Das neue Buch „Liebe“ des französischen Philosophen und Schriftstellers André Comte-Sponville geht es wie der Titel schon verrät um die Liebe, denn ein interessanteres Thema als die Liebe gibt es nicht. Wenn jemand in einem Gespräch über die Liebe zu reden beginnt, kann er sofort mit einem gesteigerten Interesse der anderen rechnen. Auch in der Literatur und im Kino ist die Liebe in ihren verschiedenen Erscheinungsformen das bevorzugte Thema. André Comte-Sponville ergänzt: „Und für das richtige Leben gilt das – von Ausnahmen abgesehen – genauso: Was gibt es Aufregenderes, als zu lieben oder geliebt zu werden?“ Jedes andere Thema ist nur insofern von Interesse, wie Menschen ihm Liebe entgegenbringen. Die Liebe, die eigentlich eine Tugend ist, kann allerdings niemals zur Pflicht werden.
Die Liebe bewegt sich jenseits von Gut und Böse
Für Immanuel Kant ist die Liebe eine Sache der Empfindung, nicht des Wollens. Denn ein Gefühl lässt sich nicht befehlen. Wenn Menschen rückhaltlos lieben, brauchen sie sich um Moral nicht mehr zu kümmern. Gleichzeitig gilt für André Comte-Sponville: Was ein Mensch aus Liebe tut, geschieht nicht aus Zwang. Friedrich Nietzsche sagt: „Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse.“ Wenn die Liebe einen Menschen trägt, tritt sie an die Stelle der Moral oder befreit ihn von ihr. Doch meist genügt die Liebe nicht, dann greift die Moral ein und schreibt dem Menschen vor zu handeln, als würde er lieben.
Im Idealfall lieben Menschen und handeln aus Liebe. Doch mit der Liebe sind die meisten überfordert. Die Liebe dient der Moral als regulierendes Ideal. Die Moral ahmt die Liebe nach, wenn diese nicht vorhanden ist. Die Moral ist also eine Pseudo-Liebe. Ein Trieb ist für André Comte-Sponville kein Gefühl, die Liebe kein Instinkt. Eros ist kein Sex, sondern vielmehr eine bestimmte, ganz besondere Art von Liebe: die Liebesleidenschaft. Es ist die Lieben, die Menschen empfinden, wenn sie verliebt sind, in ihrer stärksten und wahrhaftigsten Bedeutung des Wortes.
Die Liebe hofft auf die Unsterblichkeit
Eros ist die leidenschaftliche Liebe. Liebe ist gleich Begehren ist gleich Mangel. Das ist die magische Formel Platons und vielleicht der Menschheit. Es ist so leicht, sich zu verlieben, und so schwer verliebt zu bleiben, wenn man zusammenlebt. Diese Feststellung ist nur schwer zu ertragen. Etwas erklärt Platon nicht oder kaum: dass es gelegentlich auch glückliche Paare gibt. Eros will nicht einfach nur das Gute besitzen, weil es ihm fehlt, sondern möchte es immer besitzen. Daher hofft die Liebe auch auf Unsterblichkeit.
Die Gnade geliebt zu werden, sagt André Comte-Sponville, geht der Gnade zu lieben voraus und ermöglicht sie. Die Liebe ist eine Gabe, aber kein Geschenk; kein Gebender schafft es, dieser Aufgabe voll und ganz gerecht zu werden. Es stimmt: nichts ist Interessanter als die Liebe. André Comte-Sponville beschließt sein vorzügliches Buch mit folgenden Sätzen: „Wäre es leichter, nichts und niemanden zu lieben? Vielleicht. Aber dann wären wir so gut wie tot. Würden wir nicht auch die Schwierigkeiten lieben, wie könnten wir dann das Leben lieben?“
Liebe
Eine kleine Philosophie
André Comte-Sponville
Verlag: Diogenes
Gebundene Ausgabe: 166 Seiten, Auflage: 2014
ISBN: 978-3-257-06890-0, 19,90 Euro
Von Hans Klumbies