In der Stille kommt das Denken und Wollen zur Ruhe

„Schaffe Leere bis zum Höchsten! Wahre die Stille bis zum Völligsten.“ Diese Worte sind Teil einer berühmten Stelle aus dem Daodejing (Tao Te King) des Laotse. Albert Kitzler weist auf eine bedeutenden Kulturhistoriker hin, der über dieses Zitat sagte: „Es gibt vielleicht keine weisere Stelle in der ganzen Weltliteratur.“ „Stille“ ist hier das zur Ruhe kommen des unaufhörlichen Denkens und Wollens. Es geht dabei um den ruhigen Fluss des Lebens und das Zurückkommen zu sich selbst. Wichtig dabei ist die Erkenntnis und Annahme des natürlichen Kreislaufs alles Lebendigen, einschließlich des persönlichen Schicksals. Man kann sagen, es handelt sich dabei um den Inbegriff aller Gelassenheit. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Ein glücklicher Seelenzustand gleicht der Meeresstille

Laotse fährt fort: „Rückkehr zur Wurzel heißt Stille. Stille heißt Wendung zum Schicksal. Wendung zum Schicksal heißt Ewigkeit. Erkenntnis der Ewigkeit heißt Klarheit.“ Wer in stiller Gelassenheit lebt, bekommt Klarheit über sich selbst, seine Bestimmung und den Sinn des Lebens. Er kann sich zu sich selbst und zu seinem Schicksal bekennen. Der griechische Philosoph Epikur vertritt folgende Auffassung: „Der Mensch ist glücklich, wenn seine Seele still und ruhig ist, weil sie durch keinerlei Erregung gestört wird.“

Für Epikur besteht das Glück des Menschen darin, die Dinge und das Leben so zu genießen, dass der innere Seelenfrieden weder durch Ängste noch durch Schmerzen oder sonstige Beunruhigungen gestört wird. Diesen Seelenzustand verglich er mit der Meeresstille. Damit ist laut Albert Kitzler keine Leb- oder Empfindungslosigkeit gemeint, keine Weltflucht, keine Aufgabe äußerer Bemühungen, Aktivitäten und Unternehmungen. Epikur hat die innere Haltung und die Grundstimmung heiterer Gelassenheit im Auge.

Stille Ruhe schützt vor Leiden

Diese heitere Gelassenheit sollte jeder wahren und beschützen, bei allem, was er tut. Dies gelingt einem Menschen, wenn er im Innern auf Distanz zu jedweder Bezogenheit auf Äußeres geht. Eine bis heute anhaltende Polemik, löste Epikur dadurch aus, dass er dieses Glück als die höchste Lust bezeichnete, die der Mensch auf Erden erlangen kann. Das aber ist ein Missverständnis. Man tut besser daran, das griechische Wort „hedone“, das er verwendete, mit „Freude“ oder „angenehmer Empfindung“ zu übersetzen.

„Wem stille Ruhe ward zuteil, den fechten keine Leiden an.“ Dieses Zitat stammt aus der indischen Bhagavadgita. Die Bhagavadgita dürfte hier in erster Linie den Zustand der Versenkung in yogische Meditation im Auge haben. Albert Kitzler erläutert: „Der erste Satz besagt, dass innere Ruhe und Ausgeglichenheit die beste Vorbeugung gegen alle seelischen, aber auch gegen die meisten körperlichen Leiden ist.“ Diese sind, wie bereits im Altertum bekannt, in ihrem Entstehen, ihrem Verlauf und in ihrem Ende in hohem Maße seelisch bedingt. Quelle: „Weisheit to go“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies