Die Stille ist schöpferisch

Der chinesische Philosoph Liezi sagt: „Der Sinn des auf sich selbst Beruhenden ist Stille: So entstehen Himmel, Erde und die ganze Natur.“ Albert Kitzler interpretiert den Satz so, dass Stille entsteht, wenn der Mensch völlig in sich selbst ruht. Diese Stille ist schöpferisch. Die Stille, die hier gemeint ist, bedeutet: alles Unwesentliche abstreifen, sich leeren von allem Äußeren, in seine Mitte kommen. Sie bezieht sich sowohl auf die äußere Natur wie auf die Natur des einzelnen Menschen. Aus ihr entsteht alles. In diese Ruhe und Leere hinein kann der „Anruf des Seins“ erfolgen und vernommen werden. Er fordert den Menschen auf, sein Eigenstes zu ergreifen und zu gestalten. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.

Sokrates schätzte die Stille ebenso wie den Dialog

Der Mensch soll sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen einrichten und verwirklichen. Was er tut, wenn er ganz und ungestört bei sich ist, in sich ruht, sein Innerstes und seine Mitte lebt und erfährt, das hat Dauer, Substanz, Gehalt. Das ist das wirklich Bedeutende, das Nährende, das Eigentliche. Das ist die Erfüllung seiner Bestimmung. In ihr erfährt er sein Glück und seine Zufriedenheit. Auch der griechische Philosoph Sokrates schätzt die Stille, aber ebenso auch die Unterhaltung.

Sokrates war nicht nur ein Meister des Dialogs, sondern auch der Versenkung. Aus mehreren Quellen wird folgende Begebenheit berichtet: „Wir haben gehört, dass Sokrates neben anderen freiwilligen Kraftproben und Leibesübungen, um sich gegen Schicksalsschläge abzuhärten, auch die Gewohnheit hatte, Folgendes zu tun: Oft stand er, sagt man, den ganzen Tag und die ganze Nacht, von einem Sonnenaufgang zum anderen, ohne mit den Augen zu zwinkern, unbeweglich, die Füße auf demselben Fleck.“

Sokrates fordert: „Erkenne dich selbst!“

Sokrates hatte dabei das Antlitz und den Blick auf einen Fixpunkt gerichtet, war im Nachdenken versunken, als wären sein Geist und seine Seele vom Körper getrennt. Das klingt für Albert Kitzler wie die Beschreibung eines Yogis, Mystikers oder Heiligen bei der Meditation und Versenkung ins Göttliche. Dabei hat Sokrates wie kein anderen von sich und seinen Mitmenschen gefordert: „Erkenne dich selbst!“ Aber er hat gewusst, dass dafür ein regelmäßiges In-sich-Gehen gehört.

Ebenso gehören zur Selbsterkenntnis ein In-sich-Hineinhorchen, eine Selbstbesinnung, ein Stillwerden und ein Schweigen. Dazu kommen aber auch ein Nichtstun, Stunden des Alleinseins, des mentalen Leerwerdens und des Verstummens der äußeren Welt. Schlussendlich erschafft man einen innerer Raum, in den hinein ein Anruf, ein Geistesblitz, eine neue Erfahrung treten kann. Der Philosophenkaiser Marc Aurel rät: „Wenn du aber merkst, dass du wieder vom Wege abirrst und nicht Sieger bleibst, dann zieh dich getrost in einen Winkel zurück, wo du den Sieg erringen wirst.“ Quelle: „Weisheit to go“ von Albert Kitzler

Von Hans Klumbies