Anne Applebaum zeigt in ihrem neuen Buch „Die Achse der Autokraten“, dass die Macht von Diktatoren auf vielfältigen Verbindungen untereinander und einem ausgeklügelten globalen Netzwerk besteht. Die Autorin beschreibt, wie diese Achse funktioniert und wie die Autokraten von heute, geeint in ihrer Gier nach Machterhalt und dem Kampf gegen die Demokratie, eine neue Weltordnung erschaffen. Viele Menschen glauben, dass in einem autokratischen Staat ein Schurke an der Spitze steht, ihm zur Seite Armee und Polizei, die den Bürgern mit Gewalt drohen. Doch das hat mit der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts wenig zu tun. Anne Applebaum schreibt: „Autokratien werden nicht von einem einzelnen Bösewicht kontrolliert, sondern von raffinierten Netzwerken mit kleptokratischen Strukturen, einem komplexen Sicherheitsapparat aus Armee, Paramilitärs und Polizei sowie technischen Experten, die für Überwachung, Propaganda und Desinformation zuständig sind.“ Die Historikerin und Journalistin Anne Elizabeth Applebaum zählt zu den profiliertesten Kritikerinnen autoritärer Herrschaftssysteme und russisches Expansionspolitik.
Kritik aus dem Ausland interessiert moderne Autokraten nicht mehr
Den Zusammenhalt der Netzwerke liefert keine gemeinsame Ideologie, sondern nur die skrupellose Entschlossenheit, mit der sie sich selbst bereichern und ihre Macht erhalten. Deshalb spricht Anne Applebaum von der Achse der Autokraten. Zu den Autokratien zählt die Autorin Russland, China, Iran, Nordkorea, Venezuela, Nicaragua, Angola, Myanmar, Kuba, Syrien, Simbabwe, Mali, Belarus, Sudan, Aserbaidschan und gut drei Dutzend andere Länder. Deren Ziel ist es, die Bürger ihres Landes von allen Entscheidungen auszuschließen und ihnen die politische Stimme zu verwehren.
Dass unter den hartgesottenen Autokraten verbreitete Bewusstsein, dass ihnen die Welt nichts anhaben kann, ist relativ neu. Denn den Mitgliedern der Achse der Autokraten ist es heutzutage gleichgültig, ob ihre Länder kritisiert werden. Anne Applebaum fügt hinzu: „In ihrer Gleichgültigkeit gegen Kritik aus dem Ausland greifen moderne Autokraten ohne jede Scham zu brutaler Gewalt.“ Moderne Autokraten unterscheiden sich in vieler Hinsicht von ihren Vorbildern des 20. Jahrhunderts. Doch auch sie haben eine Gemeinsamkeit: Ihr Feind ist die demokratische Welt.
Demokratien können sowohl zerstört als auch gerettet werden
Autokraten hassen die Grundsätze der Demokratie, da sie ihre Macht gefährden: Unabhängige Gerichte können die Herrschenden zur Rechenschaft ziehen; eine freie Presse kann Korruption und Selbstbereicherung aufdecken; Bürger mit politischer Mitsprache können die Regierung abwählen. Autokratie ist ein politisches System, eine Form der Machtorganisation. Sie ist nicht erblich und wird nicht automatisch von einer bestimmten Kultur, Sprache oder Religion hervorgebracht.
Im Epilog schreibt Anne Applebaum: „Es gibt keine freiheitliche Weltordnung mehr, und der Wunsch, sie zu errichten, scheint nicht mehr real. Doch es gibt freiheitliche Gesellschaften und offene und freie Nationen, die ihren Bürgern bessere Aussichten auf ein sinnvolles Leben bieten als geschlossene Diktaturen.“ Freiheitliche Gesellschaften können jedoch zerstört werden, von außen genauso wie von innen, durch Kriege und durch Demagogen. Oder sie können gerettet werden, aber nur, wenn die Bürger, die in ihnen leben, sich die Mühe machen, sie zu retten.
Die Achse der Autokraten
Korruption, Kontrolle, Propaganda: Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten
Anne Applebaum
Verlag: Siedler
Gebundene Ausgabe: 206 Seiten, Auflage 5: 2024
ISBN: 978-3-8275-0176-9, 26,00 Euro
Von Hans Klumbies