Die Bibel ist auch ein Denkraum für die Philosophie

In der neuen Sonderausgabe des Philosophie Magazins „Die Bibel und die Philosophen“ interpretieren berühmte Denker die zentralen Passagen des Alten Testaments. Dazu zählen unter anderem Immanuel Kant, Hans Blumenberg, Hannah Arendt, Baruch de Spinoza, Umberto Eco, Walter Benjamin und Søren Kierkegaard. Für die Chefredakteurin der Sonderausgabe, Catherine Newmark, steht fest: „Ohne Zweifel, die Bibel ist die einflussreichste Schrift unserer Geschichte; Malerei, Musik, Literatur, Film sind von ihr inspiriert bis zum heutigen Tag.“ Wenn Glauben archetypisch Passivität und Hingabe bedeutet, so steht die Philosophie umgekehrt für die Selbstermächtigung des Menschen durch Vernunft, hin zu Aktivität und Freiheit. Die in der Sonderausgabe versammelten philosophischen Betrachtungen zeigen: Das Alte Testament ist nicht nur eine Heilige Schrift für Gläubige oder eine Schatzkammer schöner Geschichten für Kulturhistoriker, sondern auch ein ungeheuer bezugsreicher Denkraum, ein Raum für Philosophie.

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Stress testet die eigenen psychischen Grenzen

Der Begriff Stress stammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Belastungsgrenze von Materialien. Auch in der Psychologie ist die Bedeutung der Belastung zentral. Stress testet die eigenen psychischen Grenzen. Guy Bodenmann erklärt: „Während man in Zeiten normaler Belastung in der Regel eine größere Leistungsfähigkeit aufweist, ist diese in Zeiten von chronischem Stress niedriger, weil der Stress selbst Ressourcen beansprucht und entsprechend wenige Energie zur Verfügung steht. Stress führt beim Menschen wie bei Materialen zum Einbruch.“ Stress kann in verschiedenen Bereichen erlebt werden. In je mehr Bereichen man sich belastet fühlt, desto stärker wird im Allgemeinen das Stresserleben. Es kann aber auch sein, das man nur in einem Bereich Stress erfährt, doch diesen sehr intensiv empfindet, weil er eine große Relevanz aufweist. Guy Bodenmann ist Professor für Klinische Psychologie an der Universität Zürich.

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Die Epoche der Gegenwart heißt Anthropozän

Die Geschichte der Entwürfe eines Neuen Menschen ist eine Geschichte der Selbstermächtigungen. In ihrem Kern geht es um das Projekt einer Überschreitung von menschlichen Grenzen: seien es die seiner Bewegung im Raum, die Limitiertheit seiner Lebenszeit oder die Einschränkungen seiner Wahrnehmungs- und Denkfähigkeiten. Eva Horn erklärt: „Die Imperative dieses Steigerungsprogramms reichen vom Gebot eines „Ausgangs des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ über die Anthropotechniken der Fremd- und Selbstdisziplinierung und die biopolitischen Träume einer forcierten Evolution bis zu den Versprechen einer technischen Auf- und Umrüstung des menschlichen Körpers und Geistes.“ Was sie hinter sich lassen, ist eine doppelte Natur: einerseits eine Natur des Menschen, die zur anthropologischen Grundausstattung erklärt wird, welche es zu überwinden oder zu erweitern gilt. Eva Horn ist Professorin für Neuere Deutsche Literatur und Kulturtheorie an der Universität Wien.

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Philipp Hübl stellt Sigmund Freuds Modell der Psyche vor

Sigmund Freuds Modell zufolge besteht die Psyche, also der Geist eines Menschen, aus drei Teilen, nämlich erstens aus dem Ich, also dem Bewusstsein, zweitens aus dem Es, in dem sich die Triebe befinden, und drittens dem Über-Ich, in dem Normen gespeichert sind, in Form von Geboten und Verboten zunächst der Eltern und später der Gesellschaft. Philipp Hübl konkretisiert: „Das Bewusstsein hat also, Freud zufolge, drei Zugänge. Erstens erhält es Informationen durch die Wahrnehmung, zweitens Wünsche aus dem Es und drittens Warnungen vom Über-Ich, und zwar vermittelt über das Gewissen, wenn die eigenen Normen und Ideale nicht erreicht sind.“ Das Es ist der älteste Teil des Geistes, in dem Triebe und Instinkte wohnen, ein Reich des Unlogischen ohne Begriffe für Raum und Zeit. Philipp Hübl ist Juniorprofessor für Theoretische Philosophie an der Universität Stuttgart.

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Das Vertrauen zwischen dem Staat und seinen Bürgern schwindet

In seinem neuen Buch „Schmutzige Demokratie“ vertritt Jürgen Roth die These, dass die liberale Demokratie überall auf der Welt angegriffen wird. Und er hegt Zweifel, ob ihre Werte, ihre Institutionen und ihre Funktionen diesen Angriffen standhalten. Auf der anderen Seite steht für den Autor fest, dass es einen brandgefährlichen Prozess der Entfremdung der Bürger von der parlamentarischen Demokratie gibt. Jürgen Roth stellt fest: „Es herrscht tiefes Misstrauen gegenüber den staatlichen Institutionen, weil Bürger erleben, wie sie getäuscht und belogen werden.“ Jürgen Roth, einer der bekanntesten investigativen Journalisten, legt eine umfassende und schonungslose Analyse der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage in Europa vor. Anhand konkreter Beispiele zeigt Jürgen Roth, wie ethische Werte dem Opportunismus geopfert werden und das gegenseitige Vertrauen zwischen dem Staat und seinen Bürgern schwindet – mit fatalen Folgen für die demokratische Zivilgesellschaft.

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Die Familie ist ein Nest mannigfacher Widersprüche

Im Titelthema des neuen Philosophie Magazins 01/2017 dreht sich alles um die liebe Familie und um die Frage ob sie eher Zuflucht oder doch nur noch eine Zumutung ist. Anhänger der traditionellen Familie sehen in ihr ein Refugium, einen wärmenden Schutzraum, ja ein Bollwerk in Zeiten des zunehmenden Leistungsdrucks. Für sie ist sie zudem ein Ort der Selbstvergewisserung, des Rückzugs und der Geborgenheit. Menschen, die der Familie eher kritisch gegenüberstehen, betrachten sie als Enge, Unfreiheit und als einen Nährboden für Neurosen, Traumata und tiefe Verletzungen. Für Chefredakteur Wolfram Eilenberger ist die Familie für die erdrückende Mehrheit der Menschen ein Nest mannigfacher Widersprüche, Zumutungen und konkreten Enttäuschungen: „Doch zeitlebens eben auch dies: ein Nest. Das heißt, ein Ort der Zuflucht, Geborgenheit, Eigentlichkeit.“

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Ein Künstler darf keinem Ideal hinterherhecheln

In der Kunst muss es für den österreichischen Künstler Erwin Wurm den Punkt geben, an dem man sagt: Es reicht, jetzt ist es gut: „Es gibt immer zwei Kunstwerke: Das eine ist in meinem Kopf, das andere steht vor mir. Wenn beide kongruent sind, ist es optimal. Das ist aber nie der Fall.“ Trotzdem darf ein Künstler dem Ideal nicht hinterherhecheln. Das wäre der schlimmste Fehler überhaupt, weil man dann verbissen wird, die Intuition einbüßt und die Alternativen aus dem Blick verliert. Ein Zufall kann schöner und schlüssiger sein als ein Plan. Der deutsche Maler Gerhard Richter hat einmal gesagt, seine Bilder seien schlauer als er. Auch Erwin Wurm lässt sich von seinen Skulpturen führen und kontrollieren. Nur so können sie seiner Meinung nach gut werden.

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Die Philosophen sind von der Sprache verhext

Die meisten Menschen, die den Philosophen Ludwig Wittgenstein begegneten, hielten ihn für ein Genie. Sein Kollege Bertrand Russell beschrieb ihn als „leidenschaftlich, tiefsinnig und sehr bestimmend“. Er prägte seinen Studenten ein, keine Zeit mit dem Lesen von Philosophiebüchern zu vergeuden. Nigel Warburton ergänzt: „Wenn sie, die Studenten, diese Bücher ernst nähmen, sollten sie sie durch den Raum werfen und selbst über die Fragen weiter nachdenken, um die es in diesen Büchern geht.“ Sein erstes Buch „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) bestand aus einzelnen nummerierten kleinen Abschnitten, von denen viele eher wie Gedichte klangen und weniger als philosophische Erörterungen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass die wichtigsten Fragen über Ethik und Religion außerhalb der Grenzen des menschlichen Verständnisses lägen, und dass man, wenn man nicht sinnvoll darüber reden kann, lieber schweigen sollte. Der Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Eine Tragödie soll Furcht und Mitleid erregen

In den Dramen der französischen und englischen Schriftsteller fand Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) die Aufhebung der alten feudalen Ständeklausel, die das erwachende bürgerliche Selbstgefühl beleidigte, bereits in die Praxis umgesetzt: Der Bürger war dort tragödienfähig geworden. Gotthold Ephraim Lessing überwand die feudale Ständeklausel dadurch, dass er den Menschen abgelöst von seiner ständischen Gebundenheit zum Handelnden machen wollte: „Die Namen von Fürsten und Helden können einem Stück Pomp und Majestät geben; zur Rührung tragen sie nichts bei. Das Unglück derjenigen, deren Umstände den unsrigen am nächsten kommen, muss natürlicherweise am tiefsten in unsere Seele dringen; und wenn wir mit Königen Mitleid haben, so haben wir es mit ihnen als mit Menschen und nicht als mit Königen.“ Diese Berufung Gotthold Ephraim Lessings auf das Menschliche hing eng zusammen mit seinem Bemühen um eine neue, differenzierte Funktionsbestimmung der Literatur.

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Toleranz muss zur Anerkennung führen

Zu den massivsten und erfolgreichsten Kampagnen der Aufklärung zielt auf Religionsfreiheit und Toleranz. Religiöse Toleranz ist als Postulat und als Praxis nicht auf die Frühe Neuzeit und die Moderne und nicht auf Europa und Nordamerika beschränkt, wie eine eurozentrierte Aufklärungshistorie oft unterstellt. Gleichwohl findet sich hier ihre ausdifferenzierteste Form. Die Toleranzdebatte zielt auf religiöse Freiheit sowie auf individuelle Freiheits- und Menschenrechte, ganz im Sinne des französischen Philosophen und Theologen Sebastians Castellios (1515 – 1563), der gegen die Intoleranz geltend gemacht hatte: „Einen Menschen töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten.“ Sie verschränkt naturrechtliche, vertragstheoretisch akzentuierte, oft skeptisch getönte, und pragmatische oft ökonomische Überlegungen und richtet sich gegen die Vertreter religiöser Orthodoxie, die eine auf Einheit gerichtete Autorität im kirchlichen und staatlichen Bereich durchsetzen wollen.

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Mäßigung hat nichts mit Gleichmut zu tun

Mäßigung ist eine vielfach missverstandene Tugend. Zunächst einmal stellt David Brooks klar, was sie nicht ist: „Mäßigung besteht nicht einfach darin, die Mitte zwischen zwei entgegengesetzten Polen zu finden und sich opportunistisch dort aufzustellen. Und Mäßigung ist auch nicht zu verwechseln mit mildem Gleichmut.“ Sie ist auch nicht gleichbedeutend mit einem gezügelten Temperament, das rivalisierende Leidenschaften oder konkurrierende Gedanken überwunden hätte. Im Gegenteil, Mäßigung basiert auf dem Wissen, dass Konflikte unvermeidlich sind. Wenn man glaubt, die Welt füge sich nahtlos zusammen, benötigt man keine Mäßigung. Wenn man glaubt, alle persönlichen Eigenschaften ließen sich auf einfache Weise miteinander in Einklang bringen, dann muss man sich nicht bremsen. David Brooks arbeitet als Kommentator und Kolumnist bei der New York Times. Sein Buch „Das soziale Tier“ (2012) wurde ein internationaler Bestseller.

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Das Leben wird stark vom Denken geprägt

Die meisten Menschen leben, was sie denken. Hinter den Phänomenen der Oberflächen ihres Einschätzens, Verhaltens und Entscheidens im Alltag erheben sich philosophische Denkgebäude, in denen sich dieses Geschehen abspielt. Ludger Pfeil erklärt: „Sie sind errichtet als Annahmen über die erfahrbare Welt und was über sie hinausgehen könnte, über richtiges Denken und Kommunizieren, über unser Zusammenleben in Beziehungen und in der Gesellschaft und bilden damit unausgesprochene philosophische Theorien, die maßgeblich prägen, was wir wahrnehmen und wie wir unsere Beobachtungen und Erfahrungen einordnen und miteinander verknüpfen.“ Was und wie ein Mensch denkt, beeinflusst, wie er die Welt betrachtet, wie er mit sich selbst, anderen Menschen und Dingen umgeht, was er für wichtig und unwichtig hält und wie er Entscheidungen trifft. Der Philosoph Dr. Ludger Pfeil machte nach seinem Studium Karriere in der Wirtschaft als Projektleiter und Führungskraft und ist als Managementberater tätig.

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Ohne freien Willen gibt es keine Entscheidung

Bevor ein Mensch den Sinn seines Lebens wählt, sollte er sich vielleicht erst einmal fragen, ob er überhaupt einen freien und unabhängigen Willen hat, der ihm eine solche Wahl ermöglicht. Daniel Klein kennt kein bündigeres und wirkungsvolleres Argument, um an den freien Willen zu glauben als folgenden Ausspruch des amerikanischen Philosophen William James (1842 – 1910): „Mein erster Akt des freien Willens soll sein, an den freien Willen zu glauben.“ Zum geradlinigen Pragmatismus eines William James fühlt sich Daniel Klein seit jeher hingezogen. Sein Ziel ist es, die Philosophie relevant für das wirkliche Leben zu machen und die Frage nach dem freien Willen zu beantworten. Daniel Klein, Jahrgang 1939, studierte Philosophie in Harvard. Zusammen mit Thomas Cathcart schrieb er „Platon und Schnabeltier gehen in eine Bar“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde.

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Immer mehr Bürger radikalisieren sich in ihrer Lebensführung

Der Sozialpsychologe Ernst-Dieter Lantermann benennt in seinem neuen Buch „Die radikalisierte Gesellschaft“ Ursachen und Handlungsmotive der Selbstverschließung vieler Menschen gegenüber allem Neuen und weist auf jene inneren Ressourcen hin, die einem Menschen hilft, nicht den Versuchungen radikaler und fanatischer Haltungen zu erliegen. Das Verschwinden von Gewissheiten ist ein Kennzeichen der Gegenwart. Viele Menschen fühlen sich von dem rasanten Tempo der gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen überfordert. Ihr Selbstwertgefühl leidet unter der Prekarisierung ihrer Lebensverhältnisse, für die sie ja selbst, so suggeriert der Zeitgeist, verantwortlich sind. Die Antwort vieler Bürger auf die wachsende Unsicherheit ist eine Radikalisierung ihrer Lebensführung. Ernst-Dieter Lantermann nennt Beispiele: Den Fremdenfeind, der alle Probleme dieser Welt aus der massenhaften Ankunft von Flüchtlingen herleitet. Den Fitnesstreibenden, der sich distanzlos allen digitalen Neuerungen der Selbstkontrolle unterwirft. Den Sicherheitsfanatiker oder den fanatischen Nostalgiker. Sie eint aus psychologischer Sicht mehr, als ihnen bewusst ist.

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Freundlichkeit wird im Alltag nicht immer gelebt

Sicher lässt sich mit Freundlichkeit nicht jedes Problem lösen. Tanja Baum stellt allerdings fest, dass mit freundlichem Verhalten viele Probleme erst gar nicht aufgetaucht wären. Ein Nein zu äußern, bedeutet immer, auch eine Konfliktsituation zu schaffen. Egal wie banal die Situation auch sein mag, ein Nein ist immer eine Ablehnung für die andere Person. Tanja Baum betont: „Sagen sie Nein, haben Sie sich durchgesetzt. Damit haben Sie bereits einen Vorteil für sich verbuchen können.“ Wer es dabei auch noch schafft, dass sein Gegenüber sich bei einem Nein nicht vor den Kopf gestoßen fühlt, hat sogar einen zweiten Nutzen aus seinem Nein gezogen. Tanja Baum, systemische Organisationsberaterin und Coach, gründete 1999 in Köln die Agentur für Freundlichkeit mit den Arbeitsschwerpunkten Beratung, Coaching, Training und Meditation.

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Der Mensch wird am Du zum Ich

Die Liebe macht einen Menschen reifer. Diese Ansicht wird von der Forschung eindrücklich belebt, aber auch die allgemeine Lebenserfahrung legt das nahe. Wer sich auf eine längere Beziehung einlässt, der verändert sich in der Folge tiefgreifend. Christian Thiel betont: „Wer eine Beziehung eingeht, der wird weltoffener, gewissenhafter und selbstbewusster. Schüchternheit und neurotische Verhaltensweisen nehmen ab.“ Diese positiven Veränderungen der Persönlichkeit halten an, auch nachdem eine Partnerschaft zu Ende ist. Die Liebe kann also vergehen, die durch eine Partnerschaft erreichte persönliche Reife aber bleibt erhalten. Auch einzelne Verhaltensweisen und Charakterzüge verändern sich im Laufe einer Beziehung. Diese Veränderung hat in aller Regel eine für die Partner erfreuliche Richtung: Sie werden einander ähnlicher. Christian Thiel arbeitet seit vielen Jahren als Single- und Paarberater.

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Technik und Genetik sollen den Menschen verbessern

Aktuell arbeitet die Menschheit an einem Entwurf des perfekten Menschen. Es geht um die Verbesserung und Veränderbarkeit des Menschen in einem neuen Sinn. Konrad Paul Liessmann erklärt: „Nicht durch Erziehung und Bildung, nicht durch Moral, Aufklärung und eine humanistische Kultur soll die Verbesserung des Menschengeschlechts erreicht werden, wohl aber durch Technik und Genetik.“ Für den Soziologen Dierk Spreen befindet sich die moderne Gesellschaft schon jetzt in einer „Enhancement-Gesellschaft“, in der vor allem die Optimierung des Körpers durch Manipulationen, Zusammenschlüsse mit Mikromaschinen und Prothesen zu einem alltäglichen Phänomen geworden ist. Unübersehbar ist auch ein sich allmählich wandelndes Selbstverständnis des Menschen, ein Wandel des Menschenbildes. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann ist Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

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Als Stammvater der Novelle gilt Johann Boccaccio

Der Roman als epische Großform stellte an Autor und Leserschaft gleichermaßen hohe Anforderungen. So beschäftigte zum Beispiel der „Wilhelm Meister“ Johann Wolfgang von Goethe fast fünfzig Jahre und wurde als ein äußerst durchdachtes, sorgfältig komponiertes, künstlerisch raffiniertes gearbeitetes Zeugnis der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Identitätsproblematik nur von einer schmalen Intellektuellenschicht verstanden. Sehr wenige Autoren waren – auch finanziell – in der Lage, ihre schöpferischen Kräfte so lange an ein Werk zu binden. Hier spielte die wirtschaftliche Sicherheit Johann Wolfgang von Goethes als Berater des Herzogs von Weimar eine entscheidende Rolle. Sie bot ihm Zeit, Muße und den langen Atem für literarische Großvorhaben dieser Art. Autoren, die stärker auf den literarischen Markt, das heißt auf den Verkauf ihrer Bücher angewiesen waren, mussten notgedrungen auf die Adressatenorientierung und die Verkaufschancen ihrer Werke achten.

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Nichts bewegt sich schneller als das Licht

Die vom Menschen vorgenommene Einteilung der Natur in sichtbare und unsichtbare Vorgänge hängt davon ab, dass Menschen ein Wissen um ihre Erlebnisse haben, ohne welches sie die Natur gar nicht auf diese Weise einteilen würden. Markus Gabriel erklärt: „Die physikalischen Einteilungen sind deswegen auch weit davon entfernt, auch nur annähernd so objektiv und vom menschlichen Subjekt unabhängig zu sein, wie uns dies oft weisgemacht wird. Vielmehr spiegelt die Sprache der Physik unsere menschlichen Erkenntnisinteressen.“ Man muss sich nur klarmachen, dass das gegenwärtige physikalische Weltbild auf der gut belegten Annahme aufbaut, dass sich innerhalb des kosmischen Horizonts, also innerhalb der vom Menschen beobachtbaren Natur, nichts in der Raumzeit schneller bewegt als das Licht. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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John Stuart Mill verteidigt die Freiheit der Lebensweise

John Stuart Mill (1806 – 1873) war ein Vorkämpfer und Ungerechtigkeit und einer der ersten Verfechter des Feminismus. Er war tätig als Politiker und Journalist sowie außerdem einer der größten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Andere Menschen denken vielleicht, sie wissen, was einen selbst glücklich macht. Aber gewöhnlich irren sie sich. Selbst weiß man viel besser als die anderen, was man wirklich mit seinem Leben machen will. Und selbst wenn dies nicht der Fall ist, hielt es John Stuart Mill für besser, eigene Fehler zu machen, als gezwungen zu werden, eine bestimmte Lebensweise zu übernehmen. Nigel Warburton erklärt: „Dies steht im Einklang mit seinem Utilitarismus, da er glaubte, erhöhte individuelle Freiheit bewirke mehr Glück als eingeschränkte individuelle Freiheit.“ Philosoph Nigel Warburton ist Dozent an der Open University. Er gibt außerdem Kurse über Kunst und Philosophie am Tate Modern Museum.

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Markus Gabriel stellt Johann Gottlieb Fichte vor

In der Wissenschaftslehre von Johann Gottlieb Fichte gibt es drei Grundsätze. Sie zeigen, worum es beim Ich eigentlich geht. Markus Gabriel erklärt: „Der erste Grundsatz der Wissenschaftslehre lautet: „Ich = Ich“.“ Das sieht auf den ersten Blick trivial aus, ist es aber nicht. Denn man könnte ja meinen, dass man alles mit sich selbst uninformativ gleichsetzen könne. Dies nennt man eine Tautologie. Damit etwas mit sich selbst identisch sein kann, muss es anscheinend überhaupt existieren können. Das Ich bedeutet zunächst nichts weiter als diejenige, derjenige, dasjenige, das etwas weiß. Dies kann man nicht bestreiten. Markus Gabriel hat seit 2009 den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Universität Bonn inne und ist dort Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie.

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Moralische Abscheu wird an Ekel geknüpft

Ekel ist ein „starkes“ Gefühl. Bis vor einiger Zeit gingen Psychologen und Anthropologen noch davon aus, dass er vor allem ein kulturelles Phänomen darstellt und den Menschen dazu dient, die animalischen Anteile ihrer Existenz und ihre Sterblichkeit zu verdrängen. Aber das stimmt so nicht. Ekel hat einen deutlich handfesteren Sinn. Das Gefühl schützt vor Krankheitserregern, vor Parasiten, Bakterien, Viren. Es lässt sich als Immunsystem des menschlichen Verhaltens verstehen. Menschen meiden instinktiv das, was ihnen schadet oder krank macht. Diesen evolutionsbiologischen Zusammenhang hat die britische Wissenschaftlerin Valerie Curtis von der London School of Hygiene und Tropical Medicine aufgedeckt. Die Professorin sagt: „Ich wollte verstehen, warum sich Menschen hygienisch verhalten.“ Sie stellte fest, dass sich die Leute die Hände waschen, wen sie vorher etwas eklig fanden.

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Die Diners mit Gala sind ein Feenmärchen von dionysischem Jubel

Die „Gala-Diners“ von Salvador Dalí sind in Bild und Wort einzig den Freuden des Gaumens gewidmet. Im dritten von zwölf Kapitel geht es um Vorspeisen, die das spanische Malergenie als „Große Köstlichkeiten aus Winzigem“ bezeichnet. Dazu zählt Salvador Dalí beispielsweise „Blutwurstsoufflé mit Maronen“, „Rinderhirn in Speck“ oder „Gegrillter Hammelkopf“. Jedes Rezept ist detailliert beschrieben und mit einer Zutatenliste versehen. Zu den einzelnen Kapiteln hat Salvador Dalí eigens zwölf Tafeln entworfen und signiert. Das Buch enthält außerdem sechsundfünfzig farbig illustrierte Rezepte, darunter einundzwanzig von den ungekrönten Königen der französischen Gastronomie: Lasserre, La Tour d`Argent, Maxim`s und Le Buffet de la Gare de Lyon. Fleisch ist für Salvador Dalí nichts anderes als sodomisierte Zwischengerichte. Das Bahnhofsrestaurant in Lyon steuert für dieses Kapitel sein Rezept „Roastbeef im Gemüsekranz“ bei.

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Gewohnheiten haben zu Unrecht ein schlechtes Image

Heute wird sehr vieles schnell zur Sucht erklärt. Dabei handelt es sich oft um Gewohnheiten. Und die haben zu Unrecht ein schlechtes Image. Denn ohne Gewohnheiten müsste man selbst die kleinste und unbedeutendste Handlung planen und analysieren. Das würde den Alltag enorm komplizieren. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, sagt man. Gewohnheiten sind zutiefst menschlich. Erst sie ermöglichen kluge Gedanken und zügiges Arbeiten. Indem vieles von wie selbst läuft, gewinnt das menschliche Gehirn Zeit, sich größeren Fragen zu widmen. Professorin Nicole Calakos von Duke-Universität (USA) erklärt: „Wir schalten dann quasi auf Autopilot.“ Eine gute Gewohnheit ist wie ein Flugticket zum nächsten Zwischenziel. Dennoch spricht man öfter von schlechten als von guten Gewohnheiten. Professor Christian Lüscher, Neuronenwissenschaftler an der Uni Genf, erläutert: „Menschen sprechen oft schon von Sucht, wenn sie mal ein paar Stück Schokolade essen.“

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Loben ist ein Erfolgsrezept für eine gute Beziehung

Loben stärkt die Bindung eines Paares aneinander. Durch jede positive Äußerung festigt sich die Bindung, weil ein Lob dem Partner zu erkennen gibt, was man an ihm schätzt. In lebendigen Partnerschaften bestätigen sich erstens beide Partner gegenseitig ihrer Wertschätzung. Zweitens gibt es wenig Kritik und viele zugewandte Äußerungen. Dritten freuen sich beide Partner, wen sie eine Gelegenheit finden, dem anderen etwas Positives zu sagen. Christian Thiel betont: „Manch eine Partnerschaft verliert nur deshalb an Lebendigkeit, weil es die Partner nach der Verliebtheitsphase nicht mehr für nötig halten, einander zu loben.“ In jeder schwierigen oder sterbenden Beziehung finden sich ein hohes Maß an Kritik und eklatanter Mangel an positiver Zuwendung. Lob ist für eine Beziehung wie ein lebenswichtiges Vitamin. Christian Thiel ist Single- und Paarberater.

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