Ein kluger Mensch braucht seine Feinde nicht zu scheuen

Der Ruf, dass ein Mensch im Ernstfall bereit ist, wie ein Löwe zu kämpfen, kann der beste Schutz vor Angriffen sein. Wer allerdings nicht das Kämpferherz eines Löwen in seinem Innersten verspürt, solle auf keinen Fall den Fehler begehen, anderen einen Löwen vorspielen zu wollen. Andreas Salcher nennt ein Beispiel: „Zwar nicht tödlich, aber peinlich wirken die Anstrengungen, wenn Werbeagenturen versuchen, kreuzbrave Dackel-Politiker im Wahlkampf in brüllende Löwen umzuwandeln.“ Viele Menschen werden auch oft von der Handlung eines Menschen überrascht, die doch offenkundig zu dessen eigenen Nachteil war. Dadurch aber, dass man nicht genau darauf vorbereitet war, hat es dem Konkurrenten tatsächlich einen Vorteil gebracht. Dr. Andreas Salcher ist Berater, Mitbegründer der Sir-Karl-Popper-Schule, einer Schule für Hochbegabte, Bestsellerautor und gilt als Österreichs härtester Schulkritiker. Sein aktuelles Buch heißt „Erkenne Dich selbst und erschrick nicht“.

Die Verachtung ist die klügste Rache

Der Gegner handelt meist anders als geplant, entweder aus Dummheit oder aus Klugheit. Der Dumme wird nie das tun, was der Kluge für angemessen erachtet. Der Kluge hingegen bleibt immer aufmerksam und nicht auf das, was geschehen wird, sondern auch auf das, was geschehen könnte. Alexander der Große griff seine Gegner beispielsweise immer an dessen vermeintlich stärksten Stelle an. Denn er wusste, dass der Feind moralisch zusammenbrechen würde, sobald er ihn an seinem stärkten Punkt besiegt hat.

Verwegene Herausforderer versuchen sich laut Andreas Salcher oft einen Namen zu machen, indem sie Persönlichkeiten, die in hohem Ansehen stehen, persönlich angreifen oder deren Werk diffamieren. Meist ist es seiner Meinung nach klüger, die Verleumder unbeachtet zu lassen als gegen sie vorzugehen. Andreas Salcher erläutert: „Die Verachtung ist die klügste Rache. Es ist eine feste Maxime der Weisen, sich nicht öffentlich für alle erkennbar zu verteidigen, denn dadurch würden sie die Aufmerksamkeit für ihren Widersacher erst erhöhen.“

Mit Geschick wurden mehr Dinge erreicht als mit Gewalt

In manchen Fällen kann man auch über Nebenbuhler und Widersacher triumphieren, indem man nicht Rache übt, obwohl sie vernünftig wäre, sondern edelmütig agiert. Denn über jedes Lob erhaben ist derjenige, der gut von seinem Gegner redet, der Schmähungen über ihn verbreitet hat. Am besten aber ist es immer noch, sich erst gar keine Feinde zu machen, indem man unnötige Verwicklungen vermeidet. Denn ein kluger Mensch weiß, dass er im Streit immer mehr zu verlieren als zu gewinnen hat. Ein Sprichwort sagt: „Wer keine Feinde hat, schläft gut und lebt lange.“  

Leider ist es nicht immer möglich, ohne Feinde zu leben. Andreas Salcher erläutert: „Es gibt Menschen, die von Neid, Boshaftigkeit, Gier oder krimineller Energie getrieben werden. Dann kommt der Punkt, wo wir auch das Schwert zu führen wissen müssen.“ Wird ein Mensch gezwungen, einem Feind die Stirn zu bieten, weisen viele Wege zum Sieg. Es ist einfacher, heldenhaft als weise zu sein. Allerdings wurden mit Geschick mehr Dinge erreicht als mit Gewalt, und öfter haben die Klugen die Tapferen besiegt als umgekehrt.

Von Hans Klumbies