Die Freiheit befreit von der Herrschaft des Zufalls

Die Freiheit ist es, um die man kämpfen sollte. Um diesen Preis wird gerungen. Für Seneca besteht die Freiheit darin, dass man keinem Zwang, keinem Zufall die Herrschaft über sich einräumt und das Schicksal sich nicht über den Kopf wachsen lässt. Die Freiheit ist mit anderen Motiven eines guten Lebens eng verflochten. Warum ist das so? Albert Kitzler antwortet: „Weil die Freiheit für Seneca die Fähigkeit ist, sich von all dem, was uns widerfährt, innerlich unabhängig zu machen. Mit ihr befreien wir uns aus der Herrschaft des Zufalls.“ Niemand kann ändern, was geschieht. Aber was das Geschehen mit einem Menschen macht, so Seneca, kann man durchaus bestimmen. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Der Weise verwandelt Unglück in Glück

Der Mensch kann sein Schicksal selbst formen. Oder wie es der Vorsokratiker Heraklit ausgedrückt hat: „Des Menschen Charakter ist sein Schicksal.“ Wie ein Mensch seine Persönlichkeit formt und ausbildet, so wird sein Schicksal sein. Seinen Schlägen ist man ausgeliefert, aber nicht den Auswirkungen auf die seelisch-geistige Verfassung. Die innere Freiheit ist für Seneca „das Höchste“. Albert Kitzler weiß: „Sie verkörpert für ihn Weisheit und seine Vorstellung von Philosophie, vom menschlichen Glück schlechthin.“

Von Konfuzius, der 500 Jahre vor Seneca lebte, ist folgender Satz bekannt: „Der Weise versteht, Unglück in Glück zu verwandeln.“ Die geistige und seelische Kraft, die hier wirkt, ist für Seneca ebenso wie für Konfuzius die Vernunft. Seneca rät dem römischen Dichter Lucilius Freundschaft mit der Philosophie zu schließen, wenn er furchtlos, sorgenfrei, glücklich und schließlich frei sein will. Anders kann man dessen nicht teilhaftig werden. Jämmerlich dagegen steht es um die Torheit. Sie hat etwas Verächtliches, Niedriges und Kriechendes an sich.

Allein die Weisheit ist Freiheit

Seneca lobt die Weisheit, denn sie allein ist die Freiheit. Nur ein Weg führt zu ihr und zwar ein gerader. Man kann ihn nicht verfehlen. Wer sich alles untertan machen will, muss sich selbst der Vernunft unterwerfen. Viele wird man lenken, wenn die Vernunft einen lenkt. Dass die Weisheit allein Freiheit ist, ist für Albert Kitzler ein Schlüsselsatz im Denken Senecas und der gesamten Stoa. Das trifft auch auf andere Richtungen der antiken Weisheitstradition im Orient und Okzident zu.

Die Philosophie, die Weisheit und die Vernunft schulen die Persönlichkeit, damit das äußere Geschehen einen Menschen nicht negativ beeinflussen kann. Diese Schulung besteht darin, dass man die Zusammenhänge erkennt, die zwischen äußerem Geschehen, den eigenen Vorstellungen und negativen Gefühlen bestehen. Man lernt erkennen, welche innerseelischen Mechanismen negative Gefühle auslösen, aber auch verhindern können. Bei ihrer Entstehung spielen nach Seneca unkontrollierte Begierden eine maßgebliche Rolle. Quelle: „Leben lernen – ein Leben lang“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies