bewegung, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“. Im Klartext wird den Politikern die Bereitschaft abgesprochen, dem Volk zu dienen. Sie hätten keine Antworten auf die großen Probleme der Zeit. Die Populisten sind daher tief davon überzeugt, dass nur sie die wahren Interessen der schweigenden Mehrheit mit ihrem gesunden Menschenverstand vertreten. Wie konnte es überhaupt zu so einer, die repräsentative Demokratie gefährdenden Entwicklung kommen? Der amerikanische Historiker Niall Ferguson von der Harvard-Universität macht dafür fünf Faktoren verantwortlich.

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Der politische Islam ist unfähig zur Demokratie

Als im Jahr 2010 der Arabische Frühling ausbrach, keimte die Hoffnung nach einer demokratischen arabischen Welt auf. Heute ist von dieser Hoffnung kaum etwas übriggeblieben. Im Gegenteil, viele Länder im Nahen Osten sind in Krieg und Konflikte verfallen. Auf die Frage nach den Gründen antwortet der Islam-Experte und Psychologe Ahmad Mansour wie folgt: „Weil bei den dort lebenden Menschen noch kein Demokratieverständnis vorhanden ist. Sie haben die Erfahrung damit nicht. Der Mehrheit der Leute lebt in patriarchalischen Strukturen. Sie leben in Familien, in denen keine demokratischen Strukturen herrschen, in denen individuelle Bedürfnisse keine große Rolle spielen.“ Und vor allem leben sie in einer religiösen Gesellschaft, in der Demokratie eine ganz andere Bedeutung hat. Demokratie, wie wir jetzt in der Türkei sehen, bedeutet nicht nur freie Wahlen, sondern es gehört viel mehr dazu.

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Die „Goethezeit“ stellt den deutschen Beitrag zur Weltkultur dar

Was zur Menschwerdung gehört, ist nicht so sehr die dauernde Rückversicherung bei sich selbst, sondern das sich offen halten für das andere, Fremde. Gerade die Deutschen sind von alters her geradezu Herolde der Entwurzelung. Ein anderes Volk hat so sehr die Erlösung von sich selbst, von seinen nationalen, geografischen, mentalen Prägungen immer wieder zum Thema seiner großen Kunstwerke und kulturellen Hervorbringungen gemacht. In der größten kulturellen Blütezeit in Deutschland, während jener paar Jahrzehnte vor und nach 1800, die gemeinhin als „Goethezeit“ bezeichnet werden und die bis heute das Paradigma für den deutschen Beitrag zur Weltkultur darstellen, ist die Sehnsucht nach Entgrenzung das Thema schlechthin. Deutsche Klassik und Romantik, sie bringen mit unterschiedlicher Akzentuierung die Verherrlichung des antiken Griechenlands und des klassischen Italien mit sich.

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Das Gehirn von Teenagern ist besonders anfällig für Belohnungen

Die Universität Stanford hat im vergangenen Jahr eine Studie veröffentlicht, die klar belegt: „Aus negativen Konsequenzen, also Strafen, lernt man in der Regel nicht nur besonders gut, sondern auch besonders schnell – schneller als mittels Belohnungen.“ Bei Teenagern ist es allerdings genau andersherum, wie französische Neurowissenschaftler herausgefunden haben. Im Gegensatz zu Kindern und Erwachsenen ändern sie ihr Verhalten nur dann, wenn sie dafür belohnt werden. Bestrafungen hingegen sind bei ihnen so gut wie wirkungslos. Grund dafür ist der rasante Umbau des Gehirns während der Pubertät. Wie es dazu kommt, dass Menschen aus Strafen schneller lernen, ist noch nicht abschließend geklärt. Einen Ansatz bietet das Konzept der Verlustaversion, welches von den Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky entdeckt wurde. Sie konnten zeigen, dass Menschen Verluste deutlich stärker gewichten als Gewinne.

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Nur der menschliche Geist kann gänzlich Neues schaffen

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis künstliche Intelligenz auch das menschliche Bewusstsein überformt – so das Credo der Naturwissenschaften. Doch David Gelernter, der „Rockstar der Computerwissenschaften“ so die New York Times, stellt in seinem neuen Buch „Gezeiten des Geistes“ dieser pessimistischen Annahme die Vielgestaltigkeit, Einzigartigkeit und Freiheit des menschlichen Geistes entgegen. Kreativität und die Fähigkeit zur Introspektion sind nur dem Menschen gegeben. Das zeigen beispielsweise die literarischen Werke von William Shakespeare, Homer und Marcel Proust. Die Erkenntnisse von René Descartes, John Searle und Sigmund Freud haben im digitalen Zeitalter eine größere Bedeutung denn je. In einer interdisziplinären Analyse zeigt David Gelernter, was das menschliche Bewusstsein auszeichnet und worauf es für den Menschen in Zukunft wirklich ankommen wird. David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale Universität.

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Der Staat hat für sichere Märkte zu sorgen

Märkte sicher zu machen ist eines der ältesten Probleme des Marktdesigns, das weit vor die Erfindung der Landwirtschaft zurückreicht, als Jäger Axtköpfe und Pfeilspitzen tauschten. Archäologen finden sie heute an Stellen, die Tausende von Kilometern von dem Ort ihrer Herstellung entfernt liegen. Alvin E. Roth nennt ein anderes Beispiel: „In jüngerer Vergangenheit waren Könige im mittelalterlichen Europa unter anderem dafür verantwortlich, Händlern eine sichere Passage auf den Wegen von und zu den Märkten und Messen zu gewährleisten.“ Ohne das Versprechen einer sicheren Passage hätten diese Märkte nicht funktioniert; sie wären so riskant gewesen, dass sie nicht viele Teilnehmer angelockt hätten. Und wenn diese Märkte versagt hätten, hätten die Königreiche niemals den Wohlstand erreicht, den Märkte direkt und über die Steuern, die auf sie erhoben werden, erzeugen. Im Jahr 2012 erhielt Alvin E. Roth den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Der Wirtschaftsprofessor lehrt an der Stanford University.

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Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens

Es gibt zwei Bereiche des Bewusstseins: einen äußeren und einen inneren. Der äußere umfasst Wahrnehmungen der Außenwelt und des eigenen Körpers. Der innere besteht aus Erinnerungen und Gedanken, die sich ein Mensch macht. Natürlich kann man Dinge, an die man sich erinnert oder die man sich ausgedacht hat, im übertragenen Sinn ebenso wahrnehmen und überprüfen wie die Außenwelt. David Gelernter stellt fest: „Für viele Menschen ist visuelles Denken – einschließlich der Erfindung von und den Umgang mit abstrakten Bildern – ausgesprochen wichtig. Aber das visuelle Denken ist kaum erforscht.“ Für viele Menschen sind Bilder die Sprache des Denkens. David Foulkes schreibt: „Träumen ist die bruchlose Fortsetzung unseres wachen reflexiven Vermögens, in Bildern zu denken.“ David Gelernter ist Professor für Computerwissenschaften an der Yale University.

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Gute Gewohnheiten prägen ein gutes Leben

Gewohnheiten sind der Schlüssel zur persönlichen Entwicklung und Lebensgestaltung. Clemens Sedmak erklärt: „Ein gutes Leben ist ein solches, in dem man gute Gewohnheiten etabliert hat.“ Ähnlich wie man von Basisgütern eines guten Lebens spricht, könnte man von grundlegenden Gewohnheiten sprechen, wie etwa das frühe Aufstehen. Basisgewohnheiten sollen persönliches Wachstum ermögliche, verstanden als Weg zur Reife im Sinne eines wohlgeformten Charakters – mit den Elementen: gefestigte, einzigartige, integre Persönlichkeit. Die Einzigartigkeit ergibt sich aus der Realisierung de je einzigartigen Gaben; die Gefestigtheit hat mit stabilen Gewohnheiten zu tun; Integrität bedeutet: Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit, Respekt – die ernsthafte und aufrichtige Anstrengung, mit respektvollem Blick auf andere aus dem eigenen Leben etwas zu machen. Der österreichische Philosoph Clemens Sedmak hat unter anderen Tätigkeiten eine Professur am Londoner King´s College inne.

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Ulrich Schnabel beschreibt den Zirkel der Freude

Das anfängliche emotionale Leben eines Kindes ist einem ständigen Wechselspiel zwischen Erfahrung und Entwicklung unterworfen. Ulrich Schnabel erläutert: „Zwar ist die nötige genetische Grundausstattung in uns allen angelegt, doch die einzelnen Funktionen müssen erst durch die konkrete Erfahrung aktiviert werden.“ Fehlt eine Rückmeldung von außen, verschalten sich zum Beispiel im Gehirn die einschlägigen Neuronen und Areale nicht richtig, sodass sich die entsprechenden Fähigkeiten sich nicht entwickeln können. Zugleich wird in den ersten Tagen und Wochen der emotionale „Grundton“ gesetzt, der für das Gefühlsleben eines Kindes entscheidend wird. Denn das innere Erleben eines Kleinkindes wird vor allem über die emotionalen Reaktionen seiner Bezugspersonen definiert. Wird es babygerecht angesprochen und angelächelt, erlebt sich das Kind selbst als freudeerzeugendes Wesen, das Liebe hervorruft. Ulrich Schnabel ist Wissenschaftsredakteur der Wochenzeitung „Zeit“ und Autor mehrerer erfolgreicher Sachbücher.

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Der reine Augenblick ist ein abstrakter Traum

Das Titelthema des neuen Philosophie Magazins 05/2016 spürt dem Augenblick nach. Der Augenblick – kaum ist er da, ist er auch schon wieder vorbei. Das moderne Leben gleicht einem Wettrennen. Umso größer ist bei vielen Menschen das Verlangen, die Zeit anzuhalten, präsent zu sein, die Welt wieder zu spüren. Kein Wunder, dass buddhistisch inspirierte Achtsamkeitspraktiken derzeit boomen. Meditierend kommt das Selbst zu sich, wird empfänglich für die Schönheit des Hier und Jetzt. Aber Denker wie Augustinus bis Edmund Husserl argumentieren, dass die Erfahrung des reinen Augenblicks für die Menschen eine Illusion bleiben muss. Aber nicht nur philosophisch ist die Sehnsucht nach totaler Präsenz problematisch. Es stellt sich auch die Frage, ob nicht der neue Achtsamkeitskult ein reaktionäres, gar narzisstisches Moment in sich trägt.

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Die AfD ist eine Sammlungspartei von Unzufriedenen

Im Bundeswahlgesetz sind die Lehren aus den Schwächen der Weimarer Verfassung gezogen worden, beispielsweise die Fünf-Prozent-Hürde, mit der die Zersplitterung des Parteiensystems verhindert werden soll. Auf die Frage, ob dies für Stabilität sorgt, antwortet der Historiker Andreas Rödder: „Wenn eine Partei über fünf Prozent landet, nützt diese Hürde auch nichts mehr. Un bei der letzten Bundestagswahl haben fast zehn Prozent der Wähler für zwei Parteien gestimmt, die es dann nicht ins Parlament geschafft haben, die FDP und die AfD. Ob das unser System am Ende stabilisiert oder nicht vielmehr Unzufriedenheit schafft, ist eine offene Frage.“ Politiker wie Wolfgang Schäuble und Sigmar Gabriel rücken die AfD in die Nähe der Nationalsozialisten. Andreas Rödder lehrt Neueste Geschichte an der Universität Mainz und veröffentlichte zuletzt den Bestseller „21.0. Eine kurze Geschichte der Gegenwart“.

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