Andrea Römmele fordert mehr Zukunftsmut

In einer Demokratie können die Bürger die Zukunft mitgestalten. Denn in der Regel kündigen sich große politische, ökonomische oder gesellschaftliche Veränderungen an. Sie vollziehen sich prozesshaft und langsam. Viele akute Krisen und disruptive Ereignisse sind nur die sichtbare Folge eines schon lang andauernden Trends, den die Wissenschaft schon früh vorgezeichnet hat. Diese Trends gilt es zu verstehen, zu durchdenken und mögliche Konsequenzen daraus abzuleiten. Das ist der Ausgangspunkt des neuen Buchs „Demokratie neu denken“ von Andrea Römmele. Deutschland, Europa und die Welt stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära. Das Zeitalter westlicher Vorherrschaft geht zu Ende. Rechtspopulistische Parteien fordern die Demokratien heraus. Andrea Römmele ist Professorin für Politische Kommunikation und Vizepräsidentin an. der Hertie School in Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Demokratie, Wahlen und politische Parteien.

Politiker müssen in Szenarien denken

Viele Menschen haben aufgrund multipler Konflikte resigniert oder haben Angst vor sozialem Abstieg. Angesichts einer Politik, die permanent im Krisenmodus zu regieren hat, glauben sie nicht mehr daran, dass die Zukunft planbar und daher auch nicht gestaltbar ist. Andrea Römmele vertritt eine andere Ansicht: „Aber wir können die Zukunft lesbar machen. In der Wirtschaft spricht man hier gerne von Risk Management.“ Wie kann Zukunft lesbar gemacht werden? Experten nennen es „Futuring“. Damit ist gemeint, in einem scheinbar konturlosen Grundrauschen Signale und Trends zu erkennen.

Zweifellos braucht auch die Politik mehr Risk Management und Futuring. Natürlich müssen Politiker, insbesondere wenn sie Regierungsverantwortung tragen, das kurzfristige Krisenmanagement beherrschen. Aber ebenso müssen sie über das Handwerkszeug sowie die institutionelle Infrastruktur verfügen, um langfristige Problem zu erkennen und nachhaltig damit umzugehen. Politik muss in der Lage sein, in Szenarien zu denken. Nur so gelingt es, Zukunft positiv zu gestalten, und nur so kann man die enormen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen bewältigen.

Jeder Einzelne kann für die Demokratie etwas tun

In ihrem Buch „Demokratie neu denken“ stellt Andrea Römmele fünf Megatrends vor und erörtert die daraus resultierenden Folgen für die Demokratie. Sie beginnt mit dem Megatrend „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“. Der zweite Megatrend „Urbanisierung“ beleuchtet das rasante Wachstum von Städten. „Demografie und Migration ist der dritte Megatrend. Den „Klimawandel“ hebt die Autorin aufgrund seiner umfassenden Relevanz als Mega-Megatrend heraus. Als fünften Megatrend bespricht Andrea Römmele die „Globalisierung“, im Sinne einer zunehmenden, weltweiten, wirtschaftlichen Verflechtung.

Um Demokratie neu zu denken im Sinne von neu zu aktivieren, braucht man sozusagen ein Update der Software. Andrea Römmele fordert: „Wir brauchen eine effektive Bürokratie, die eine KI-gestützte Entbürokratisierung einschließt und so Entscheidungen und Maßnahmen der Politik zügig umzusetzen vermag, schneller als bisher.“ Zudem benötigt die Demokratie Zukunftsvisionen und plausible Erfolgsnarrative. Letztlich – wie auch sonst und immer – braucht es mutige und zupackende Menschen. Dazu zählen Politiker, die für ihre Visionen und Vorstellungen kämpfen – und eben nicht nur ihre nächste Wiederwahl im Blick haben. Jeder Einzelne kann etwas dazu beitragen, dass die Demokratie nicht untergeht.

Demokratie neu denken
Szenarien unserer Welt von morgen
Andrea Römmele
Verlag: Campus
Gebundene Ausgabe: 223 Seiten, Auflage: 2024
ISBN: 978-3-593-51790-2, 30,00 Euro

Von Hans Klumbies