Es sind die Begierden, sagt Seneca, die viele Menschen ständig nähren und anfeuern. Über diese können sie nicht Herr werden, weil sie deren Sklaven und Leibeigene sind. Ihnen muss man Einhalt gebieten. Der Weise dagegen begehrt nichts, weil alles in ihm ist. So besitzt der Weise im Geiste alles. Selbstgenügsamkeit ist der Zustand, in dem man nichts von außen zu seinem Glück braucht und daher auch nichts begehrt. Albert Kitzler erläutert: „In unserem Wissen und unseren Vorstellungen ist alles vorhanden, was zu unserem eigentlichen Sein gehört: die inneren Werte.“ Äußerlichkeiten sind nur Zugaben, die der Weise wie jeder Mensch willkommen heißt und genießt. Er vermisst sie jedoch nicht, wenn sie ausbleiben. Der Philosoph und Jurist Dr. Albert Kitzler ist Gründer und Leiter von „MASS UND MITTE“ – Schule für antike Lebensweisheit.
Die äußere Welt ist in Wirklichkeit nichts
Ein zentraler Gedanke der altindischen Philosophie, wie er in den Upanishaden niedergeschrieben ist, lautet: „Das bist du“, die ganze Welt ist in dir, in deinem Denken und Vorstellen. Die äußere Welt dagegen ist in Wirklichkeit nichts. Nämlich leer und bedeutungslos, bloßer Schein, Illusion, und Zauberei. Dein eigentliches Selbst liegt in dir. Deshalb sollte man sich von seinen nach außen hin gerichteten Begierden abwenden und die Freude und das Glück aus sich selbst schöpfen.
In der Bhagavadgita heißt es: „Doch wer an seinem Selbst sich freut, an seinem eigenen Selbst vergnügt, für den bleibt hier nichts mehr zu tun, weil ihm sein eigenes Selbst genügt.“ Auch hier ist keine Weltabgewandtheit gemeint. Der Welt gegenüber soll man seine Pflicht tun. Denn ein paar Verse weiter heißt es: „Drum handle ruhig; weise nicht die auferlegte Tat zurück; wer handelt ohne Leidenschaft, der Mensch erreicht das höchste Glück.“ „Die auferlegte Tat nicht zurückweisen“ hätte auch jeder römische Stoiker sagen können.
Reichtum führt zu einem sorgenvollen Leben
Für die Stoiker war es eine der höchsten Pflichten, seine Aufgaben bestmöglich zu erfüllen, wo immer das Schicksal ihn hin versetzte. Hinter allen Begierden nach materiellen Dingen sieht Seneca Gier und Habgier. Diese ist auf nichts und Nichtiges gerichtet. Dabei handelt es sich um leere Träume der Habsucht, freiwillige Übel, die viele Menschen selbst mit ihren ungefilterten Wünschen erschaffen, nähren und großziehen. Sie belasten ihr Leben und hängen an ihnen wie schwere Gewichte.
Ihre Wünsche ziehen sie in die Untiefen des Reichtums hinab. Dort führen sie anstelle eines glücklichen ein sorgenvolles Leben. Gibt man sich seinen Begierden nach Äußerem hin, entfernt man sich von seiner eigentlichen Natur. Man weicht zurück vor seinem wahren Selbst, vom Kern der eigenen Persönlichkeit und seines Seins. Man entfremdet sich, wird leer, ist haltlos und schwankend. Albert Kitzler fügt hinzu: „Wir ziehen von einer Veranstaltung zur anderen, suchen nur nich Highlights, den Kick, und trocknen innerlich aus.“ Quelle: „Leben lernen – ein Leben lang“ von Albert Kitzler
Von Hans Klumbies