Kreative Arbeit besitzt einen Eigenwert

Modernes Arbeiten ist ein zweckrationaler Prozess, der in der Regel im Rahmen von Organisationen stattfindet. Dies gilt auch für die Arbeit an den singulären, kulturellen Gütern in der creative economy. Andreas Reckwitz erklärt: „Auch sie unterliegt einer formalen Rationalisierung, ist die zweckvolle, systematische Form, in der singuläre Güter verfestigt werden, und bleibt vom klassisch-modernen Optimierungsimperativ geprägt.“ Diese weiterhin existierende Logik des Allgemeinen bildet den Hintergrund für die Kreation kultureller Singularitätsgüter. Im Zuge der Transformation der industriellen Produktion zu dem, was Andreas Reckwitz kulturelle Produktion nennt, verändert die Arbeit jedoch ihre Form: Es bildet sich der Typus des kreativen Arbeitens, der Kreativarbeit aus. Von Seiten der spätmodernen Arbeitssubjekte selbst ist der Begriff des kreativen Arbeitens eindeutig positiv und normativ besetzt. Andreas Reckwitz ist Professor für Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt / Oder.

Kreative Arbeit verspricht eine ästhetische Sinnlichkeit

Kreativ zu sein, sich in der Arbeit schöpferisch entfalten zu können, ist ein Ideal der postindustriellen Arbeitskultur, die vom postmaterialistischen Wertewandel beeinflusst ist. Kreative Arbeit besitzt einen Eigenwert, sie ist primär vom Inneren des Menschen her motiviert – selbst wenn sie immer auch Mittel zum Zweck des Lebensunterhalts ist. Die Hochqualifizierten der Spätmoderne erwarten von ihrer Arbeit mehr als nur Broterwerb. Kreative Arbeit wird damit zu einer Kulturpraxis im Sinne eines starken Kulturbegriffs.

Die kreative Arbeit verspricht den Arbeitenden sowohl eine sinnvolle und interessante Tätigkeit als auch eine ästhetische Sinnlichkeit. Zudem werden in ihr spielerische Qualitäten entfaltet, ihr ein ethischer Eigenwert zugeschrieben oder es kommt durch den Akt der Gestaltung von Neuem, das in ihr zum Ausdruck kommt. Kreative Arbeit vollzieht sich am kulturell Neuen und am Singulären von Dingen, medialen Formaten, Dienstleistungsbeziehungen oder Ereignissen. Der kulturellen Produktion geht es zwar nicht ausschließlich um die Fabrikation von Novitäten, sondern auch immer wieder um die langfristige Pflege vertrauter Klassiker und Marken.

Kreativarbeit verfügt über vielfältige Zugänge zur kulturellen Welt

Andreas Reckwitz stellt fest: „Trotzdem ist die permanente Innovation ihre zentrale Aufgabe. Anders als der Begriff der Innovation es suggeriert, geht es in der creative economy freilich nicht mehr primär um das technisch-sachliche Neue, das Allgemeingültigkeit beansprucht, sondern um das kulturell Neue als das Einzigartige.“ Das Grundproblem des kreativen Arbeitens lautet: Wie kommt das Neue in die Welt? Die kulturelle Produktion schaut zum einen auf die Güter in ihrer offenen, zu gestaltenden Struktur und nimmt zum anderen das Publikum in den Blick, das mit diesen Objekten umgehen und sich durch diese beeindrucken lassen soll.

Im weitesten Sinne ist kreative Arbeit damit „Designarbeit“, ja, der Begriff des Designs verweist genau auf diesen Zusammenhang, nämlich die offene und zugleich durch das Material gebundene Singularisierung von Objekten und Ereignissen im Lichte des Rezipienten. Zentral für die Kreativarbeit ist, dass sie über vielfältige und reichhaltige Zugänge zur kulturellen Welt verfügen muss, aus der sie sie Ideen und Anstöße zum Andersartigen bezieht. Denn das Andersartige entsteht nicht aus dem Nichts. Quelle: „Die Gesellschaft der Singularitäten“ von Andreas Reckwitz

Von Hans Klumbies