Amitai Etzioni erhält den Meister-Eckhart-Preis

Der Soziologe Amitai Etzioni, der in den Vereinigten Staaten von Amerika, zum weltweit bekanntesten Vertreter des Kommunitarismus aufstieg, hat in seiner Heimatstadt Köln einen der bedeutendsten und mit 50.000 Euro am höchsten dotierten Wissenschaftspreis entgegengenommen, den Meister-Eckhart-Preis. Amitai Etzioni hat die Klage der Zionisten über die Monadenhaftigkeit der modernen Existenz und die Atomisierung der Gesellschaft von ihrem kulturkritischen Ansatz entfesselt. Wie Martin Buber will auch Amitai Etzioni die Gemeinschaft wiederbeleben, um zur guten Gesellschaft zu gelangen. Der Soziologe vertritt die Ansicht, dass weder in völliger Autonomie noch allein mit den Kräften des Marktes oder des Staates der Mensch Zufriedenheit erlangen könne.

Der Weg zur guten Gesellschaft

Deshalb hat Amitai Etzioni das Bubersche Prinzip vom Ich und Du zum Ich und Wir ausgedehnt und es mit einem festen soziologischen Instrumentarium für das Zeitalter der Globalisierung gerüstet. Der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth fasste dies in seiner Laudatio zusammen: „Eine liberale Gesellschaft braucht das Netzwerk von kleinen Gruppen und Gemeinschaften, den Kreis von sympathisierenden Anderen.“

Auch Honneth hält wie Amitai Etzioni die Anerkennung des Menschen durch andere Menschen für zentral, auch er will die marktkritischen Kräfte durch freie Vergemeinschaftung, soziale Aktivität und der Orientierung am Gemeinwohl stärken.
Axel Honneth sagte bei seiner Würdigung des Preisträgers, dass Amitai Etzioni schon vor zwanzig Jahren vor den sozialen Folgen gewarnt habe, die mit einer Entgrenzung des Marktes eintreten könnten, wie es in der aktuellen Finanzkrise der Fall ist.

Die Versöhnung von Freiheit und Gemeinschaft

Amitai Etzioni geht es auch darum, die Gegensätze von Freiheit und Gemeinschaft zu versöhnen, indem er die reichen Verbindungslinien offen legt, die zwischen ihnen bestehen. Er denkt von der Freiheit her, will sie aber durch einen flexiblen Begriff der Gemeinschaft sichern, gewissermaßen in den Herzen verankern.

Im Gegensatz zu Jürgen Habermas spricht Amitai Etzioni von einem moralischen Dialog in der Gesellschaft, nicht vom Diskurs. In einem Diskurs sollen die Teilnehmer möglichst abgeklärt eintreten und alle Emotionen erst einmal beiseite schieben. Im moralischen Dialog dagegen ist der ganze Mensch angesprochen. Dialoge können laut Etzioni nicht gelingen, wenn Ängste und Befürchtungen verschwiegen werden.

Der Aufbau einer gelungenen Identität

Wer einer Gemeinschaft beitritt, habe deren grundlegende Werte anzunehmen und deren Sprache zu erlernen. Für Amitai Etzioni ist es ein der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die Schichten der Identität zu ordnen und ihnen eine neue hinzuzufügen, die Verantwortung für die Weltgemeinschaft.

Zum gelingenden Auf- und Umbau der Identitäten empfiehlt der Soziologieprofessor vier Dinge: Erhöhte Zufriedenheit durch gemeinschaftlich ausgerichtete Projekte jenseits des Marktes statt durch Konsum, den Schutz und das Genießen der Natur, das Teilen des Besitzes, und schließlich das Ausschöpfen spiritueller Ressourcen der drei monotheistischen Religionen.

Von Hans Klumbies