1,5 Grad sind zum Inbegriff des Klimawandels geworden

Inzwischen ist die Debatte, wo eine akzeptable Grenze des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur liegen mag, in vielen Ländern in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Das Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sie mit deutlich unter 2 Grad, wenn möglich 1,5 Grad markiert. Friederike Otto weiß: „Diese 1,5 Grad sind seither zum Inbegriff des Klimawandels geworden, und sie prägen die Art und Weise, wie wir über ihn und unsere Zukunft reden. In den Medien, im politischen oder auch im privaten Kontext sprechen wir stets über das 1,5-Grad-Ziel und damit über das Fieber als Symptom der Krankheit.“ Friederike Otto forscht am Grantham Institute for Climate Chance zu Extremwetter und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Sie hat das neue Feld der Zuordnungswissenschaft – Attribution Science – mitentwickelt.

Die magischen 1,5 Grad sind ein Kompromiss

Insbesondere in den deutschen Medien werden in diesen Diskussionen Klimawissenschaftler mit den Worten zitiert, dass 1,5 Grad kein Ziel, sondern eine Grenze seien, womit sie meist nahelegen, dass das Überschreiten dieser Grenze katastrophale Folgen haben werde. Friederike Otto fügt hinzu: „Analogien, die in diesem Zusammenhang immer wieder bemüht werden, beschreiben Autos, die ungebremst gegen Wände fahren, oder einen Asteroiden, der auf die Erde stürzen wird.“

Solche Vergleiche mögen hilfreich sein, um die Größe des Problems zu illustrieren, aber als Metapher dafür, mit was für einem Problem die Menschheit es eigentlich zu tun hat, sind sie denkbar ungeeignet. Denn selbst wenn das 1,5-Grad-Ziel erreicht und nicht überschritten wird, ist die Erde für viele Menschen zu diesem Zeitpunkt kein gemütlicher Ort mehr. Friederike Otto stellt fest: „Die magischen 1,5 Grad sind ein Kompromiss. Ein Kompromiss zwischen Toten, Schäden und Verlusten auf der einen Seite und Profiten aus dem Verbrennen fossiler Brennstoffe auf der anderen.“

Jedes Zehntel Grad globaler Erwärmung führt zu immer größeren Schäden

Sie sind ein politisches Ziel. Sie bezeichnen keine physikalische, sondern eine soziale Grenze. Jedes Zehntel Grad globaler Erwärmung führt zu immer größeren Schäden und Verlusten, aber wer diese spürt und wie, hängt nur zu einem ganz geringen Teil vom Wetter und Klima ab. Friederike Otto erforscht Extremwetterereignisse, weil sie sehr interessante Fragen aufwerfen – unter anderem die, welche Rolle der Klimawandel für das Wetter nun eigentlich spielt.

Als Friederike Otto anfing, sich damit zu beschäftigen, behaupteten die meisten Wissenschaftler, dass man diese Frage gar nicht beantworten könne. Zum einen hatte dies technische Gründe, da die Forschung lange Zeit keine Wettermodelle hatte, die in der Lage waren, alle klimabezogenen Prozesse ausreichend präzise abzubilden, die Forscher sich anschauen müssen, um die Rolle des Klimawandels zu beurteilen. Zum anderen lag dies aber auch an Gründen, die mit der reinen Forschung wenig zu tun haben. Quelle: „Klimaungerechtigkeit“ von Friederike Otto

Von Hans Klumbies